Das Zusammenwirken der Güterquellen: 104 -111.


104
Jede dieser Güterquellen allein, ohne Mitwirkung der andern, würde nur sehr wenig Nutzen stiften, wenig nützliche Dinge hervorbringen können. Was nützte der Grund und Boden, wenn er nicht von Menschenhand oder Zugvieh bearbeitet würde, wenn kein Futter vorhanden wäre, um Letzteres zu ernähren, oder keine Scheunen, um die gewonnenen Bodenerzeugnisse aufzunehmen? Nun sehen wir täglich, daß ein Greis, eine Frau, ein Kind, ein Beamter, die ein ihnen gehöriges Grundstück nicht selbst bewirtschaften können, es an einen andern verpachten. Eben so leiht ein Capitalist seine Capitalien gegen Zins aus, vermiethet seine Häuser, legt Brücken an gegen einen davon zu erhebenden Zoll etc. Auf ähnliche Weise verdingt sich ein Arbeiter, ein Geselle bei einem Meister, eine Waschfrau bei einer Hausfrau etc. und lassen sich ihre Arbeiten bezahlen. Auf diese Art sehen wir, wie die Vereinigung oder das Zusammenwirken der Güter-Quellen zur Erzeugung nützlicher Dinge durch einen Unternehmer möglich wird, trotz dem, daß derselbe nicht deren Eigenthümer ist.
Indessen ist es selten, daß ein Unternehmer so arm sey, um nicht wenigstens einen Theil des erforderlichen Capitals selbst zu besitzen. Niemand leiht auch gern sein Capital einem Schuldner, oder verpachtet seine Grundstücke einem Pächter, oder verdingt sich einem Dienstherrn, der selbst gar nichts besitzt, indem die Gefahr, das Seinige zu verlieren, dabei zu groß ist. Wir finden ebenso, daß auch der roheste Arbeiter meist ein kleines Capital besitzt, sey es auch nur die Hacke und der Spaten, mit denen er arbeitet. Ein Maurergeselle hat wenigstens seine Kelle und sein Schurzfell, eine Näherin ihren Zwirn, Fingerhut und Nadeln.


105
Den Antheil, welchen die natürlichen Güterquellen, das Capital und die menschliche Arbeit, an den verschiedenen nützlichen oder gewerblichen Unternehmungen haben, ist äußerst verschieden. Der Fischfang bedarf gar keines Grundes und Bodens. Für die Viehwirthschaft auf den Alpen sind große Wiesenflächen und zahlreiche Heerden, aber wenig Gebäude und Arbeit erforderlich; während bei der Ackerwirthschaft ein ganz anderes Verhältnis eintritt. Ein Banquier kann in einem kleinen Stübchen Geschäfte von Millionen machen. Bei einem gewerbtreibenden Volke werden die stehenden Capitalien, bei einem handeltreibenden dagegen die umlaufenden sehr bedeutend seyn, und ähnliche Beispiele ließen sich unzählige aufführen.


106
Namentlich spielt das gesammelte Capital eine wichtige Rolle dabei, indem wir gesehen haben, daß bei gleichem Flächenraume und gleicher Menschenmenge (den wichtigsten unter den eigentlichen Güterquellen) einen unbegrenzte Vermehrung des gesammelten Capitals stattfinden, und, ohne Hülfe desselben, der fruchtbarste Boden, die günstigste Lage und die größte Geschicklichkeit und Beharrlichkeit der Arbeiter nur wenig Nutzen bringen können. Daher ist die Vergrößerung des Capitals der Einzelnen sowohl, als des National-Capitals, das wesentlichste Mittel, die Erzeugung nützlicher Ding, zu befördern und das gesammelte Vermögen immer noch mehr zu steigern. Wir sehen daher auch bei Einzelnen sowohl, als bei ganzen Nationen, das Vermögen rasch zunehmen, wenn es einmal einen gewissen Standpunct erreicht hat; während es sehr lange dauert, bis überhaupt von einzelnen und von ganzen Völkern die ersten Stufen des Wohlstandes erreicht werden.


