Vorwort

Ich bin ganz durch Zufall auf das Judenproblem gestoßen, als ich darauf aus war, meinen ,,Modernen Kapitalismus“ von Grund aus neu zu bearbeiten. Da galt es unter anderem die Gedankengänge, die zu dem Ursprunge des „kapitalistischen Geistes“ führten, um einige Stollen tiefer zu treiben. Max Webers Untersuchungen über die Zusammenhänge zwischen Puritanismus und Kapitalismus mussten mich notwendig dazu führen, dem Einflusse der Religion auf das Wirtschaftsleben mehr nachzuspüren, als ich es bisher getan hatte, und dabei kam ich zuerst an das Judenproblem heran. Denn wie eine genaue Prüfung der Weberschen Beweisführung ergab, waren alle diejenigen Bestandteile des puritanischen Dogmas, die mir von wirklicher Bedeutung für die Herausbildung des kapitalistischen Geistes zu sein scheinen, Entlehnungen aus dem Ideenkreise der jüdischen Religion.

Aber diese Erkenntnis allein hätte mir noch keinen Anlass geboten, in der Entstehungsgeschichte des modernen Kapitalismus den Juden eine ausführliche Betrachtung zu widmen, wenn sich mir nicht im weiteren Verlauf meiner Studien — wiederum rein zufällig — die Überzeugung aufgedrängt hätte, dass auch am Aufbau der modernen Volkswirtschaft der Anteil der Juden weit größer sei, als man bisher geahnt hatte. Zu dieser Einsicht führte mich das Bestreben, jene Wandlungen im europäischen Wirtschaftsleben mir plausibel zu machen, die seit dem Ende des 15. Jahrhunderts bis zum Ende des 17. Jahrhunderts etwa sich vollziehen, und die eine Verschiebung des wirtschaftlichen Schwergewichts aus den südeuropäischen in die nordwesteuropäischen Länder im Gefolge haben. Der plötzliche Niedergang Spaniens, der plötzliche Aufschwung Hollands, das Dahinwelken so vieler Städte Italiens und Deutschlands und das Emporblühen anderer, wie etwa Livornos, Lyons (vorübergehend), Antwerpens (vorübergehend), Hamburgs, Frankfurts a. M., schienen mir durch die bisherigen Gründe (Entdeckung des Seewegs nach Ostindien, Verschiebung der staatlichen Machtverhältnisse) keineswegs genügend erklärt. Und da offenbarte sich mir plötzlich die zunächst rein äußerliche Parallelität zwischen dem wirtschaftlichen Schicksal der Staaten und Städte und den Wanderungen der Juden, die damals, wie bekannt, eine fast völlige Umschichtung ihrer räumlichen Lagerung wieder einmal erlebten. Und bei näherem Zusehen ergab sich mir mit unzweifelhafter Sicherheit die Erkenntnis, dass in der Tat die Juden es waren, die an entscheidenden Punkten den wirtschaftlichen Aufschwung dort förderten, wo sie erschienen, den Niedergang dort herbeiführten, von wo sie sich wegwandten.


Diese tatsächliche Feststellung enthielt nun aber erst das eigentliche wissenschaftliche Problem. Was bedeutete „wirtschaftlicher Aufschwung“ in jenen Jahrhunderten? Durch welche spezifischen Leistungen trugen die Juden dazu bei, jenen „Aufschwung“ zu bewirken? Was befähigte sie, diese besonderen Leistungen zu vollbringen?

Die gründliche Beantwortung dieser Fragen war natürlich im Rahmen einer allgemeinen Geschichte des modernen Kapitalismus nicht möglich. Sie schien mir aber reizvoll genug, um auf ein paar Jahre die Arbeit an meinem Hauptwerk zu unterbrechen und mich ganz in das judaistische Problem einzuspinnen. So ist dieses Buch entstanden.

Die Hoffnung, es in etwa Jahresfrist vollenden zu können, erwies sich bald als trügerisch, da Vorarbeiten so gut wie keine vorhanden sind.

