Verschiedenste Motive

Außer diesen in der Karikatur immer oder wenigstens mehrfach und in den verschiedensten Zeiten und Ländern wiederkehrenden Motiven gibt es natürlich auch solche, die man nur vereinzelt findet, weil sie sich an ein spezielles Ereignis, oder was dasselbe ist, an eine ganz bestimmte Person knüpfen.

Der damals in allen Ländern verbreitete Brauch, auffällige Naturereignisse, Missgeburten, absonderliche Sitten eines fernen Landes und vor allem verübte Verbrechen bildlich darzustellen und diese Dinge dann, mit entsprechendem Text versehen, in der Form von Fliegenden Blättern auf Märkten und Gassen zu verbreiten, — dieser Brauch wurde auch gegenüber den Juden weidlich ausgenützt. So haben wir Abbildungen über Judenverbrennungen im Mittelalter, über die mannigfachen Judenausweisungen, wie z. B. aus Rottenburg (Bild 18), aus Wien, aus Prag, aus Frankfurt, über den Fettmilchaufstand in Frankfurt, über seltsame jüdische Gebrauche usw. Kam schon bei den meisten dieser Darstellungen (Bild 81) die Satire auch zum Wort, sei es durch hämische Bemerkungen im Begleittext, sei es durch irgend eine zeichnerische Unterstreichung des jüdischen Benehmens, so wurde der satirische Charakter fast immer überwiegend, wenn es sich um die Bekanntgabe irgendeines jüdischen Verbrechens handelte. Dasjenige jüdische Verbrechen, das die Flugblattliteratur am meisten und dauernd befruchtet hat, ist der angebliche Ritualmord an dem Knäblein Simon von Trient im Jahre 1475. Wie ich schon früher erwähnte, ist längst erwiesen, dass es sich bei dem Tod dieses Knaben weder um einen Ritualmord, noch überhaupt um einen von den Juden begangenen Mord gehandelt hat, sondern einfach um einen Unglücksfall (die Leiche des zufällig ertrunkenen Knaben blieb im Flusse vor dem Hause eines Juden hängen), den der skrupellose Judenhass raffiniert missbrauchte, um die Gemüter zu allgemeinen Judenverfolgungen zu entflammen. Dieser Erfolg trat leider nur zu oft ein, und kaum ein anderes Bild hat so oft die sogenannten „Judenschläger“ auf die Beine gebracht, die fanatisiert von Ort zu Ort zogen, um die Wucherer zu strafen, denen es aber vielmehr um Plünderung der vermögenden Juden und um die Vernichtung der in ihren Händen befindlichen Schuldscheine zu tun war. Die typische bildliche Darstellung des Knaben bemerkt man sehr oft auch im Rahmen anderer Karikaturen; so sehen wir sie als letztes Bild in der Bilderfolge „Der Juden Badstub“ (Bild 41) und ebenso auf den verschiedenen Frankfurter Karikaturen von der Frankfurter Judensau; anscheinend war es auch auf dem Urbild der Frankfurter Judensau am Frankfurter Brückenturm angebracht. Die Darstellung des angeblich Trientiner Knabenmordes bekam durch den beigefügten Text sehr häufig eine satirische Note. Das gleiche gilt von den verschiedenen Darstellungen über die zahlreichen, den Juden zur Last gelegten Hostienschändungen. Die am häufigsten erwähnte und auch satirisch dargestellte Hostienschändung ist die zu Sternberg in Pommern im Jahre 1492. Ich gebe hier das karikaturistisch behandelte Titelbild einer solchen Schilderung (Bild 10). Auch durch diese Schilderungen mit ihren handgreiflichen Darstellungen des angeblichen Vorganges sollte der latente Judenhass zu entsprechenden Taten aufgeputscht werden. Dass es auch in diesem Fall bei den entsprechenden Voraussetzungen mitunter zu den gewünschten Folgen kam, ist ohne weiteres glaubhaft; denn eine Hostienschändung würde selbst heute noch für ein strenggläubiges christliches Gemüt zu den furchtbarsten Verbrechen gehören. Das ist in seinen Augen ja nichts Geringeres als ein direktes körperliches Attentat auf Jesum Christum. Im 15. Jahrhundert gab es in der Vorstellung der Gläubigen — und das war die gesamte Christenheit — wohl überhaupt kein todeswürdigeres Verbrechen. Wenn einem Karikaturisten früher also nichts Aktuelles einfiel, so brauchte er nur eine solche Legende, denn das war es in den meisten Fällen, wieder aufzuwärmen, um des Erfolges sicher zu sein.


