Das Ritualmordmärchen von Dubossary und der ,,Bessarabetz“.

Zu Beginn dieses Jahres erneuerte Kruschewan seine Anti-Juden-Campagne in der unerhörtesten Weise mittels des Ritualmordmärchens, der rohesten, aber erprobtesten Waffe, deren sich bisher Antisemiten bedient haben. Schon im Gefolge der vorhin geschilderten Bluthetze begann Kruschewan direkt die Ermordung der Juden zu predigen.

Die Artikel des „Bessarabetz“ trugen die aufreizendsten Überschriften. „Tod den Juden!“ war die stärkste aber nicht seltenste Aufschrift. Kruschewan war bereits in einer solchen Extase, die Masse schon so sehr mit Judenhass infiziert, die „Intelligenz“ so sehr im Banne des „Bessarabetz“, dass ein neuer „Ritualmord“ ohne jede Schwierigkeit irgendwo konstruiert und mit allen Mitteln ausgenutzt werden konnte. Es ist gleichgültig, dass es das Städtchen Dubossary war, in dem ein junger Christ ermordet aufgefunden wurde. Es gibt immer Menschen, die Morde begehen, und es scheint, dass es überall Judenfeindschaft genug gibt, dass man solche Morde, wenn sie in die Osterzeit fallen, den Juden unterschiebt. Das ist so brutal einfach, dass die Verbrecher schon auf dem Ritualmordwahnsinn mehr spekulieren als auf die Sicherung durch die Flucht.


Die Christen von Dubossary, die einen jungen Mann ermordeten, warfen den Leichnam in einen Garten und taten sonst nichts, als dass sie das Gerücht verbreiteten, die Juden hätten einen jungen Christen zu rituellen Zwecken getötet. Alles übrige konnten sie ohnehin getrost dem „Bessarabetz“ überlassen. Kruschewan publizierte eine Artikelserie, worin er die Juden direkt des Mordes beschuldigte. Überall, in allen Gasthäusern, Schenken, auf allen Plätzen wurden diese Mordbeschuldigungen gelesen. Wenn jemand an der Wahrheit der furchtbaren Anklagen zweifelte, überzeugte man ihn leicht mit der Erklärung: Wenn die Geschichte nicht wahr wäre, würde die Regierung nicht erlauben so was zu drucken.

Die Regierungsorgane aber hatten offenbar gar kein Bedürfnis, Kruschewans Arbeit zu stören und gar keine Eile, den Mord von Dubossary aufzuklären. Als endlich durch die Regierung festgestellt worden war, dass es sich in Dubossary um einen von Christen aus habsüchtigen Gründen begangenen Mord handelte, als sogar „Bessarabetz“ eine offizielle Berichtigung bringen musste, war es längst zu spät. Die Berichtigung erzielte eher die entgegengesetzte Wirkung. Kruschewan durfte sie in so gewundenen Ausdrücken bringen, dass die Meinung, die schuldigen Juden sollten gedeckt und geschützt werden, nur noch gestärkt und die fanatische Wut gegen die Juden nur noch gesteigert wurde.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Judenmassacres in Kischinew (1903)