Einwirkung des Bodens und der Nahrung

    Im dreifachen Wechselverhältnis des Festen, Tropfbaren und Elastischen oder der Erde, des Wassers und der Luft, muss das organische Leben der Erde begründet und bedingt sein. Diese drei Bestandteile der Erdrinde sind es, in welchen die Pflanze wurzelt, Leben einsaugt und wächst, das Tier ruht, trinkt und atmet. Pflanze und Tier sind es nun auch, auf welche der Mensch als auf seine Nahrung angewiesen ist, und zwar in einem Maße, welches mit der Verteilung des Klimas notwendiger Weise übereinstimmt. Je wärmer das Klima, desto mehr befördert es den Wuchs der an den Boden gefesselten und der freien Bewegung beraubten Pflanze, — je kälter, desto mehr verhindert es ihn. Die kalte Zone muss daher überaus arm, die heiße überaus reich an Pflanzen sein und die gemäßigte hierin die Mitte halten, und so ist es auch der Fall. Daraus folgt nun, dass die Bewohner der kalten Zone Mangel, die der heißen Überfluss an vegetabilischer Nahrung haben, während diejenigen der gemäßigten an keinem von beiden absolut leiden, aber dieselbe sehr knapp zugemessen bekommen, so dass sie von dem durch atmosphärische Einwirkung bedingten zeitlichen Wechsel der Fruchtbarkeit abhängig sind. Es ist daher klar, dass der Mensch nicht durchweg von Früchten leben kann, sondern dafür ein Surrogat suchen muss, und dies kann er nur in animalischer Nahrung finden. Für die Bewohner der heißen Zone ist dies nicht nötig, für diejenigen der gemäßigten in beschränktem, für diejenigen der kalten aber in reichem Maße. In der kalten Zone finden wir daher reine Carnivoren, Fleischesser, in der heißen reine Frugivoren, Früchteesser, in der gemäßigten sogenannte Omnivoren, Allesesser. Die Erfahrung nun hat gezeigt, dass die Letzteren die Träger der Kultur sind, und dass die Völker, welche einseitige Nahrung genießen, seien es Fleisch- oder Pflanzenspeisen, sich in der Geschichte stets passiv verhalten haben und weder für den materiellen, noch für den geistigen Fortschritt großartige Leistungen aufzuweisen haben. Es ist zwar ein schöner Gedanke der s. g. Vegetarianer, dass die Tötung unschädlicher Tiere auf der Jagd, beim Fischfange und im Schlachthause in streng moralischem Sinne so gut ein Mord sei, als die Tötung des Menschen; allein sie ist dennoch, wenn auch in mäßigerer Weise als bisher, eine dira necssitas, ein Unvermeidliches; denn einmal ist es wohl eine über allen Zweifel erhabene Tatsache, dass wir in unserer gemäßigten Zone absoluten Mangel an Nahrung hätten, wollten wir uns auf Pflanzen beschränken, indem letztere, während sie in der heißen Zone verfaulen, faktisch rein aufgezehrt werden und uns so wenig sättigen, dass wir überall, und gewiss nicht aus bloßer Gewohnheit oder Gaumenlust, sondern aus Notwendigkeit, zur Opferung der Tiere schreiten. Eine Mäßigung ist aber schon darin vorhanden, dass wir eine unwillkürliche Scheu vor dem Genusse fleischfressender Tiere haben und uns auf pflanzenfressende beschränken, während die im Norden hie und da vorkommende Bärenverspeisung schon ein Übergang zur Wallrossfett- und Fischtran-Nahrung der kalten Zone ist, deren Bewohner hierin weniger skrupulös sind. Anderseits liegt uns aber die erwähnte Tatsache vor, dass Völker, welche ausschließlich Pflanzenkost genießen, in Tatenlosigkeit erschlaffen, wie die bloß Fleisch essenden Eismeerbewohner in tierischer Stumpfheit versunken sind, alle historischen und kulturbewirkenden Völker aber von beiden Nahrungsgattungen lebten, und selbst geistig hervorragende Einzelne, welche grundsätzlich Vegetarianer sind, doch wenigstens von omnivoren Eltern stammen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Kulturgeschichte im Lichte des Fortschritts