Neben den satirischen Flugblättern, die an diese alle Welt interessierenden Motive anknüpften, traten natürlich jene an Bedeutung sehr weit zurück, die die Entlarvung oder Bestrafung irgendeines diebischen oder sonstwie verbrecherischen Juden zum Gegenstand haben. Ein solches ist z. B. das Flugblatt auf den diebischen Juden Amschel vom Jahre 1671 (Bild 49). Ein ähnliches satirisches Flugblatt erschien im Jahre 1740 auf den Juden Isaac Nathan Ischerlen zu Ansbach, der wegen umfangreicher Betrügereien in dem genannten Jahr in Ansbach verhaftet wurde, und nun im Kerker in Ketten geschmiedet sein Todesurteil erwartet. Der Zeichner satirisiert den in seinem Kerker schmachtenden Juden, wie ihm der Teufel in der Gestalt eines feuerumlohten Schweines erscheint, das in der einen Klaue einen Geldsack (die Symbolisierung des ergaunerten Gutes) und in der anderen einen eisernen Schürhaken hält, an dem der eiserne Käfig mit dem darin eingeschlossenen Juden Süß baumelt. Auf diese Weise prophezeit der Teufel dem armen Missetäter das eigene bevorstehende Schicksal. Die Karikatur des Nathan Hirschl in Prag soll ebenfalls die Karikatur eines betrügerischen Juden sein (Bild 43). In dem karikaturistischen Kupfer von Jakob Homburg, der einen in einem Buche lesenden alten Juden darstellt, sind die Juden durch den beigefügten Text so geschildert, dass ihr sämtliches Denken und Forschen überhaupt nur dem Betrug diene, um sie darin erfolgreicher zu machen:

,,Ich alter ehrlicher Schmuhl,
Sitze hier auf meinem Stuhl,
Ohr in meinem Buch,
Dass mir glücke der Betrug“.

(Bild 54.) Das sind einige wenige Beispiele für diese Kategorie.

In dieselbe Kategorie gehören natürlich auch jene Karikaturen allgemeinen Charakters, auf denen frohlockend dargestellt ist, wie die Juden im allgemeinen ihr verdientes Schicksal ereilt. Dieses Schicksal besteht regelmäßig darin, dass sie, wie wir schon an anderen Blättern gesehen haben, unbedingt eines Tages in des Teufels Krallen fallen und von diesem flugs in den lodernden Höllenrachen spediert werden. Solches demonstriert uns z. B. der satirische Kupfer „vom Messkram der Juden“ aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts. Der Text dieses Kupfers erklärt auch satirisch den Ursprung und die Bedeutung des sogenannten „Jüdischen gelben Rings“, den die Juden vielfach als sogenanntes Judenabzeichen, das sie jedermann als Juden kenntlich machen sollte, an ihren Kleidern tragen müssten (Bild 21). Der satirische Kupfer „Die Judenhölle“ aus dem 18. Jahrhundert illustriert wiederum, dass man zu allen Zeiten glaubte, die Juden dadurch am verächtlichsten zu behandeln, dass man sie mit Schweinen in Verbindung brachte; denn der Satiriker verurteilt verbrecherische Juden zu der Strafe, in der Hölle auf Schweinen reiten zu müssen. (Bild 60.)

163. Judenverfolgung im 19. Jahrhundert. Wie die Juden in der Moldau verfolgt wurden. Punsch, München 1868
164. Judenverfolgung im 19. Jahrhundert. Wieman sie in Wien und Berlin verfolgte. Punsch, München 1868
165. Alter Jude. Karikatur von Alphonse Levy. 1871
166. Der Schüchterne. Wiener Karikatur von Klic
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Juden in der Karikatur