107
Was in Vorstehendem über das Zusammenwirken der Güterquellen und den Einfluß derselben auf die Erzeugung von nützlichen Dingen (Production) gesagt worden ist, erklärt uns auch, wie es möglich war, daß Völker, deren Grund und Boden nicht 1/10 ihrer erforderlichen Lebensmittel erzeugte, wie die Genneser und Venetianer, dennoch durch den Tausch oder Handel mit ihren andern Producten, im Ueberfluß leben konnten. Die unfruchtbaren Schluchten des Jura bei Neuschatel sind wohlhabend durch die Uhrmacherei, welche man dort treibt. Im Gegensatz hievon finden wir in allen Welttheilen Landstriche, welche von der Natur auf das reichlichste und üppigste ausgestattet sind, von den armseligsten Völkern bewohnt: weil dieselben faul, dumm und liederlich sind. Die Ausdehnung und Fruchtbarkeit des Bodens sind Geschenke der Natur, die gesammelten Capitalien dagegen sind vorzugsweise als das Ergebniß des menschlichen Gewerbefleißes, verbunden mit Sparsamkeit, anzusehen.


108
Man hat jedoch dem Einfluß der gesammelten Capitalien bei der Production mitunter einen zu großem Werth beigelegt, ja man hat behauptet, daß sie die wesentlichste Bedingung und Quelle derselben seyen. Daß dieß irrig ist, ergibt sich schon daraus, daß, wenn diese Voraussetzung richtig wäre, sich ein Volk niemals aus dem Stande der Rohheit und Wildheit zu höherer Civilisation, und eben so wenig ein ganz armer Mensch zu höherm Wohlstande hinauf zu schwingen im Stande seyn würde; denn woher hätten sie ihr erstes Capital genommen? In vielen industriellen Landstrichen verfertigt man ferner Waaren, welche fast gar kein Capital erfordern, wie z. B. Spitzen, aus Holz geschnittene Waaren, Drechslerarbeiten aus Bein etc., und ein Land enthält immer eine Menge Naturstoffe und auch bereits durch Menschenhand bereitete und gesammelte Vorräthe, die werthlos sind und unbenutzt bleiben und nutzbar gemacht werden könnten. Das Material zu einem italienischen Strohhut ist nur einige Pfennige werth und wird durch geschickte Hände in ein Product umgewandelt, was oft mit vielen Thalern bezahlt wird. Das crepirte Vieh auf unsern Dörfern liefert in der Regel außer der Haut nur noch Düngungsmaterial, während die Chemie uns die Mittel an die Hand gibt, eine Menge anderer nützlicher Stoffe daraus zu bereiten, wie es z. B. in der Abdeckerei von Paris benutzt wird, um eine Menge Ratten zu ernähren, deren Fell zu Handschuhen verarbeitet wird, auch um eine Masse Fliegenmaden zu erzeugen, die als Vogelfutter und als Köder zum Angeln der Fische verkauft werden.


109
In ähnlicher Art können auch die Einwohner des erbärmlichsten Dorfes, ohne alle fremde Beihülfe, wesentlich ihre Lage und ihren Wohlstand verbessern; nicht bloß, wenn sie, wie oben erwähnt, aus werthlosen Materialien verkäufliche Producte verfertigen, wie Hausgeräth oder Spielzeug aus Holz, Korbmacherarbeit etc., sondern auch durch andere, einen größern oder geringern Ertrag abwerfende, oder wenigstens ihren Zustand verbessernde Arbeiten; wenn sie Bäume und Weinstöcke pflanzen, Abzugsgräben ziehen, ihre Wege bessern, Ziegeln und Lehmpatzen zu neuen Wohnungen streichen, Feldsteine sammeln, ihre Felder jäten, Seidenwürmer ziehen, Küchen- und Handelsgewächse anbauen, Blumengärtchen anlegen, wenn ferner die Frauen fleißig spinnen, stricken und nähen, oder einzelne Leute unter ihnen des Sonntags Musik machen, Kräuter für die Apotheken sammeln, Canarienvögel ziehen (wie im Zillerthal in Tyrol) und tausend andere Arbeiten und Beschäftigungen der Art, durch deren Einführung manche Gegenden im Laufe von wenigen Jahren bisweilen sich zusehends emporheben. Staatsbehörden, wohlthätige Vereine und Menschenfreunde sind daher mit Recht überall bemüht gewesen, dergleichen neue Gewerbszweige einzuführen, welche indessen meistens an der Rohheit, Unwissenheit und Faulheit der ärmern Klassen ein großes Hindernis finden, und daher nicht immer und meist nur langsame Fortschritte machen. In neuerer Zeit wird bei uns in dieser Beziehung mit Recht auf Verbreitung des Seidenbaues und der Kunst, Strohhüte zu flechten, hingearbeitet.


