Manifestationen westeuropäischer Christen

Jene christlichen Menschenfreunde, deren Namen wir immer antreffen, wenn irgend ein großes Unglück oder Unrecht in der Welt geschieht, haben auch in dem Falle Kischinew nicht geschwiegen. Und wenngleich sie mehr gefühlsmäßig ihrem Abscheu gegen die russischen Barbaren oder ihrem Proteste gegen die Regierung Ausdruck gaben, als verstandesgemäß die Folgerungen zogen, die sich aus den Ereignissen von Kischinew und der Begleitumstände für die Beurteilung des Schicksals von Millionen Juden ergeben, seien ihre Kundgebungen doch hier mit dem gebührenden Dank registriert. Doch auch mit einem Vorbehalt: Die westeuropäischen Juden überlassen nur zu gern das Wort den Christen und vergessen dann selbst an die große Tat, die ihrer sein muss . . .

In Paris sprach in einem Meeting, an dem viele französische Universitätsprofessoren und über l.000 Studenten teilnahmen, Anatole Leroy-Beaulieu, um, wie er sich ausdrückte, seine Stimme zu erheben zu Gunsten der russischen Juden, die in einem Lande, wo es viele Unterdrückte gibt, die Unterdrücktesten sind. Die Versammlung nahm folgende Resolution an:


„Die Professoren und die Studenten der Université de Paris, die sich am 15. Mai 1903 im Hotel des Sociétés Lavantes, unter dem Vorsitze von M. Anatole Leroy-Beaulieu, versammelt haben, sprechen, nachdem sie von den Grausamkeiten und den schrecklichen Verbrechen, die in Kischinew verübt wurden, gehört haben, den Opfern ihre schmerzliche Sympathie aus, geißeln alle Aufhetzer, alle Mitschuldigen dieser barbarischen Taten, und protestieren mit Entrüstung gegen die Massacres, die, wenn sie sich wiederholen sollten, Russland vor den Augen der ganzen zivilisierten Welt entehren würden.“

Große Meetings fanden auch in Belgien statt, die von der Ligue pour la defense des droits de l'homme veranstaltet wurden, andere in Italien, insbesondere Rom.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Judenmassacres in Kischinew (1903)