Musik im Stadtgarten. Die Haltung der Christen

Im Stadtgarten musizierten indessen Kapellen, und die Leute sagte: „Jetzt kann man wenigstens fröhlich promenieren. Man muss nicht mehr den Geruch von Juden verspüren.“ In die Klänge der Musik mischte sich das Geschrei und Gebrüll der Exzedenten, das dumpfe Geräusch der auffallenden Möbel und das Klirren der zertrümmerten Fensterscheiben in den Gassen der Stadt.

In den Gassen aber, in denen die Meute raste, fuhr die elegante Welt in Wagen vorüber, um sich an dem Schauspiel der wüsten Zerstörung zu weiden. Die Christen standen ruhig in den Türen ihrer Häuser. Lächelnd sahen sie der Arbeit der Pogromstschiki (Exzedenten) zu. (Einige Tage später entschuldigten sich diese Leute damit, sie hätten gute Miene gemacht, um sich selbst zu retten!) Viele begnügten sich nicht mit dem Lächeln, sie taten mit, so gut sie konnten: Sie zeigten die jüdischen Häuser und Magazine an und halfen auch mit, wenn es Not tat. Ein Beispiel von dem besonderem Cynismus der „Intelligenz“ gibt folgende Szene: Ein christlicher Ingenieur stand in der Türe seines Hauses und zeigte ruhig den Exzedenten, welches die jüdischen und welches die christlichen Magazine seien. Als man vor seinen Augen eine jüdische Apotheke und eine jüdische Zigarettenhandlung plünderte und ausraubte, rief er, um seine ganze Verachtung gegen die Juden auszudrücken, seinem Diener zu: Reich mir eine Zigarette, ich möchte einmal sehen, wie eine geraubte jüdische Zigarette schmeckt!“ Und lächelnd zündete er die geraubte Zigarette an.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Judenmassacres in Kischinew (1903)