... Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Standesvorrechte finden nicht statt ...

Die Welt aber will vor allen Dingen bestehen, — auf gerechte Weise, wenn es sein kann, — auf ungerechte, wenn es nicht anders geht.
Julius Fröbel, Theorie der Politik

Es versteht sich von selbst, dass hier nur von einem Billigkeits-Rechte überhaupt die Rede sein könne, nicht von einem formellen. Wenn die preußische Verfassung die Gleichheit aller Preußen vor dem Gesetze ausspricht, so bezieht sich dies nur auf das privat- und strafrechtliche Gebiet. — Die Ausübung von Staatsfunktionen kann nie Gegenstand eines allgemeinen Rechtsanspruches sein; der Staat kann eine derartige Verpflichtung nicht übernehmen, denn er kann nicht jeden Angehörigen zum Regierungsrat oder Offizier machen. Im Gegenteil muss man vom Staate fordern, dass er auf das Genaueste und Rücksichtsloseste nur die Fähigen zur Anstellung auswähle.


Die Staatsämter etwa als einen Geschäftszweig ansehen wollen, welchen man den Juden nicht verschränken dürfe, wäre eine Absurdität.

In der Verfassung (Art. 4) heißt es wörtlich: „Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Standesvorrechte finden nicht statt. Die öffentlichen Ämter sind unter Einhaltung der von den Gesetzen festgestellten Bedingungen für alle dazu Befähigte zugänglich.“

Es ist vorab festzuhalten, dass diese redseligen Erklärungen sich gegen den Unterschied der Stände wenden und daher nach bekannter Rechtsregel nur in diesem Sinne auszulegen sind. Der erste Satz verspricht gleichmäßige Anwendung der Gesetze, ohne jedoch die Möglichkeit gesetzlicher Ungleichheiten auszuschließen. Der zweite gilt nicht den Juden, denn diese sind kein Stand, sondern eine Religionsgenossenschaft und eine Rasse. Er leitet den letzten Satz ein, welcher gegen die Bevorzugung des Adels und gegen den Nepotismus bei Staatsanstellungen gerichtet ist.

Das Ganze ist eine Verheißung an das Volk, dass fortan bei Besetzung der Ämter nur Rücksichten des öffentlichen Wohls und nicht persönliche gelten sollen: es ist kein Versprechen an die Kandidaten, wie es auch in der Verfassung nicht Platz finden durfte. Es sagt nicht, dass die Juden zu den Befähigten gehören, und noch weniger ist es eine Unterwerfung des preußischen Staates unter jüdische Ausbeutung. Auch könnte ein Gesetz, welches Juden einem deutschen Staate vorsetzt, niemals recht und deshalb eine dahinzielende Auslegung niemals richtig sein. Damit würde die ethische und nationale Grundlage unsrer ganzen Kultur verlassen. Die Aufgabe des deutschen Staats ist eine deutsche Gesellschaft, und er würde mit seiner Unterwerfung unter die Juden einen Selbstmord begehen. Dazu hat kein Herrscher, keine Regierung und kein gesetzgebender Körper dem Volke gegenüber ein Recht: bis zur Vernichtung des Machtgebers reicht keine Vollmacht.

Aber jeder Zweifel wird beseitigt durch Art. 47, welcher lautet:
„Der König besetzt alle Stellen im Heere, sowie in den übrigen Zweigen des Staatsdienstes, soweit nicht das Gesetz ein Anderes verordnet.“

Ein Gesetz, welches den Juden ein Privilegium auf die Staatsämter gäbe, fehlt noch und einstweilen ist daher der König nicht behindert, nach dem Bedürfnisse des Landes und den Regeln des guten Geschmackes zu verfahren.

Wenn sich also die Juden auf die Verfassung berufen, so müssten sie beweisen, dass sie dem deutschen Volke zu seinem Unglücke vorenthalten werden und dass dieses nach ihnen verlange.

Aber schon bei flüchtiger Betrachtung der in einem deutschen Staate obwaltenden praktischen Verhältnisse wird die Unfähigkeit der Juden zu öffentlichen Ämtern klar.

Ein Prediger ohne Nase ist unmöglich, weil er die Andacht der Gemeinde stört, und einen Juden z. B. zum Erzieher und Lehrer an öffentlichen Anstalten zu machen, ist schon deshalb untunlich, weil die Jugend, gleichviel ob mit Recht oder Unrecht, in ihrer Achtung einen Unterschied zwischen Deutschen und Juden zum Nachteile der Letzteren macht.

