Magenkrampf

B. Magenkrampf.

§. 257.


Der vollkommen gesunde Mensch kennt dieses Leiden, nicht, es ist nur ein Attribut der Gebildeten, überhaupt sehr häufig solcher Menschen, die durch eine übermäßige Anstrengung ihrer Geisteskräfte ihre körperliche Gesundheit zu Grunde richten.

§. 258.

Der Magenkrampf ist ein sehr unangenehmes, oft sehr schmerzliches Gefühl, wovon viele Menschen schon vor dem Essen, häufiger noch einige Stunden nachher ergriffen werden. Um sich von diesem Leiden zu befreien, bedarf es nicht immer der Arzneien, eine geregelte Diät, und ein von Heiterkeit und entsprechender Tätigkeit gleichförmig begleiteten Leben sind die besten Heilmittel.

§. 259.

Die Verdauungsorgane müssen, da sie bei diesen Menschen gewöhnlich sehr geschwächt sind, zweckmäßig gestärkt werden. Und wir wollen daher, ehe wir unsern Lesern die Mittel hiezu angeben, sie mit den Eigenschaften einer guten Verdauung bekannt machen.

§. 260.

Die Verdauung, sagt Vaillant, ist gut, wenn die Zähne gehörig beschaffen sind, und sich ein hinlänglicher Vorrat von Speichel mit den wohl zerkauten Speisen verbinden kann. Ferner, wenn bei einem guten, nicht übermäßigen und unordentlichen Appetit die Speisen mit Wohlgefallen mit einem gewissen frohen Anteile der Seele genossen, ohne die mindeste beschwerliche Empfindung, Drucks, Anschwellung des Magens, Trägheit und Schwere der Glieder usw. im Magen und im Darmkanale verarbeitet, und endlich nach gehöriger Absonderung der nahrhaften Teile, als gleichmäßig gemischter, braungelber, nicht zu harter und nicht zu weicher Unrat wieder ausgeworfen werden. Hiebei ist jedoch zu bemerken, daß bald nach dem Essen eine gewisse leichte Müdigkeit, Trägheit und Schläfrigkeit zu entstehen pflegt, welche bei manchen Personen mit leichtem Frösteln, bei andern mit einer flüchtigen Hitze verbunden ist. Die Kälte ist hier jedoch besser als die Hitze, und am besten ist es, wenn beides fehlt. Sobald die Verdauung geschehen ist, welche nicht unter zwei und nicht über fünf Stunden währen darf, muß die vorige Leichtigkeit und Heiterkeit der Seele und des Körpers zurück kehren.

§. 261.

Die Gegenmittel für den Magenkrampf sind im Allgemeinen jene, die eine schlechte Verdauung zu verbessern vermögen.

a) Man trachte, so viel es nur immer sein kann, Bewegung in reiner freier Luft zu machen. Billiardspiel und Reiten sind für solche Menschen die zuträglichsten Arten der Bewegung.

b) Man frottiere den Magen und die Bauchgegend öfters mit einem wollenen Lappen.

c) Man genieße keine schwer verdaulichen, zähen oder sauren Speisen, und meide vorzüglich Kraut, Kohl, Rüben, Salat, Bohnen, Erbsen und Linsen. Saures, halb gegorenes Bier, junger Wein, Milch, Käse, viele fette Mehl- oder fette Fleischspeisen verschlimmern das Übel von Tag zu Tag.

§. 262.

d) Solche Menschen müssen mäßig, guten, alten Wein trinken, lieber öfters am Tage, als auf einmal viel. Zugleich aber warne ich hier vor dem übermäßigen, höchst schädlichen Genusse geistiger Getränke, Branntweine und Liköre und vor allen Magenelixieren, die etwa unter dem Deckmantel eines Geheimnisses verkauft werden.

§. 263.

e) Wo das Übel einen höhern Grad erreicht hat, muß eine zweckmäßige ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Leider wird das Übel durch Sorglosigkeit oft verschlimmert, das durch einfache Mittel oder geregelte Diät in seiner Entstehung leicht bekämpft worden wäre. Mit jenen geheimnisvollen Tinkturen aber, die dem Leidenden oft von Quacksalbern aufgedrungen werden, verhält es sich etwa so, wie mit den Lebensessenzen. Sie sollen nicht mehr, sagt ein ausgezeichneter Diätetiker, als für alle Krankheiten helfen, wodurch sie sich schon bei jedem Einsichtsvollen, welcher nur einigermaßen über die große Verschiedenheit der Krankheiten, Krankheitsursachen und Konstitutionen nachdenkt, selbst das Urteil sprechen. Indes wird jedem Glase nicht nur ein Gebrauchzettel, auf welchem sie gegen alle Krankheiten angerühmt werden, sondern oft auch ein sogenanntes Unterrichtsbüchlein beigegeben, welches so viele wichtige und durch diese Essenzen geheilte Krankheitsfälle anführt, daß es nicht zu verwundern ist, wenn schon ehedem davon als von einer Universalmedizin vielfältiger Gebrauch gemacht wurde, und noch heute da und dort irgend Einer durch sie seine verlorne Gesundheit wieder herzustellen, sie zu stärken und sein Leben zu verlängern sucht, da sie dieses alles mit so vieler Prahlerei versprechen. — Die leider noch üblichen Mittel dieser Art, wie die Augsburger Lebensessenz, enthalten nicht bloß bittere Ingredienzen, um den Magen zu stärken, sondern auch drastische, höchst schädliche Purgiermittel, als z. B. Aloe, betäubende Mittel, als Safran, Theriak, Fliegenschwamm, und man kann sagen, wenn sie auch mitunter reizlosen Menschen die Verdauung für einige Zeit verbessern, so müssen sie doch auf die Blutadern des Unterleibes eine höchst nachteilige, erhitzende Wirkung ausüben, Blutwallungen nach dem Kopfe erzeugen, zu Schlagflüssen geneigt machen, und bei allen Konstitutionen, bei allen schmerzhaften Zuständen, wo nur die mindeste Disposition zu Entzündungen vorhanden ist, als wahre Gifte wirken, wovon die Erfahrung Beispiele im Überflusse anzuführen vermag, und weshalb vor diesen Mitteln als vor Haus-, und Universalmedizinen, wie vor allen ähnlichen nicht ein dringlich genug gewarnt werden kann.

§. 264.

f) Vor dem Essen müssen Individuen, die diesem Übel unterliegen, sich jeder anstrengenden Geistesarbeit enthalten, welches auch kurz nach dem Essen zu beobachten ist.

g) Der Schlaf zur Nachtzeit ist für sie in einer gehörigen Zeitlänge unumgänglich notwendig, wenn sie nicht durch eine Vernachlässigung der heiligen Gesetze der Natur zu spät die unverbesserlichen Folgen bereuen wollen, welche eintreten müssen, wenn solche Menschen, wie sie mir die Erfahrung oft vorgeführt hat, bis spät in die Nacht hinein, und selbst nach Mitternacht am Schreibtische verweilen.

h) Ein keusches, von niederschlagenden oder unedlen Leidenschaften befreites, zwischen Tätigkeit und zweckmäßiger Aufheiterung geteiltes Leben ist für diese Personen am zweckdienlichsten.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Krankheit der Reichen