Von der Kopfbedeckung

Von den Kleidungsstücken im Besonderen.

a) Von der Kopfbedeckung.


§. 42.

Wir wollen bei dem Haupte des menschlichen Körpers anfangen. Das Haupt hat die Natur mit Haaren bekleidet, und auf diese Weise ihm eine Hülle gegeben, die ihm einen naturgemäßen Grad von Wärme verbürgt. — Betrachtet man den Bau des Kopfes, die starken Schädelknochen, die zahlreichen Blutgefäße und Nerven, die mit dem Gehirne in inniger Verbindung stehen, so darf die Behauptung, daß im Haupte eine bedeutende Wärmeentwicklung statt finde, Niemand wundern, und diese Ansicht soll uns bei der Bedeckung des Kopfes leiten. Jede Bekleidung des Hauptes darf keinen andern Zweck haben, als die schädlichen Einflüsse der Atmosphäre von diesem edlen Teile des menschlichen Körpers abzuhalten. Sein Zweck soll Schutz gegen Kälte, Sonnenstrahlen, gegen Staub und Regen usw. sein. Hat Jemand sehr dünne Haare oder einen Kahlkopf, so ist eine mäßig wärmende Kopfbedeckung umso empfehlenswerter, je mehr ein solches Individuum an Jahren vorgerückt ist und zur Klasse der Empfindlichen gehört. — Jenen, die viel mit dem Kopfe arbeiten, die ohnedies immer über Blutandrang, Schwindel und Kopfschmerz klagen, schaden die Pelzkappen, oder auch die Hauben aus Sammet und Seide, indem sie die Wärmeentwicklung begünstigen, den Schweiß vermehren, den Zufluss des Blutes gegen das Gehirn, der ohnedies hier immer stark statt findet, begünstigen, und auf diese Weise die oben benannten Leiden und oftmals auch Schlagflüsse zu erzeugen im Stande sind.

§. 43.

Alte Leute oder empfindliche Menschen, die an eine warme Kopfbedeckung gewöhnt sind, werden selbe nicht ohne bedeutende Störungen ihrer Gesundheit auf einmal ablegen und entfernen können; man sah durch einen solchen plötzlichen Wechsel rheumatische Kopfleiden, Augen- und Ohrenschmerzen entstehen, die einen langwierigen Verlauf nahmen. Was man aber auch immer für eine Kopfbedeckung wählt, so soll sie nicht eng und knapp sein, und durch den mechanischen Druck auf die hier befindlichen Gefäße und Nervenübel einwirken; die Folgen davon sind jene Übelstände, die wir oben bezeichneten.

§. 44

In Rücksicht des Alters findet im kindlichen Alter ein stärkerer Andrang des Blutes gegen den Kopf statt, als im Jünglingsalter, wo der Lebensprozess mehr in den Lungen und in der Sexualsphäre vorherrschend ist. Hier ist es, wo eine zu starke und zu warme Kopfbedeckung sehr viel Schaden anrichten kann. Dadurch wird der Grund zu vielen Kopfkrankheiten gelegt, die Ausdünstung des Kopfes wird unmäßig vermehrt, die Haut in ein Sekretionsorgan tropfbarer Flüssigkeiten verwandelt, und so entstehen Milchschorf und Kopfgrind. Die Sekretion erhält bald einen so großen Einfluß auf die ganze Lebensökonomie, daß sie mit den übrigen Verrichtungen in eine enge Verbindung tritt und dem Ganzen nach und nach unentbehrlich wird. Wird sie durch Erkältung oder auf eine andere Weise plötzlich unterdrückt, so wird dadurch das zur Gesundheit notwendige Ebenmaß der Lebensverrichtungen gestört, es entstehen Kopfweh, Zuckungen, Augenentzündungen usw. (Hartmann.)

§. 45.