Es ist wirklich höchst seltsam: so viel über das Judenvolk geschrieben ist: über das wichtigste Problem: seine Stellung im Wirtschaftsleben ist kaum etwas von grundlegender Bedeutung gesagt worden. Was wir an sogenannten jüdischen Wirtschaftsgeschichten oder Wirtschaftsgeschichten der Juden besitzen, verdient diese Namen meist gar nicht, denn es sind immer nur Rechtsgeschichten oder gar nur Rechtschroniken, die überdies die neuere Zeit ganz und gar unberücksichtigt lassen. Ich musste also zunächst das Tatsachenmaterial aus Hunderten (zum Teil vorzüglichen) Monographien oder aus den Quellen zusammentragen, um überhaupt zum ersten Male ein Bild — zu zeichnen wage ich nicht zu sagen, sondern — zu skizzieren von der wirtschaftlichen Tätigkeit der Juden während der letzten drei Jahrhunderte.

Hatten sich zahlreiche Lokalhistoriker doch wenigstens bemüht, das äußere Wirtschaftsleben der Juden und ihr Schicksal während der letzten Jahrhunderte aufzuzeichnen, so hat fast niemand bisher die Frage auch nur allgemein zu stellen gewagt: weshalb haben die Juden jenes eigentümliche Schicksal gehabt oder genauer: was hat sie befähigt, jene überragende Rolle beim Aufbau der modernen Volkswirtschaft zu spielen, die wir sie tatsächlich spielen sehen. Und was etwa doch zur Beantwortung dieser Frage beigebracht worden ist, bleibt in ganz dürftigen, veralteten Schematen stecken: „äußere Zwangslage“, „Befähigung zum Handeln und Schachern“, „Skrupellosigkeit“: solche und ähnliche allgemeine Phrasen haben herhalten müssen, um Antwort auf eine der delikatesten Fragen der Völkergeschichte zu geben.

Also musste zunächst sehr genau festgestellt werden: was man eigentlich erklären, mit andern Worten: eine Eignung der Juden wofür man nachweisen will. Dann erst konnten die Möglichkeiten geprüft werden, die die spezifische Eignung der Juden: Begründer des modernen Kapitalismus zu werden, plausibel machten. Dieser Prüfung ist ein großer Teil des Buches gewidmet, und es ist hier nicht der Ort, die Ergebnisse meiner Untersuchungen im einzelnen mitzuteilen. Nur dieses will ich, damit es dem Leser gleichsam als Leitmotiv in den Ohren klinge, sagen: dass ich die große, die alle andern Einflüsse weit übergipfelnde Bedeutung der Juden für das moderne Wirtschafts- (und überhaupt Kultur-)leben in der ganz eigenartigen Vereinigung äußerer und innerer Umstände erblicke: dass ich sie der (historisch zufälligen) Tatsache zuschreibe, dass ein ganz besonders geartetes Volk — ein Wüstenvolk und ein Wandervolk, ein heißes Volk — unter wesensverschiedene Völker — nasskalte, schwerblütige, bodenständige Völker — verschlagen worden ist und hier unter abermals ganz einzigartigen äußeren Bedingungen gelebt und gearbeitet hat. Wären sie alle im Orient geblieben oder in andere heiße Länder verschlagen worden, so hätte natürlich ihre Eigenart auch Eigenartiges gewirkt, aber die Wirkung wäre keine so dynamische geworden. Sie hätten vielleicht eine ähnliche Rolle nur gespielt wie heute etwa die Armenier im Kaukasus, wie die Kabylen in Algier, wie die Chinesen, Afghanen oder Perser in Indien. Aber es wäre niemals zu dem Knalleffekt der menschlichen Kultur: dem modernen Kapitalismus gekommen.

Wie ganz singulär die Erscheinung des modernen Kapitalismus ist, zeigt gerade auch diese, sein Wesen zum guten Teil erklärende Tatsache: dass nur die rein „zufällige“ Kombination so sehr verschiedenartiger Völker und nur deren rein „zufälliges“, von tausend Umständen bedingtes Schicksal seine Eigenart begründet hat. Kein moderner Kapitalismus, keine moderne Kultur ohne die Versprengung der Juden über die nördlichen Länder des Erdballs!