110
Man hört oft die Klage, daß die Gewerbe eines Landes nicht in Aufnahme kommen können, oder gewisse große Unternehmungen nicht ausführbar seyen, weil es an Capitalien fehle. Allein bei näherer Prüfung dieser Beschwerde wird man sie fast immer unbegründet finden Auch haben die früher mitgeteilten Beispiele (§. 97. §. 100.) gezeigt, daß das jährlich gesammelte oder niedergelegte, stehende Capital eines Volkes nur sehr unbedeutend ist, gegen die jährlich umlaufenden Capitalien namentlich gegen die jährlich verzehrten Lebensmittel. Da nun fast bei allen Unternehmungen die Kosten des Unterhalts der Arbeiter oder die für dieselben erforderlichen Lebensmittel- und ersten Lebensbedürfnisse, mit seltenen Ausnahmen, den wesentlichsten Bestandteil der Gesammtkosten ausmachen: so wird auch zu den großartigsten Unternehmungen fast immer das erforderliche Capital vorhanden seyn. Woran es aber meistens fehlt, das ist der Unternehmungsgeist, um neue Unternehmungen zu entwerfen und ihre Ausführung zu leiten; und demnächst sind die erforderlichen Capitalien auch meistens in zu vielen Händen vertheilt, oder mit andern Worten, es sind zu wenig große Capitalisten vorhanden, welche dergleichen Unternehmungen allein auf ihre Kosten auszuführen im Stande wären. Daher ist es für den Wohlstand eines Volkes so wesentlich, daß das Zutrauen zu Actienunternehmungen allgemein werde, indem dadurch, wie das Beispiel der Eisenbahnen und anderer großen Unternehmungen in neuerer Zeit gelehrt hat, die ungeheuersten Capitalien ohne Schwierigkeit herbeigeschafft werden.


111
Demnächst finden sich auch in Ländern, wo das Eigenthum gehörig geschützt ist, immer sehr leicht auswärtige Capitalisten, um dergleichen große Unternehmungen auszuführen. Die Benutzung auswärtiger Capitalien ist mithin ein sehr mächtiges Hilfsmittel, den Wohlstand eines Landes zu fördern.
Uebrigens ist es bei Fragen der Art dringend nothwendig, den Begriff des Capitals nach der früher gegebenen Anleitung in jedem besondern Falle genau festzustellen und namentlich wohl zu beachten, daß darunter keinesweges bloß Geldsummen gemeint sind. So z. B. werden wir häufig finden, daß wenn Ausländer Unternehmungen in unserm Lande übernehmen (wie beispielweise die Gasbeleuchtung in Berlin,) der bei weitem größte Theil des zu solchen Unternehmungen erforderlichen Capitals doch aus dem Inlande genommen wird, wie Material, Lebensmittel für die Arbeiter, Handwerkszeug, - und das Ausland, außer der Industrie der ausländischen Unternehmer und Arbeiter, nur wenig dazu beisteuert. Wir werden auf die Benutzung auswärtiger Capitalien übrigens bei der Zinsrente noch einmal zurückkommen und auch noch anderweitig zu zeigen Gelegenheit haben, wie namentlich die Besorgnis, daß durch Anlegung fremder Capitalien in unserm Laude, dem Auslande ein ungebührlicher Nutzen zufließe, indem die Zinsen davon ins Ausland gehen, eine ganz unbegründete und lächerliche sey, wie überhaupt die allgemeine Besorgnis daß unser Geld ins Ausland gehen möge.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Kunst reich zu werden