Die Erwerbung adlig berechtigten Grundbesitzes (Rittergüter)

Die beiden großen Männer (Alexander und Cäsar) dachten natürlich nicht daran, der hellenischen oder italisch-hellenischen Nationalität die jüdische ebenbürtig zur Seite zu stellen. Aber der Jude, der nicht, wie der Okzidentale, die Pandoragabe politischer Organisation empfangen hat und gegen den Staat sich wesentlich gleichgültig verhält; der ferner ebenso schwer den Kern seiner nationalen Eigentümlichkeit aufgibt, als bereitwillig denselben mit jeder beliebigen Nationalität umhüllt und bis zu einem gewissen Grade die fremde Volkstümlichkeit (?) sich aneignet — der Jude war eben darum wie geschaffen für einen Staat, welcher auf den Trümmern von hundert lebendigen Politien erbaut und mit einer von vornherein verschlissenen Nationalität ausgestattet werden sollte. Auch in der alten Welt war das Judentum ein wirksames Ferment des Kosmopolitismus und der nationalen Dekomposition.
Mommsen, Römische Geschichte

Wenn ferner (Art. 12) gesagt wird, der Genuss der staatsbürgerlichen Rechte solle unabhängig sein von dem religiösen Bekenntnisse, so können damit nur passive Rechte gemeint sein, denn Genuss ist nicht Ausübung. Man tut keinen Genuss, sondern man empfindet ihn: man genießt, indem man die Ursache des Genusses auf sich einwirken lässt, also passiv. Es ist mindestens klar, dass diese Bestimmung nur für diejenigen allgemeinen Rechte gilt, welche jeder Staatsangehörige als solcher hat, nicht aber für die spezielleren Rechte der landständischen Repräsentation und des Kirchenpatronats, welche auf besonderen Titeln beruhen.


Diese Rechte stammen aus einer Zeit, da Rittergüter nicht aus den Händen des Adels gingen, wie dies schon in ihrem Namen liegt. — Sie knüpften sich an solchen Besitz, indem sie sich auf die mit den nötigen Mitteln zu ihrer Ausübung versehenen Personen beschränkten, aber sie blieben dem Adel vorbehalten, insofern er nicht allein eine leere Prätension, sondern die organische Bedeutsamkeit des größeren Grundbesitzes für sich hatte, der in jenen Zeiten eigentlich den Staat repräsentierte.

Weil der deutsche Adel nicht an Majoraten klebte, weil der Unterschied zwischen ihm und dem wohlhabenden, gebildeten Bürgerstande sich faktisch im Übrigen verwischte, wurde endlich auch dem letzteren die Erwerbung adlig berechtigten Grundbesitzes gestattet.

Man legte kein Gewicht mehr darauf, ob das Leben der früheren Vorfahren mit ritterlichem Totschlag, wissenschaftlichen Studien oder nützlicher Arbeit ausgefüllt gewesen, weil man voraussetzte, dass bei der idealen Richtung des Deutschen ein, zum Erwerbe eines Rittergutes ausreichendes Vermögen Bildungsbestrebungen an die Stelle des kahlen Eigennutzes setzen werde.

Man nahm ferner an, dass die gesellschaftliche Stellung, welche der Besitz eines Rittergutes verleiht, die adlige Gesinnung in dem Besitzer und seiner Familie hervorbringen und erhalten werde, auch ohne die Geschlechtstradition der adligen Familie, und dass die Prinzipien der Ehre, der Kultur und des Gemeinsinnes ihn bei Ausübung seiner sogenannten Ehrenrechte leiten würden. Die Übereinstimmung mit der Staatsreligion, wenigstens in der Hauptsache, und mit der, das Fundament des Staates bildenden christlichen Ethik war selbstverständliche Voraussetzung.

Bei fortschreitender liberaler Entwicklung fand man es hart, den Juden den Betrieb des größeren landwirtschaftlichen Gewerbes durch die Unzugänglichkeit der Rittergüter zu verlegen. Man glaubte ungestraft den geschäftlichen Wert des großen Grundbesitzes von dem staatlichen trennen zu können, und man gab daher die Rittergüter den Juden Preis, so weit sie ein Mittel des Gewerbes sind, indem man ihnen diejenigen Rechte vorenthielt, welche Staat und Kirche betreffen.