Ich habe meine Untersuchungen bis in die Gegenwart geführt und habe, wie ich hoffe, für jedermann den Nachweis erbracht, dass in wachsendem Maße das Wirtschaftsleben unserer Tage jüdischem Einflüsse unterworfen ist. Ich habe nicht gesagt — und will es deshalb hier tun — , dass allem Anschein nach dieser Einfluss des Judenvolkes in der allerletzten Zeit sich zu verringern beginnt. Dass äußerlich in wichtigen Stellungen: zum Beispiel in den Direktorialposten oder in den Aufsichtsratsstellen der großen Banken die jüdischen Namen seltener werden, ist ganz zweifellos und kann durch bloße Auszählung ermittelt werden. Aber es scheint auch eine wirkliche Zurückdrängung des jüdischen Elements stattzufinden. Und nun ist es interessant, den Gründen dieser bedeutsamen Erscheinung nachzugehen. Sie können mehrfacher Art sein. Sie können einerseits liegen in einer Veränderung der personalen Fähigkeiten der Wirtschaftssubjekte: die Nicht-Juden haben sich den Anforderungen des kapitalistischen Wirtschaftssystems mehr angepasst, sie haben „gelernt“; die Juden hingegen haben durch die Veränderungen, die ihr äußeres Schicksal erfahren hat (Besserung ihrer bürgerlichen Stellung, Abnahme des religiösen Sinnes) aus äußeren und inneren Gründen einen Teil der ihnen früher eigenen Befähigung zum Kapitalismus eingebüßt; anderseits aber müssen wir die Gründe für die Verringerung des jüdischen Einflusses in unserm Wirtschaftsleben wahrscheinlich auch in einer Veränderung der sachlichen Bedingungen, unter denen gewirtschaftet wird, erblicken: die kapitalistischen Unternehmungen (man denke an unsere Großbanken!) bilden sich mehr und mehr in bureaukratische Verwaltungen um, die nicht mehr in gleichem Maße wie früher spezifische Händlereigenschaften heischen: der Bureaukratismus tritt an die Stelle des Kommerzialismus.

Genauen Untersuchungen wird es vorbehalten bleiben müssen, festzustellen: inwieweit die allerneueste Ära des Kapitalismus tatsächlich eine Verringerung des jüdischen Einflusses aufweist. Einstweilen verwerte ich die von mir und andern gemachten persönlichen Beobachtungen, um in der allein denkbaren Begründung, die ich den beobachteten Vorgängen unterlege, eine Bestätigung dafür zu finden, dass ich mit der in diesem Buche versuchten Erklärung des bisherigen jüdischen Einflusses in der Tat die richtigen Wege gewandelt bin. Die Abnahme dieses Einflusses zeigt gleichsam wie ein Experiment, worin der Einfluss selber seinen Grund gehabt haben muss.

In der Tat glaube ich, dass dieser Teil meiner Ausführungen, der die Eignung der Juden zum Kapitalismus erklärt, also der zweite Abschnitt des Buches, ebensowenig wie der erste, der ihren Anteil am Aufbau der modernen Volkswirtschaft als Tatsächlichkeit darstellt, in den Grundgedanken nicht erschüttert werden kann. Sie mögen Berichtigungen, sie mögen (vor allem!) Ergänzungen erfahren: die Richtigkeit ihrer Gedankengänge wird nicht zu widerlegen sein.

