Nachtheile derselben: 127–130.


127
So unendliche Vortheile aber auch die Theilung der Arbeit gewährt: so ist es doch auch nicht zu verkennen, daß sie ihre große Schattenseite habe. Zuvörderst setzt sie den Arbeiter in eine sehr große Abhängigkeit von dem Unternehmer. Ein Arbeiter, der sein ganzes Leben hindurch nichts getrieben hat, als eine einfache monotone Operation, die an und für sich zur Erzeugung eines Productes untauglich ist, wenn nicht eine Menge verschiedener Personen sich wechselseitig in die Hände arbeiten, ist fast unfähig, etwas Anderes anzufangen, und mithin ein Sclave des Unternehmers, der ihn beschäftigt, so wie seiner Mitarbeiter. Vor Allem aber ist die obenerwähnte, mit der Theilung der Arbeit nothwendig mehr oder weniger verbundene Unfähigkeit und Abstumpfung des Arbeiters, als ein großer Uebelstand zu betrachten. Ein Mann, der sein Leben lang nichts anders gethan hat, als den Kopf einer Stecknadel festzuklopfen, oder einen Ziegel zu formen, einen Nagel zu schmieden, ein Weberschiff aus einer Hand in die andere zu werfen, wird dieß zwar besser und rascher thun, als ein anderer: aber er wird auch um desto unfähiger für jedes andere Geschäst seyn, sey es ein geistiges oder körperliches. Und diese Herabwürdigung trifft in Folge der Arbeitstheilung nicht bloß den Manufacturarbeiter und Handwerker, sondern oft auch den Mann, der sich höhern und geistigen Arbeiten widmet. Die Unbehilflichkeit der Stubengelehrten ist fast zum Sprichwort geworden: ,,das ist ein Gelehrter,“ heißt oft so viel, als,,der Mann weiß sich nicht zu helfen.“


128
Dieser nachteilige Einfluß der Theilung der Arbeit auf die allgemeine Ausbildung des Menschen, zeigt sich besonders deutlich bei dem Vergleich der civilisirten Nationen mit den Wilden, deren Gesicht, Gehör und Geruch, verbunden mit einem gewissen Grade von Schlauheit und Scharfsinn in Bezug auf die sie umgebenden Gegenstände und Geschöpfe, auf eine bewundernswürdige Art ausgebildet ist, und welche in Anfertigung ihrer Waffen, Kleider und Hausgeräthes oft einen Erstaunen erregenden Fleiß und Geschicklichkeit bekunden. Dafür erfordert aber auch die Anfertigung eines dieser Gegenstände oft mehrere Jahre und die Erlernung der verschieden Fertigkeiten zur Erhaltung ihres Lebens ein ganzes Menschenalter, weßhalb die Production solcher wilden Völker nur unbedeutend ist, und ihr gesammeltes Capital fast ganz stationär bleibt: so daß sie Jahrhunderte lang auf der geringen Stufe der Bildung stehen bleiben. auf welche sie einmal die Noth gebracht hat, ohne daß sie, wie die civilisirten Völker, in Folge der Theilung der Arbeit, wie wir sogleich sehen werden, sich zu einer immer höhern Stufe des Wohlstandes und der Bildung zu erheben vermögen. Und wenn auch die größtmöglichste Theilung der Arbeit in vielen Fällen nicht eben als ein Glück für die Menschheit erscheinen dürfte: so ist doch dagegen zu bemerken, daß im Allgemeinen ihre Wirkungen auf den körperlichen, geistigen und moralischen Zustand der Arbeiter nicht so nachtheilig seyn können, wie gewöhnlich angenommen wird, da die tägliche Erfahrung uns lehrt, daß die Landbewohner, bei denen (vergl. §.122.) die Theilung der Arbeit am wenigsten vorkommt, in jenen drei Beziehungen der städtischen Bevölkerung keineswegs überlegen sind. Besonders in geistiger Hinsicht ist dieß nicht der Fall, eher noch in körperlicher und moralischer, ohngeachtet auch dieß noch keineswegs ausgemacht seyn dürfte. Die Theilung der Arbeit scheint hiernach auch in den Manufacturen, indem sie das gemeinschaftliche Arbeiten befördert, durch die hierdurch veranlaßten vielfachen Berührungen der Arbeiter unter sich, einen Theil der durch sie hervorgebrachten Abstumpfung wieder gut zu machen, und so das Heilmittel dieses Uebels selbst in sich zu tragen.


129
Demnächst müssen wir aber bei den Vorwürfen, welche der Arbeitstheilung gemacht werden, immer erst genau untersuchen, ob sie wirklich diese und nicht andere Umstände treffen. Wenn das Zuspitzen der Nadeln in den Nadelfabriken eine ungesunde Arbeit ist, der wiederholte Schlag der Lade des Weberstuhls einer Menge Weber den Tod bringt etc: so sind dieß nicht Folgen der Arbeitstheilung, sondern der Beschaffenheit der Arbeit selbst. Wenn wir ferner eine Menge Manufacturarbeiter in großem Elend, in Dürftigkeit und Herabwürdigung leben sehen: so liegt die Ursache davon, wie dieß später ausführlich entwickelt werden soll, größtenteils in andern Ursachen, und ist nicht eine nothwendige Folge der Arbeitstheilung.


130
Endlich ist aber, und dieß ist als der bei Weitem wesentlichste Umstand hiebei in Betracht zu ziehen, die Theilung der Arbeit keineswegs als die höchste Stufe der gewerblichen Ausbildung, sondern vielmehr nur als eine Zwischenstufe anzusehen. Die höchste Entwickelung derselben bildet sich in Folge der Theilung der Arbeit erst dadurch, daß ein großer Theil der gewerblichen Arbeiten in höchst einfache, ewig wiederkehrende und ganz geistlose Operationen zerlegt, und die Ausführung derselben sowohl, als aller schweren, bloß rohe mechanische Kraftanwendung erfordernde Arbeiten, nunmehr vermittelst der Maschinen, andern gröbern und vernunftlosen Arbeitskräften, als den Zugthieren, dem Winde, dem fließenden Wasser, dem Dampf etc. von dem Menschen übertragen werden, welcher sich dabei nur das Geschäft vorbehält, der Lenker und das denkende Princip dieser Maschinen zu seyn. Durch diesen letztern Fortschritt in der gewerblichen Thätigkeit ist die Möglichkeit gegeben, dem durch die Arbeitsteilung und die schweren Arbeiten herabgewürdigten Menschen, die ihn zum willenlosen, mechanischen Werkzeuge machen, wieder zu dem Range eines denkenden Geschöpfes zu erheben, – und dieser Zustand der Gewerbe ist es, welcher sich in den civilisirten Staaten unserer Zeit immer mehr auszubilden anfängt. So wird das Spinnen der Baumwolle schon jetzt allgemein durch Maschinen bewirkt, fürs Dreschen und Holzhacken hat man ebenfalls bereits Maschinen erfunden, und andere Beispiele der Art ließen sich eine Menge anführen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Kunst reich zu werden