Im Alter, wo die Haare allmählich weniger werden, bis sie gänzlich sich entfernen, die Wärmeerzeugung auf eine niedere Stufe zurücksinkt, Kälte und Empfindlichkeit in allen Teilen des Körpers gegen äußere Einflüsse vorherrschend wird, dürften wärmere Kopfbedeckungen, die Käppchen aus Seide und Baumwolle, gute Dienste leisten. Aber auch in diesem Alter muß man nicht des Guten zu viel tun, und die Anlage zum Schlagflusse, die in dieser Lebensperiode vorherrschend ist, nicht außer Acht lassen.

§. 46.

Die Mode unserer Herren, im Winter Hüte von Filz, und im Sommer von Stroh zu tragen, ist ganz zweckmäßig. Mit vielem Kunstsinne und Feinheit schmücken die Damen ihren Kopf, wohl wissend, daß er zur Bildung der Gesichtszüge viel beiträgt. Die Sitte, daß Mädchen und Frauen in jüngeren Jahren sehr viel Sorgfalt auf die Pflege ihrer Haare verwenden, und eher jede andere Kopfbedeckung, als diese natürliche, entbehren, ist sehr löblich und der Gesundheit förderlich. Ein schönes wohlgeordnetes Haar ist eine einfache, aber höchst anmutige Zierde der Damen. Die gefälligen Formen, in die die Haare gelegt und geflochten werden, die Resultate einer ungezwungenen Manier, gewähren den anmutigen Gesichtszügen der Damen alle Attribute der Schönheit, die um so beneidenswerter ist, je mehr sie die Natur in ihren Wirkungen nicht beeinträchtigt.

§. 47.

Ein einfaches Band, in einem wohlgeordneten, sorgsam gepflegten Frauenhaar, trägt daher oft den Sieg über Blumen und Federn, über Perlen und Diademe davon, die die künstlichen Haare vieler Damen zieren, und durch viele schädliche Nebenumstände um einen allzu hohen Preis das Wohl der Gesundheit bedrohen.

§. 43.

Die Natur hat den Haaren einen sehr wichtigen Anteil zum Wohle der menschlichen Gesundheit anvertraut; ihre Pflege ist daher eben so wichtig als notwendig.

Das tägliche Waschen der Haare mit reinem Brunnenwasser, wenn der Kopf nicht schwitzt, und wenn man sich übrigens ganz wohl befindet, so wie das fleißige Kämmen sind die Hauptmittel, um ihren schonen Wachstum zu befördern, ihren natürlichen Glanz zu bewahren, und sie als wichtige Organe des menschlichen Körpers in ihren Verrichtungen zu dessen fortdauernden Gesundheit nicht zu stören.

§. 49.

Alle übrigen verfeinerten Methoden, die Haare herauszuputzen, schaden mehr oder weniger der Gesundheit. Das Brennen der Haare, wofür auch Männer eine Neigung zu fassen scheinen, trägt sehr viel zu ihrem frühzeitigen Ergrauen bei; denn die Haare werden dadurch gleichsam in ihrem Keimen und Blühen gestört und getötet.

§. 50.

a) Die Pomaden, womit man sich bemüht, den Haaren einen noch schöneren Glanz zu verleihen, als die Natur es wünscht, schaden um so gewisser, je mehr sie aus stark reizenden Substanzen zusammengesetzt sind. Kränkliche Damen verfielen nach dem Gebrauche solcher Schönheitsmittel in Ohnmachten und Krämpfe; es wäre wünschenswert, daß Damen die meisten dieser Mittel, die Scharlatanerie als den Haarwuchs befördernd ausposaunet, von ihrer Toilette, eben so wie Schminken, von denen ich später an einem anderen Orte reden werde, entfernen möchten, da sie oft allzu spät die Gunst dieser Lieblinge, die für Stunden vielleicht ihre Reize erhöhen, mit dem frühen Verwelken ihrer Gesundheit, Schönheit und Jugend bezahlen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Krankheit der Reichen