Die Katastrophe von Bouzey. (Siehe die Bilder auf Seite 580 u. 581.)

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1895
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Deichbruch, Dammbruch, Wassermassen, Mosel, Hochwasser,
Am Sonnabend den 27. April 1895 brach gegen 5 Uhr Morgens plötzlich die Dammmauer des großen Reservoirs von Bouzey bei Epinal (Departement Vogesen). Die dahinter ausgespeicherten Wassermassen ergossen sich nun mit ungeheurer Wut über das Tal der Avière, eines kleinen Nebenflusses der Mosel, rissen ganze Dörfer weg und richteten auf der gegen 15 Kilometer weiten Strecke ungeheure Zerstörungen an, bis sie endlich die Mosel erreicht. Diese Katastrophe übersteigt nach den bisher eingelaufenen Schilderungen alles bis jetzt Dagewesene und lässt auch das ganz ähnliche Unglück, dem am 12. Juli 1892 die Bäder von St. Gervais bei Chamounix (siehe Heft 4 des Jahrgangs 1893) zum Opfer fielen, weit hinter sich. Wir bringen auf S. 580 eine Ansicht des Reservoirs vor und nach der Katastrophe. Der 500 Meter lange Damm ward auf einer Strecke von 100 Meter durchbrochen. Seine Mauer war mit Inbegriff des Fundaments 24 Meter hoch und unten 13,31 Meter dick, während die Kronenbreite noch 4 Meter betrug.

*****************************************************
Dieser Damm diente dazu, das Wasser für die Speisung des Ostkanals aufzuspeichern, und war im Jahre 1880 vollendet worden. Es zeigte sich aber schon bald, dass er nicht ganz dicht sei; es entstanden Risse, so dass man nicht wagte, das Wasser auf die vorgeschriebene Höhe zu bringen, weshalb sich im Reservoir statt der in Aussicht genommenen sieben Millionen Kubikmeter Wasser immer bloß deren vier befanden. Mit einem betäubenden Donnerknall verschafften diese Wassermassen sich durch die gesprengte Lücke einen Ausweg in das Tal. Die Wogen erreichten eine Höhe von 4 Meter, und zwar in einer Breite von mehreren hundert Metern; sie strömten mehr als 30 Minuten lang und fegten jedes Hindernis, wie Häuser, Bäume, Brücken u. s. w. fort. Das am nächsten bei dem Damm gelegene Dorf Bouzey wurde vollständig zerstört; der Wasserstrom riss ferner die Böschung des Ostkanals fort, dessen Wasser sich nun ebenfalls über das Tal ergoss. Die Dörfer Domèvre und Forges litten gleichfalls sehr schwer, auch in Darnicules, Uxegney, Oucourt, Frizon und Römern fanden furchtbare Verheerungen statt. Der mächtige Damm des Reservoirs ist nur noch ein großer Trümmerhaufen unförmlicher Blöcke, der aus einer schlammigen Masse aufragt. Das ganze Avièretal bietet einen trostlosen Anblick. Die es durchziehende Straße ist an einer großen Zahl von Stellen teils ganz weggerissen, teils unterwühlt. Zu beiden Seiten waren Haustrümmer und Reste von Möbeln angeschwemmt, außerdem zahlreiche Tierleichen, bei deren Verscharrung (siehe das Bild auf S. 581) Mannschaften des 149. und 152. Infanterieregiments aus Epinal mithalfen. Die Zahl der Toten beläuft sich auf 110, der materielle Schaden übersteigt weit 50 Millionen Franken. Die Behörden und die Vertreter der Regierung begannen schleunigst mit der Verteilung von Unterstützungen, um die erste Not zu lindern; überall wurden Sammlungen für die Opfer der Katastrophe veranstaltet.

Ansicht des Reservoirs von Bouzey und der Fischkultur vor dem Dammbruch

Ansicht des Reservoirs von Bouzey und der Fischkultur vor dem Dammbruch

Das Reservoir von Bounzey nach der Katastrophe

Das Reservoir von Bounzey nach der Katastrophe

Die Katastrophe von Bouzey - Verscharrung ertrunkener Tiere

Die Katastrophe von Bouzey - Verscharrung ertrunkener Tiere