Die Baugesinnung der Sienesen

Der Bauehrgeiz Sienas nimmt in den offiziellen Äußerungen oft eine wahre Heftigkeit an und blickt unruhig nach außen. Eine eigene Verschönerungsbehörde wacht namentlich über den Straßenkorrektionen. Petitionen von Bürgern in Bau- und Kunstsachen sind nichts Seltenes. Das Stillestehen des Dombaues heißt eine Schande: 1298 wird Weiterbau aus städtischen Mitteln beschlossen; der sogenannte neue Dom 1321 wird dekretiert als ecclesia pulcra, magna et magnifica. Die bisherige Domsakristei, „für eine Dorfkirche passend“, wird 1407 für eine Schmach der Stadt erklärt. Eine Bürgerpetition von 1389 bittet um Vollendung des Domes und Beifügung eines Camposanto in der Art des pisanischen, welcher eines der vornehmsten geweihten Bauwerke der ganzen Christenheit sei.

Schon 1286 verlangen die Minoriten fast trotzig städtische Beihilfe für eine Fassade, weil es der Gemeinde von Siena nicht zur Ehre gereiche, wenn vornehme fremde Geistliche und Städteboten kämen und die provisorische, „das Ding von Backstein und Mörtel“ sähen. Im Jahre 1329 wird ein Staatsbeitrag an die Karmeliter für eine Tafel des Lorenzetti bewilligt, welcher dabei urkundlich gerühmt wird.


Der Staat befiehlt 1288 der Dombaubehörde, dem Skulptor Ramo di Paganello einen großen und schönen Auftrag zu geben, woran er könne „suum magisterium ostendere et industrium suum opus“. Noch 1527 braucht die eifrige Bürgerpetition um Anstellung des von dem verwüsteten Rom hergeflüchteten Baidassar Peruzzi u.a. den Ausdruck: dass Ehre und Name der Stadt dadurch in anderen Städten zunehmen würden; außerdem hofft man, dass Siena durch ihn eine Kunstschule werde. Die Ufficiali dell’ ornato begutachten u. a. 1469 eine Expropriation zur Bildung eines Platzes mit der Erwägung: Platz und Stadt müßten davon solche Würde gewinnen, dass jeder Bürger täglich mehr davon erbaut sein werde. Einer Landstadt des sienesischen Gebietes, Grosseto, wird 1540 für den Bau ihrer Kathedrale ein bestimmter Baumeister und ein approbierter Plan desselben vorgeschrieben. Bürgerbeschwerden werden erhoben gegen eine ungenügende Fresko-Madonna an Porta nuova; — gegen das Feueranmachen in dem neu und herrlich gemalten großen Saal im Palazzo del Podestà, zum Teil aus betonter Rücksicht auf die Fremden (1316). Die verzögerte Vollendung der Fonte gaja heißt 1419 amtlich eine Schande der Stadt.

Um Beiträge zum Ausbau des Oratoriums der ortsheiligen Katharina wird 1469 der Staat angegangen im Hinblick auf die Ehre der Stadt, auf die Meinung der andächtigen Fremden, auf die Verdienste der Patronin, auf den Ruhm Sienas durch sie, auf die gegenwärtige Friedenszeit, endlich „weil wir eine der wenigen Städte der Welt sind, welche noch die Himmelsgabe der süßen Freiheit genießen“. Ein wahrer Inbegriff des sienesischen Pathos ist die schöne Beschreibung der Zeremonie, mit welcher Duccios Altarwerk 1310 in den Dom geführt wurde.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Kunst der Renaissance in Italien - Architektur