Betrachtungen über die Kleidungsstoffe und Kleidungsstücken im Besonderen

Betrachtungen über die Kleidungsstoffe.


§. 38.


Die Stoffe, die zu Kleidern verwendet werden, sind:
Wolle,
Leinwand,
Baumwolle und
Seide.

Die Wolle reizt durch gelindes Reiben ihrer unebenen Oberfläche die Haut, verleiht derselben eine bedeutende Wärme, bestimmt dieselbe, einen höhern Grad selbst zu erzeugen, und vermehrt die Ausdünstung auf eine Weise, die nicht als gesund betrachtet werden kann; sie behält aber die Ausdünstungsstoffe nicht zurück, wodurch sich wollene Kleider hauptsächlich von Pelzwerken unterscheiden, die wegen Mangel der Porosität dieselben nicht entfernen.

§. 39.

Jungen, vollblütigen, sehr reizbaren Menschen beiderlei Geschlechtes muß wollene Bekleidung schädlich sein; sie ist vielmehr Menschen zuträglich, die an Jahren vorgerückt sind, ein phlegmatisches Temperament haben, bei jeder Veränderung der Witterung über rheumatische oder gichtische Anmahnungen Klage führen, oder von wirklichen Leiden dieser Art heimgesucht werden. Machen diese wenig Bewegung, sitzen sie mehr, so wird sie ihnen, wenn sie zur Klasse der Gelehrten oder Künstler gehören, die ihren Geist viel beschäftigen und nervenschwach und hypochondrisch sind, um so zuträglicher sein. Die wollene Bekleidung fordert vor jeder andern einen fleißigen Wechsel. Ich warne hier vor dem Aberglauben so vieler Gebildeten, die sich oftmals plötzlich aus Mode, Laune, Behaglichkeit entschließen, die Kleidung wegen Mode der Stoffe und Formen zu wechseln, und ermahne sie: der Gewohnheit wie der Jahreszeit, dem Alter wie dem Geschlechte, oder einer besondern Körperbeschaffenheit ihre Rechte zu lassen, und den Wechsel der Kleider, der ihnen leichter als andern Ständen wird, mit möglichster Berücksichtigung dieser Punkte einzuleiten.

§. 40.

Die Leinwand, der gewöhnliche Stoff zu unsern Hemden, erzeugt eine mäßige Wärme, befördert die Ausdünstung des Körpers durch die Dichtheit ihres Gewebes, läßt die Ausdünstungsstoffe nicht durch diese erkalten, verwandelt sie in Tropfen, und diese erregen nebst der unangenehmen Empfindung der Kälte verschiedene krankhafte Zustände.

Die Baumwolle hat nicht die Fähigkeit, einen solchen Wärmegrad zu erzeugen, wie die Wolle; aber der Leinwand macht sie in diesem Betracht den Vorzug streitig. Auch hat sie die schädliche Eigenschaft, daß sie die Ausdünstungsstoffe nicht durchlässt, sondern zurückhält. Zu Taschentüchern ist sie jenen, die ohnedies häufig von Schnupfen gequält werden, wegen des unangenehmen Reizes der Nase nicht anzuempfehlen.

§. 41.

Die Wirkungen der Seide kommen jener der Wolle gleich; sie hat aber die lobenswerte Eigenschaft, nicht so gierig die Flüssigkeiten anzuziehen, wie Leinwand und Baumwolle, hält aber die eingesogenen Flüssigkeiten zurück und verhindert ihre Verdünstung und Entfernung.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Krankheit der Reichen