Nicht ganz dasselbe Gefühl der ruhigen Sicherheit habe ich angesichts des dritten Hauptabschnittes meines Buches, der die Frage nach der Herkunft des jüdischen Wesens und nach dessen eigener Wesenheit zu beantworten sucht. Hier sind wir heute noch — und vielleicht für immer — an entscheidenden Punkten der Beweisführung auf Vermutungen angewiesen, die selbstverständlich ein stark persönliches Gepräge tragen müssen. Immerhin ist es mein Bemühen gewesen, in einem besonderen Kapitel, das ich der Erörterung des „Rassenproblems“ gewidmet habe, diejenigen Einsichten kritisch zusammenzustellen, die wir heute als einigermaßen gesicherte betrachten dürfen und vor allem die vielen unsicheren Hypothesen als solche aufzuweisen. Das Kapitel ist infolgedessen ein wahres Monstrum geworden: schwerfällig, zerhackt, formlos, und hinterlässt ein quälendes Gefühl der Unbefriedigtheit, der Unausgeglichenheit, das ich mit dem letzten Kapitel, in dem ich ,,das Schicksal des jüdischen Volkes“ in seinen Grundzügen zu schildern versuche, wieder zu verwischen mich bestrebt habe. Das war aber nur möglich, wenn alle die disparaten Einzeltatsachen, die uns die wissenschaftliche Forschung in ihrer rücksichtslosen Art wahllos vor die Füße wirft, in einer persönlichen Schau zu einem einheitlichen Bilde vereinigt wurden. Wie weit hier aber meine subjektive Art zu sehen der Wirklichkeit gerecht geworden ist, wird erst eine spätere Zukunft — vielleicht! — entscheiden können. Jedenfalls gebe ich ohne weiteres zu, dass hier andere Augen anders schauen werden.

Nun will ich schließlich noch auf einige Besonderheiten dieses Buches hinweisen und hoffe damit zu verhüten, dass in Missverständnissen die Umrisse meines Gedankengefüges wie ein Gebäude im Nebel verschwimmen und ein ganz anderes dem „kritischen“ Beschauer vor Augen zu stehen scheint, als ich hingebaut habe.

1. Dieses Buch ist ein einseitiges Buch; es will einseitig sein, weil es, um in den Köpfen seine umwälzende Wirkung ausüben zu können, einseitig sein muss.

Das heißt: dieses Buch will die Bedeutung der Juden für das moderne Wirtschaftsleben aufdecken. Es trägt zu diesem Behufe alles Material zusammen, aus dem sich diese Bedeutung erkennen lässt, ohne die anderen Faktoren, die, außer den Juden, am Aufbau des modernen Kapitalismus beteiligt gewesen sind, auch nur zu erwähnen. Damit soll aber natürlich deren Einfluss nicht etwa geleugnet werden. Man könnte mit ebensolchem Rechte ein Buch über die Bedeutung der nordischen Rassen für den modernen Kapitalismus schreiben; oder könnte mit demselben Rechte, wie ich vorhin sagte: ohne Juden kein moderner Kapitalismus, den Satz prägen: ohne die Errungenschaften der Technik keiner, ohne die Entdeckung der Silberschätze Amerikas keiner.

Obwohl nun also solcherart mein Buch, wie ich selbst es nenne, ein einseitiges ist, ist es doch

2. ganz und gar kein Thesenbuch. Ich meine: es soll in ihm und durch es nicht etwa eine bestimmte „Geschichtsauffassung“ als richtig erwiesen, es soll durch dieses Buch nicht etwa eine „rassenmäßige“ Begründung des Wirtschaftslebens gegeben werden. Welche „theoretischen“ oder „geschichtsphilosophischen“ Folgerungen aus meiner Darstellung gezogen werden können oder müssen, steht ganz dahin und hat mit dem Inhalt des Buches selbst zunächst gar nichts zu tun. Dieses will vielmehr nur wiedergeben, was ich gesehen habe, und will versuchen, die beobachteten Tatsachen zu erklären. Deshalb sollte aber auch eine „Widerlegung“ meiner Behauptungen, wenn sie jemand versuchen wollte, immer von der empirisch-historischen Tatsächlichkeit ausgehen, sollte mir Irrtümer nachweisen dort, wo ich bestimmte Wirklichkeiten behauptet habe, oder Trugschlüsse in jedem einzelnen Falle, wo ich es unternommen habe, eine solche Wirklichkeit ursächlich zu begreifen.