Ähnliche Rücksichten stehen dem Juden auch in andern Ämtern entgegen. Aber es kommt noch hinzu, dass der deutsche Staat die Dienstfunktionen seiner Beamten am Sonntage ruhen lassen muss und der Jude auch am Sonnabend nicht arbeiten darf. Einem jüdischen Beamten muss der Staat also fünftägige Wochenarbeit so teuer bezahlen, als einem christlichen sechstägige.
Arbeitet aber der jüdische Beamte am Sonnabend, so ist er ein Sabbatschänder, d. h. in seinem Gewissen und in den Augen seiner Glaubensgenossen und der Kenner des Judentums ein fluch-beladener Verbrecher und er beweist, dass ihm sein Gehalt höher stehe, als die Satzungen seiner Religion. Damit wird er des Staatsamtes unwürdig.

Will er sich mit einer freieren Auffassung der Religion überhaupt ausreden, so kann der Grund seines Verbleibens im Judentum Vorliebe für Stammesüberlieferungen oder Widerspruch gegen die Moral des Christentums sein. In beiden Fällen wäre die Staatsanstellung gefährlich. Unzweckmäßig wäre sie, wenn Geschmacklosigkeit den einzigen Entschuldigungsgrund bilden sollte.

Aber auch diejenigen, welche sich auf missverstandene Verfassungsbestimmungen in unbedachter Rücksichtslosigkeit berufen, sind leicht mit ihren eigenen Konsequenzen zu schlagen. Sie behaupten, dass die Religion und die Rasse gleichgültig und deshalb der Jude nicht auszuschließen sei. Was für einen Beamten gilt, muss für alle Beamten richtig sein. Getrauen sich diese weisen Staatsmänner nun etwa, einen deutschen Staat mit nur jüdischen Beamten zu regieren?
Sie werden zugeben, dass eine solche ausschließliche Totalität als ein unerträgliches Übel empfunden werden würde. Wenn aber lauter jüdische Beamte ein unerträgliches Übel wären, so wären einige vielleicht zwar erträglich, aber doch immer auch ein Übel, was dem Volke nicht angetan werden dürfte.

Es ist altes germanisches Rechtsprinzip, dass der Deutsche nur von Seinesgleichen gerichtet werden könne. Der Einwand, dass es billig sei, eine aus Deutschen und Juden gemischte Gesellschaft auch einer aus Deutschen und Juden gemischten Regierung zu unterwerfen, schließt daher ein Unrecht gegen die Deutschen ein, welches einem deutschen Staate nicht zusteht und führt außerdem zu einer arithmetischen Albernheit. Wenn in Preußen der vierundsiebzigste Mensch ein Jude ist, so würden von den 1856 vorhandenen einundfünfzigtausend fünfhundert siebenundneunzig Staatsbeamten sechshundert siebenundneunzig Juden sein müssen: sechshundert achtundneunzig wäre so unstatthaft als sechshundert sechsundneunzig. Und dies Verhältnis müsste in allen Provinzen, ja in allen Kreisen verhältnismäßig modifiziert werden.

Die Staatsbeamten handeln im Namen des Königs und vertreten denselben in ihrem Wirkungskreise: sie sind eigentlich die Organe und Glieder des Königs. Dieser selbst ist nach dem Ausspruch Friedrichs des Großen und nach der Verfassung der erste Beamte im Staate. Was für sämtliche Glieder gilt, gilt auch für das Ganze, was für alle Beamte richtig ist, muss auch für den ersten richtig sein. Würde ein Jude als König vierundzwanzig Stunden in einem deutschen Lande regieren?
Soweit sind wir hoffentlich noch nicht.

Vorläufig wollen wir die Juden im Privatleben unter uns dulden, wie wir müssen, und dem Himmel danken, dass wir in der Religion ein so bequemes und praktisches Mittel besitzen, die Rasse aus dem Staatsleben fernzuhalten. Übrigens käme es dabei selbst auf eine Rechtsverletzung nicht an. Das Recht, Geheimrat zu werden, wäre keinesfalls ein so „unveräußerliches Menschenrecht“, als das Recht der persönlichen Freiheit oder das Recht zu leben. Und gleichwohl verletzen wir diese beiden aus Gründen staatlicher Zweckmäßigkeit — und mit keiner andern Berechtigung — indem wir den Verbrecher einsperren oder töten. Salus populi suprema lex.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Juden und der deutsche Staat
Friedrich II. (1712-1786) genannt der Große

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Der Alte Fritz

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Der Abschied eines preußischen Soldaten im 18. Jahrhundert.

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