Unserer Ansicht nach hat man damit einen politischen Fehler begangen, weil schon indirekt in dem Grundbesitz eine gewisse politische Macht liegt, aber in dem Fehler ist Logik. Das Kirchenpatronat jedoch einem Feinde dieser Kirche, einem Abkömmlinge und Gesinnungserben der Henker ihres Stifters zu überantworten, ist undenkbar.

Was unsere Kreistage anbetrifft, so haben auf denselben die Rittergutsbesitzer unter Zuziehung einer sehr schwachen städtischen und bäuerlichen Vertretung über die gemeinsamen Angelegenheiten und die Kommunalabgaben der übrigen Kreiseingesessenen zu bestimmen. Es galt die Annahme, dass der adlige Gutsbesitzer, weil über dem kleinlichen Streben nach Erwerb stehend, von einem höheren und richtigeren Gesichtspunkte die Interessen des Kreises als eines Ganzen auffassen werde, als der beschränkte Bürger der kleinen Städte. Da man einen solchen Standpunkt dem Juden nicht zutrauen wollte, so wurde derselbe von den Kreistagen durch Gesetz und Herkommen ausgeschlossen.

Mit welcher Machtvollkommenheit dieser gesetzliche Zustand durch bloße, auf die Auslegung einer vagen Verfassungsbestimmung gestützte Ministerial-Verordnung umgestoßen werden durfte, vermögen wir nicht zu begreifen. Mit richtigerer Konsequenz würde es dann jedem frei stehen, sich Graf oder Fürst zu nennen und sich die Prädikate Durchlaucht und Hoheit beizulegen, weil die Verfassung Standesvorrechte aufhebt. Aber das ist uns klar, dass die Kreiseingesessenen gekränkt werden, wenn sie sich einen verjüdelten Kreistag gefallen lassen sollen und dass die letzte Spur von Achtung vor demselben bei ihnen schwinden würde.

Der jüdische Rittergutsbesitzer hat sein Gut gekauft, indem er wusste, dass für ihn an demselben das Recht der Kreisvertretung nicht klebe. Er hat also dies Recht nicht bezahlt. Wenn bei den verdrießlichen Begegnungen auf den schlesischen Kreistagen die Juden den Protest gegen ihre Zulassung nicht als eine Kränkung ihrer persönlichen Ehre, sondern ihres Besitzrechtes auffassten; wenn sie die Beleidiger nicht im Duell erschossen, wie dies sonst unter den Nachfolgern der Ritter üblich gewesen, sondern bei dem Ministerium Schutz für das Recht ihres Grundstückes suchten; wenn sie daher diese Frage zu einer Frage des materiellen Wertes machten, so war es die entsprechende, wenn auch nicht höfliche Antwort Seitens der übrigen Stände, ihnen Geldentschädigung für dies fragliche Realrecht zu bieten. Aber beide Teile waren im Irrtum.

Der Jude hatte das vermeintliche Recht mit dem Grundstücke nicht erworben: er hatte deshalb auch Nichts zu verkaufen.

Im Übrigen ist es klar, dass Verfassungen, wie sie jetzt Mode sind, nur Bedeutung haben, insofern sie praktische Bestimmungen treffen. Wo sie Prinzipien ausdrücken, sind sie nur Ablagerungen der Phrase, politisches Kinderspielzeug, welches sich mit der Phantasie abfindet ohne wirklichen Wert. Letzteren haben nur Spezialgesetze. Wo aber ein solches verordnen wollte, dass Jeder Macht im Staate erlangen müsse, der ein Rittergut kauft oder ein Examen bestanden, da wäre es schlimmer als in China, und es müsste auch zugleich die Auswanderung verboten werden, damit den Einwohnern kein anderes Entrinnen bliebe, als sich den Bauch aufzuschlitzen. Das Mandarinentum ist nur erträglich mit Hindernissen und Auswahl.

Wenn aus dem Vorstehenden folgt, dass die Juden weder ein natürliches noch ein historisches Recht auf den deutschen Staat haben und dass ihre Beteiligung für diesen nicht eine Frage des Rechts, sondern der Zweckmäßigkeit sei, so glauben wir diese Kontroverse von einem Wust humanistischer Konfusion befreit und den einzig richtigen Gesichtspunkt gewonnen zu haben.
Auch ist die Frage selbst zum Teil schon beantwortet.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Juden und der deutsche Staat