Die Kunst der Kaffeebereitung

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1926
Autor: Willy Hacker, Erscheinungsjahr: 1926

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Kaffee, Bohnenkaffee, Genuss, Geschmack, Kaffeebohnen, Aroma, Kaffeekanne, Kaffeetasse, Kaffeetopf, Herdplatte, Mich, Zucker
Die Gewohnheit des Kaffeetrinkens ist erst spät aus dem Orient nach Europa verpflanzt worden. Ein Mufti von Aden, Gemal-eddin Aldhabani, soll der erste gewesen sein, der den Brauch um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts aus Persien nach Arabien brachte, indem er sich des Kaffees bediente, um sich zum nächtlichen Gebet munter zu erhalten, was ihm seine Landsleute bald sämtlich nachtaten. Binnen kurzer Zeit wurde so das Kaffeetrinken in ganz Arabien Sitte, und von der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts an kam es auch in Konstantinopel in Aufnahme. Die Mohammedaner waren nämlich der Ansicht, dass der Kaffee ein erlaubter Stellvertreter für den ihnen untersagten Wein sei. Von dort brachten ihn wahrscheinlich die Venezianer mit, und 1644 kam der erste Kaffee nach Masseille. 1652 entstand in London, 1676, durch einen Armenier namens Pascal, in Paris und etwa 1694 in Wien das erste Kaffeehaus. Erst zu Anfang und Mitte des achtzehnten Jahrhunderts wurde der Gebrauch des Kaffees in Deutschland allgemein. Zur Zeit der Kontinentalsperre kam der Genuss des Kaffees notgedrungen wieder sehr ab, und man begnügte sich mit allerlei Ersatz.

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Soviel auch heute wieder echter Bohnenkaffee gekocht und getrunken wird, so selten wird er wirklich gut und zweckmäßig bereitet. In vielen Fällen ist der Kaffee selbst nicht gut, oder der Geschmack ist durch Zutat von Ersatzmitteln, durch fehlerhaftes Brennen und Abkochen verdorben. Wer den Kaffee als anregendes und belebend wirkendes, angenehmes Genussmittel schätzt und wirklich gut trinken will, bediene sich nur einer guten Kaffeesorte, zum Beispiel Java, oder einer guten Mischung von mehreren verschiedenen Sorten, von denen ein Teil sich durch feines Aroma, der andere durch kräftigen Geschmack auszeichnet. Kenner rösten oder brennen ihn selbst und bereiten ihn rein, ohne jeglichen Zusatz, am besten auf einer einfachen und zweckmäßigen Kaffeemaschine.

Bei dem Rösten der Kaffeebohnen ist hauptsächlich darauf zu achten, dass sie nicht zu stark gebrannt werden. Ein verbrannter, schwarzbrauner Kaffee hat nicht viel mehr Wert als Kohle, da alles Aroma verflüchtigt ist, während sich dagegen ein widerlich brenzliger Ölgeschmack bemerkbar macht. Vor dem Brennen muss der Kaffee sorgsam gelesen und mit weichem, lauwarmem Wasser gewaschen werden, worauf man ihn zum Trocknen ausbreitet und dann zwischen einem sauberen warmen Handtuch vollends trockenreibt. Das Rösten selbst, das je nach der Art des Verbrauchs in kleinerem oder größerem Maßstabe zu betreiben ist, da gebrannter Kaffee sein Aroma nicht lange bewahrt, geschieht noch heute da und dort in einfacher Weise in einem flachen, unbedeckten eisernen Tiegel. Diese Methode kann niemandem empfohlen werden, vielmehr wird man das Brennen des Kaffees am besten in den zylinderförmigen, verschlossenen Drehtrommeln vornehmen. Dasselbe muss langsam, über nicht zu heftigem, offenem Feuer vor sich gehen und darf nur so lange fortgesetzt werden, bis die Bohnen zu knacken beginnen und die gehörige braune Farbe angenommen haben, die bei den hellen Kaffeesorten, deren Bohnen in rohem Zustand gelblich oder grünlich aussehen, heller braun ausfällt als beispielsweise bei den ohnehin bräunlichen Javabohnen, die durch das Rösten fast kastanienbraun werden. Keinesfalls darf man die Bohnen so lange brennen, bis sie zu schwitzen beginnen und ich mit einer fettglänzenden Schicht von brenzligem Öl überziehen. Ehe die Erhitzung so hochsteigt, schüttet man die Bohnen auf eine Holzplatte oder in eine große Schüssel, lässt sie unter Umrühren mit einem Holzlöffel erkalten und bewahrt sie dann in gut schließenden Blechbüchsen auf. Zum Brennen von größeren Kaffeemengen bedient man ich besonderer sogenannter Dampfbrennapparate.