Endlich betone ich mit einem so starken Nachdrucke, dass es auffallen kann:

3. das Buch ist ein streng wissenschaftliches Buch. Damit will ich ihm selbstverständlich kein Lob ausstellen, sondern im Gegenteil einen Mangel des Buches erklären. Weil es ein wissenschaftliches Buch ist, beschränkt es sich nämlich auf die Feststellung und Erklärung von Tatsachen und enthält sich aller Werturteile. Werturteile sind immer subjektiv, können immer nur subjektiv sein, weil sie letzten Endes in der höchstpersönlichen Welt- und Lebensanschauung jedes, einzelnen begründet sind. Die Wissenschaft aber will objektive Erkenntnis vermitteln, sie sucht die Wahrheit, die grundsätzlich immer nur eine ist, während es Werte grundsätzlich so viele wie wertende Menschen gibt. Die objektive Erkenntnis wird aber getrübt in dem Augenblicke, in dem sie mit irgendwelchem subjektiv gefärbten Werturteile vermischt wird, und deshalb sollten die Wissenschaft und ihre Vertreter vor der Bewertung dessen, was sie erkannt haben, fliehen wie vor der Pest. Nirgends aber hat die subjektive Bewertung so viel Unfug angerichtet, nirgends hat sie die Erkenntnis objektiver Wirklichkeiten so sehr aufgehalten wie im Gebiete der „Rassenfrage“ und ganz besonders im Bereiche der sogenannten „Judenfrage“.

Dieses Buch soll seine ganz eigenartige Note dadurch erhalten, dass es auf 500 Seiten von Juden spricht, ohne auch nur an einer einzigen Stelle so etwas wie eine Bewertung der Juden, ihres Wesens und ihrer Leistungen, durchblicken zu lassen.

Gewiss — man kann auch in streng wissenschaftlichem Sinne das Wertproblem, in diesem Falle: die Frage nach dem Wert oder Unwert einer bestimmten Bevölkerungsgruppe abhandeln. Machen wir uns einen Augenblick klar, dass das immer nur in einem aufklärenden oder kritisch-warnenden Sinne geschehen dürfte. Und zwar etwa in folgender Weise:

Man könnte erst einmal darauf aufmerksam machen, dass man Völker wie Menschen nach dem, was sie sind, und nach dem, was sie leisten, bewerten kann, und müsste dann zeigen: dass in jedem Falle der letzte Maßstab ein subjektiver ist. Dass es deshalb unzulässig ist, etwa von „niederen“ und „höheren“ Rassen zu sprechen, und die Juden als „niedere“ oder als „höhere“ Rasse zu bezeichnen, weil es von dem höchstpersönlichen Wertgefühl des einzelnen abhängt, welche Wesenheit und welche Leistung er als wertvoll oder unwert ansehen will.

Dazu führen folgende Erwägungen.

Man betrachte etwa das Schicksal der Juden: sie über allen Völkern sind ein ewiges Volk. ,,Ein Volk steht auf, das andere verschwindet, aber Israel bleibt ewig“, heißt es stolz im Midrasch zu Psalm 36. Ist diese lange Dauer eines Volkes, die noch heute viele Juden rühmen, nun auch wertvoll? Heinrich Heine dachte anders darüber, als er einmal schrieb:

„Dieses Urübelvolk ist längst verdammt und schleppt seine Verdammnisqualen durch Jahrtausende. O dieses Ägypten! seine Fabrikate trotzen der Zeit; seine Pyramiden stehen noch immer unerschütterlich; seine Mumien sind noch so unzerstörbar wie sonst und ebenso unverwüstlich wie jene Volksmumie, die über die Erde wandelt, eingewickelt in ihren uralten Buchstaben-Windeln, ein verhärtet Stück Weltgeschichte, ein Gespenst, das zu seinem Unterhalte mit Wechseln und alten Hosen handelt.“

Die Leistungen der Juden: sie haben uns den Einigen Gott und Jesum Christum und also das Christentum geschenkt mit seiner dualistischen Moral.

Ein wertvolles Geschenk? Friedrich Nietzsche dachte anders darüber.

Die Juden haben den Kapitalismus in seiner heutigen Gestalt möglich gemacht. Eine dankenswerte Leistung? Auch diese Frage wird ganz und gar verschieden beantwortet werden je nach dem persönlichen Verhältnis, das der einzelne zur kapitalistischen Kultur hat.

