Steigerung der Production: 112-114.


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Wir gehen zur Betrachtung einiger Mittel über, um die gemeinschaftliche Wirkung der Güterquellen möglichst zu steigern und, mit dem geringsten Aufwande von Kräften aller Art, die größte Wirkung oder die größte Menge von Gütern zu erzielen.
Zuvörderst ist es an und für sich einleuchtend, daß die Menge der producirten Güter und die Masse der geleisteten, nützlichen Dienste in einem Lande abhängig seyn werde von dem Fleiße der Arbeiter und dem Verhältnis ihrer Zahl, zu den Unbeschäftigten und Müßiggängern. Es ergibt sich leicht hieraus der Unterschied, den das Verhältnis zwischen den verschiedenen Ständen der Gesellschaft, eben so wie die Vertheilung des Grundeigenthums hervorbringen muß. In einem Lande, wo unverhältnißmäßig viele Beamte sind, die große Masse der Gebildeten sich zum Staatsdienste drängt, ein zahlreiches stehendes Heer gehalten wird, viele große Grundbesitzer ein müßiges Gefolge um sich versammeln, Feiertage und Lustbarkeiten den Lauf der industriellen Geschäfte häufig unterbrechen: muß nothwendig die Production materieller Güter geringer seyn, als in einem Lande, wo, wie z. B. in den Nordamericanischen Freistaaten, die Zahl der Beamten auf das Minimum reducirt, der Unternehmungsgeist durch alle Klassen verbreitet ist, auch der allgemeine Geist des Volkes kaum den Sonntag sich zur Ruhe gönnt, um die übrige Woche wieder ausschließlich seinen Geschäften zu leben; – wogegen in jenem erstern Lande allerdings wieder als Ersatz die geistige Thätigkeit der gebildeten Klassen auf ein höheres Ziel gerichtet und viel weiter ausgebildet seyn kann, als in diesem. Wir werden jedoch sogleich sehen, durch welche Mittel es möglich ist, daß, ohne Schmälerung der jährlichen Production an materiellen Gütern (oder des Volkseinkommens), eine viel größere Anzahl von Menschen sich den persönlichen Diensten und geistigen Forschungen widme.

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Das einfachste Mittel hierzu ist – und der Mensch hat es sehr früh anzuwenden gelernt – daß er sich andere Kräfte dienstbar mache und dieselben für sich arbeiten lasse. Während die Israeliten ihre Züge durch die Wüste langsam zu Fuß ausführten, benutzten sie schon das Kamel als Lastthier. Andere Völker, die das herumschweifende Leben lieben, haben sich das Pferd dienstbar gemacht, welches schnell den heuschreckenähnlichen Schwarm in andere Länder führt. Zum Betrieb des Ackerbaues kommt schon früh der Pflug und Wagen in Gebrauch, den Ochsen langsam fortschleppen. Der Küstenbewohner, nach der Sage von Nautilus unterrichtet, spannt Segel auf seinen Nachen und läßt ihn vom Winde treiben, um selbst der Mühe des Ruderns überhoben zu seyn; während Simson im Gefängniß bei den Philistern, und in Ulysses Haushaltung täglich 12 Weiber Mehl malen, beschreibt Vitrurins schon die Wassermühlen bei den Römern. Die Kreuzzüge machen uns mit den Windmühlen bekannt, und die Anwendung der Dampf- und anderer Kräfte gehört noch spätern Zeiten an.
Wir haben bereits oben bei Gelegenheit der Wind- und Wasserkraft einige Angaben über das Verhältniß derselbem zur Menschenkraft mitgetheilt. Ich vervollständige dieselben, nach Egens Berechnung, in folgender Tabelle, in welcher die Zahlen sogenannte Dampfmaschinen-Pferdekräfte bedeuten, die Tag und Nacht arbeiten, mithin drei starken gewöhnlichen Pferden gleichkommen;



Tabelle



Kommt nun noch hinzu, daß es immer eine Menge Menschen gibt, welche gar nicht arbeiten, und eine noch viel größere Menge, die bei ihren gewerblichen Beschäftigungen keineswegs ihre volle Körperkraft anwenden: so fällt jedenfalls das Verhältniß der Menschenkraft zu den übrigen Arbeitskräften noch viel geringer aus.


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So unvollständig und mangelhaft nun auch dergleichen Berechnungen seyn mögen, so geben sie doch ein ungefähres Bild von dem Verhältnisse der verschiedenen Arbeitskräfte, und es leuchtet ein, daß je größer verhältnißmäßig die übrigen Kräfte sind, desto bedeutender muß die Masse von Producten oder nützlichen Diensten seyn, welche auf jeden einzelnen Einwohner fallen und zur Befriedigung seiner Bedürfnisse und Genüsse dienen, wenn wir vorläufig noch davon absehen, wie die Verteilung derselben auf die einzelnen Einwohner eines Landes erfolgt, wovon wir später ausführlicher handeln werden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Kunst reich zu werden