Im Orient zerstößt man den gerösteten Kaffee im Mörser, bei uns zermalmt man ihn in der Kaffeemühle zu einem gröblichen Pulver. Da der gemahlene Kaffee sein Aroma außerordentlich schnell verliert, mahle man nie mehr, als man gerade nötig hat, kaufe auch keinen gemahlenen Kaffee. Die Herstellung des Getränkes selbst geschieht entweder durch Kochen oder durch Filtrieren. Bei ersterer Methode schüttet man den gemahlenen Kaffee in den Topf mit siedendem Wasser, lässt ihn einige Mal aufkochen, rührt ihn mit einem Löffel um, gießt noch etwas siedendes Wasser darüber, lässt den Kaffee eine Weile ruhig stehen, damit er sich setzen kann, schreckt ihn wohl auch mit einem kleinen Guss kalten Wassers ab und schüttet das klargewordene Getränk in die Kaffeekanne. Bei der Kaffeebereitung durch Filtrieren oder Aufguss stellt man gewöhnlich auf die Kaffeekanne einen Drahttrichter oder ein Trichtersieb mit hineingelegtem Filtriersack. Den gemahlenen Kaffee schüttet man in den Beutel und gießt das erforderliche Wasser in kleinen Portionen siedend darüber. In den Zwischenpausen muss man den Kaffee fest zudecken. Der Filtriersack ist heute nicht mehr üblich, am besten sind wohl Porzellanfilter. Empfehlenswert ist auch die Anwendung von Kaffeemaschinen, wobei man den gemahlenen Kaffee in einen siebartig durchlöcherten Raum, das Wasser in einen anderen Raum füllt und zum Sieden bringt, worauf dieses dann durch seine eigenen Dämpfe getrieben oder dadurch, dass man die Maschine umdreht, den Kaffee filtriert und ein sehr wohlschmeckendes Getränk herstellte. Durch Zusatz von Milch oder Rahm und Zucker verliert der Kaffee viel von der aufregenden Wirkung und gewinnt an Nährwert, ist aber dem Magen weniger zuträglich und Milchkaffee daher zum Beispiel nach dem Essen nicht anzuraten. Bei dem Abkochen braucht man weniger Kaffee als bei dem bloßen Filtrieren, da er mehr ausgelaugt wird. Jedenfalls sollte man möglichst nur weiches Wasserverwenden. Der große Chemiker Liebig empfahl nachstehendes Verfahren: Man setzt das Wasser in einem emaillierten eisernen Geschirr zum Feuer, zermahlt die Bohnen zu einem gröblichen Pulver, schüttet drei Viertel davon ins Wasser und lässt es zehn Minuten kochen, fügt das letzte Viertel zu, bringt das Geschirr sofort vom Feuer und lässt es fünf Minuten zugedeckt ruhig stehen, bis sich der Kaffee gesetzt hat. Das fertige Getränk muss eine hellbraune Farbe haben und ist außerordentlich wohlschmeckend, da durch das Sieden aus den ersten drei Vierteln der Bohnen alle kräftigen Bestandteile ausgekocht sind und aus dem bloßen Aufbrühen des letzten Viertels das Aroma dazu gewonnen wird.“

Auch die Franzosen haben ihre besondere Art, Kaffee zu kochen. Will man diese anwenden, so mahlt man, um vier ziemlich große Tassen Kaffee zu erhalten, sechzig Gramm geröstete Kaffeebohnen, überbrüht dieselben in einem Trichter mit dreiviertel Liter siedendem Wasser, deckt den Kaffeetopf fest zu und lässt ihn unter Umrühren fast eine Stunde auf der mäßig heißen Herdplatte stehen, wobei er jedoch nicht wieder kochen darf. Dann nimmt man ihn vom Feuer, lässt ihn noch zehn Minuten klären und bringt ihn mit Rahm und Zucker zu Tisch. So zubereitet ist der Kaffee ein Genuss.

03 Ein Trunk auf der Straße

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