Wer sollte entscheiden, wenn nicht Gott, was die „objektiv“ wertvollere Leistung, die objektiv wertvollere Wesenheit zweier Menschen, zweier Völker sei? Kein einziger Mensch, keine einzige Rasse lässt sich in diesem Sinne höher als die andere bewerten. Und wenn ernste Männer den Versuch doch immer wieder machen, solche Bewertungen vorzunehmen, so steht ihnen natürlich das Recht zu, ihre höchstpersönliche Ansicht zu äußern. Sobald die Werturteile aber den Charakter eines objektiven und allgemeinen Urteils annehmen wollen, müssen wir sie unerbittlich ihrer fälschlich angemaßten Würde entkleiden und dürfen — angesichts der Gefährlichkeit solcher Erschleichungen — vor der schärfsten Waffe im Kampfe der Geister: der Lächerlichmachung, nicht zurückschrecken.

Es hat wirklich etwas Komisches, mit anzusehen, wie Vertreter bestimmter Rassen, Angehörige bestimmter Völker ihre Rasse, ihr Volk als das „auserwählte“, das schlechthin wertvolle, das höhere und, was weiß ich, anpreisen. (Just wie der Bräutigam die Braut!) Neuerdings sind ja zwei Rassen (oder Völkergruppen) besonders im Kurse in die Höhe getrieben, ich möchte fast sagen, weil für sie am meisten Reklame gemacht wird: die Germanen und gerade auch die Juden, die (mit vollem Rechte) nationalgesinnte Juden gegen die Angriffe in Schutz nehmen, die eingebildete Wortführer anderer, namentlich der germanischen, Völker, gegen sie erhoben haben. Natürlich ist es wiederum das gute Recht der Angehörigen der beiden Gruppen, ihre Gruppe für die wertvollere zu halten und als solche zu lieben. (Just wie der Bräutigam die Braut!) Aber wie schnurrig, diesen Geschmack andern aufdrängen zu wollen! Wenn einer die germanischen Völker preist, warum soll man ihm nicht die Worte Victor Hehns, der wahrhaftig auch Einer war, entgegenhalten, die in der Behauptung gipfeln: ,,dass der Italiener in der Stufenreihe, die von den niedersten Typen zu immer edleren Organismen aufwärts führt, eine höhere Stelle einnehme, eine geistigere, reicher vermittelte Menschenbildung darstelle als z. B. der Engländer“. (Hehn spricht natürlich mit diesem Urteil ebenso wenig eine objektive Erkenntnis aus wie die Germanenfreunde mit dem entgegengesetzten.)

Oder wer will mich widerlegen, wenn ich die Neger höher stelle als die weißen Bewohner der Vereinigten Staaten? Wäre es eine Widerlegung, wenn man mir die höchst entwickelte materielle Kultur als Leistung der Yankees entgegenhielte? Dann müsste mir doch erst noch weiter „bewiesen“ werden, dass diese amerikanische Kultur wertvoller sei als die Negerunkultur usw.

Eine wissenschaftliche Analyse des Problems der Rassenbewertung hätte aber noch andere Aufgaben. Sie müsste (2) nachweisen, wie sich die Wertmaßstäbe im Laufe der Zeit verschieben und würde bei dieser historischen Betrachtung für das letzte Jahrhundert die Feststellung machen müssen, dass eine Entwicklungsreihe, wie es ein geistvoller Mann einmal ausgedrückt hat, von der Humanität über die Nationalität zur Bestialität führt, dass aber von diesem Wege — kurz vor dem Abhang, der zur Bestialität abwärts führt — sich eine andere Auffassung abzweigt, deren Leitspruch sich vielleicht dahin prägen ließe: von der Humanität (die übrigens hier nicht als die regulative Idee der Menschlichkeit, sondern nur als die papierne Gleichbewertung aller Menschen gemeint ist) durch die Nationalität (und Rassenverherrlichung) zur Spezialität (oder Qualität): das heißt zur Bewertung des Menschen ohne Rücksicht auf seine Stammeszugehörigkeit nach seiner blutsmäßigen Artbeschaffenheit. Wir erleben gerade jetzt, wie sich der Begriff der Rasse neu bildet und man darunter eine ideale Forderung und nicht mehr eine entwicklungsgeschichtliche Tatsache versteht.

