Einwirkung des Klimas

Während in der geographischen Gestaltung der Länder, der Kartenfiguration, das gegenseitige Verhältnis des festen und des tropfbarflüssigen s. g. Elementes, ist in Bezug auf das Klima einzig und allein die elastisch flüssige Hülle unseres Erdballs maßgebend. Für die Kultur können nun allerdings nicht alle Spezialitäten von Bedeutung sein, welche die Meteorologie unserer Zeit zum Gegenstande hat, sondern bloß die allgemeinsten Begriffe. Aus die Anzahl der Grade mittlerer Jahrestemperatur kann es dabei nicht ankommen, — und eine so großartige Entdeckung A. v. Humboldts Isothermen für die Naturwissenschaft sind, — für die Kulturgeschichte werden sie im Wesentlichen nur eine Bestätigung der alten ehrlichen Einteilung unserer Erdoberfläche in die heiße, gemäßigte und kalte Zone enthalten können.
    Sind nun überhaupt die nördlichen, gegliederten und naheliegenden Kontinente der Schauplatz für die Lebens- und Bildungsgeschichte der Menschheit, so hat die Erfahrung gezeigt, dass die letztere auch in diesem ihrem wahren Schauplatze wieder mit Vorliebe in der gemäßigten Zone spielt und die kalte und heiße rechts und links liegen lässt, so dass z. B. die schön gegliederten und dem Verkehre höchst günstigen Halbinseln Kamtschatka in der alten und Labrador in der neuen Welt außerhalb des Gebietes der Kulturgeschichte bleiben und das ähnlich beschaffene Skandinavien an derselben nur insoweit Teil nimmt, als es von edlerer Menschen-Rasse bewohnt ist. Ein gemäßigtes Klima, verschont von allen aufreibenden Extremen der Hitze und Kälte, ist in Wahrheit wesentlich, ja unentbehrlich für den Fortschritt in der Geschichte, und die Kultur gedieh nirgends auf die Dauer, wo ihr Träger, der Mensch, mit klimatischen Extravaganzen zu kämpfen hatte. Außer dem horizontalen Klima, dem der Breitegrade und Isothermen, wird daher auch das vertikale, oder jenes der Erhebung des Landes über das Meer, Einfluss auf den Fortschritt ausüben, und dieser nur sein gesundes Geleise einhalten, wo beide Abstufungen in wohltuende Harmonie treten und wo es nicht, wie im Isthmos von Anahuak (Mexiko), in einem und demselben Lande der Meereshöhe nach eine tierra caliete, templada und fria gibt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Kulturgeschichte im Lichte des Fortschritts