Man will, wenn man jetzt allmählich die Kollektivbewertung ganzer Rassen und Völker als allzu plebejisches Ideal fallen lässt, nicht etwa zu der noch plebejischeren Auffassung von der Gleichwertigkeit alles dessen, was Menschenantlitz trägt, zurück, sondern zu der „höheren“ (!) Auffassung vordringen: dass zwar das Blut den Menschen wertvoll mache, aber dass es gleichgültig sei, ob es Germanenblut oder Judenblut oder Negerblut ist. „Rassig“ soll der Mensch sein, und nach dieser Betrachtungsweise ist eine rassige Jüdin wertvoller als eine verpanschte und schlappe Germanin und umgekehrt.

Endlich könnte in einer wissenschaftlichen Abhandlung über die Bewertung ganzer Bevölkerungsgruppen auch noch darauf hingewiesen werden, dass es Leute gibt, denen die Rassen und Völker überhaupt Hekuba sind; die nur den einzelnen Menschen werten, und die der Meinung sind: alle Massen, ob Rassen oder sonst etwas, seien angefüllt mit wertlosem Füllsel, in dem hier und da ein wertvoller Mensch, ein Edelmensch steckt. Das sind die Leute, die längst aufgehört haben, die Menschen vertikal zu teilen, die sie durch eine horizontale Linie in „Menschen“ und anderes sondern, und die dann natürlich ,,über dem Strich“ ebenso häufig (oder ebenso selten) Juden wie Christen, Eskimos wie Negern begegnen (denn dass in jeder Menschengruppe sich auch „Menschen“ finden: das wird man nicht leugnen können: hinter welchem Germanen oder Juden ganz hoher Klasse stünde etwa der Neger Booker Washington zurück oder so mancher andere geistig, künstlerisch und sittlich höchst qualifizierte Vertreter dieser gemeinhin als Spülicht bewerteten Rasse).

Dass diese letzte Art der Bewertung die Einschätzung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe ganz und gar von der persönlichen Lebenserfahrung abhängig macht, liegt auf der Hand. Wie gewiss sehr viele von uns modernen Menschen, ganz ohne es zu wollen, zu einer Hochbewertung gerade der Juden gelangt sind, das hat ein für allemal in klassischen Worten unser geliebter Theodor Fontane ausgesprochen in seinen Versen:

„An meinem Fünfundsiebzigsten.

Aber die zum Jubeltag da kamen,
Das waren doch sehr andre Namen,
Auch ,sans peur et reproche‘, ohne Furcht und Tadel,
Aber fast schon von prähistorischem Adel:
Die auf ,berg‘ und auf ,heim‘ sind gar nicht zu fassen,
Sie stürmen ein in ganzen Massen,
Meyers kommen in Bataillonen,
Auch Pollacks, und die noch östlicher wohnen;
Abram, Isak, Israel,
Alle Patriarchen sind zur Stell,
Stellen mich freundlich an ihre Spitze,
Was sollen mir da noch die Itzenplitze!
Jedem bin ich was gewesen.
Alle haben sie mich gelesen.
Alle kannten mich lange schon.
Und das ist die Hauptsache..., Kommen Sie, Cohn.‘“


Eine wissenschaftliche Untersuchung über das Problem der Rassenbewertung müsste auch — sage ich — diese Spielart der Werturteile berücksichtigen und würde damit den höchstpersönlichen Charakter solcher Urteile ganz besonders drastisch dartun. Ihren höchstpersönlichen und darum „unwissenschaftlichen“ Charakter. Mein Buch aber soll ein wissenschaftliches Buch sein, und darum enthält es keine Werturteile. Die persönliche Meinung des Verfassers interessiert aber nicht die weite Welt, sondern nur seine Freunde. Und die kennen sie ja.

Werner Sombart.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Juden und das Wirtschaftsleben