Allgemeines

Das Lachen und das Weinen ist gleicher weise untrennbar vom menschlichen Leben, vom Leben des Einzelnen wie von dem der Gesamtheit, — darum ist die Karikatur die Begleiterin der Menschheit auf allen ihren Wegen; sie ist nichts anderes als ein gesteigerter bildhafter Ausdruck für beides.

Weil Weinen und Lachen, in ihrer gemeinsamen zeichnerischen Ausstrahlung der Karikatur, sozusagen ewig sind, muss ich mit der Raum- und Zeitbegrenzung, die meine Arbeit umspannen soll, anfangen. Sie erstreckt sich ausschließlich auf die europäische Kultur — selbstverständlich gehört hierzu auch Amerika; denn es ist ausschließlich europäischer Geist, der dort expansiert — und beginnt mit der Frühzeit der Wirtschaftsweise, aus der sich unsere heutige europäische Kultur entwickelt hat; das ist das 14. und 15. Jahrhundert. Zwar gab es in Europa schon viel früher eine Judenfrage, nämlich bereits im Mittelalter, aber erst vom ausgehenden vierzehnten Jahrhundert an sind Judenkarikaturen in Europa nachzuweisen und erhalten. Also setzt meine Arbeit mit diesem Zeitpunkt ein.

Vom 15. Jahrhundert an gibt es in den verschiedensten, d. h. der Reihe nach in sämtlichen Ländern Europas Karikaturen auf die Juden. Bald gab es deren viele, bald wenige, bald gar keine, dann wieder eine ganze Hochflut. Dieser ständige, wenn auch nicht immer auf den ersten Blick erkennbare Wechsel im Auf und Nieder der Zahl wie in dem der Leidenschaft, die in den einzelnen Blättern pulsiert, entschleiert uns das Gesetz, das als zeugende Kraft für alle Länder und alle Zeitabschnitte gilt. Dieses Gesetz zu enthüllen, darzustellen, durch die Jahrhunderte hindurch mit karikaturistischen Dokumenten zu belegen, ist das dieser Arbeit von mir gesteckte Ziel. Die bildliche Beweisführung, die ich damit unternehme, ist, wie der Leser schon beim oberflächlichen Durchblättern feststellen muss, in sehr vielen Fällen eine sehr lustige und sehr amüsante.


Sie ist nicht selten sogar verblüffend geistreich. Wo sie weder lustig noch amüsant ist, da ist sie zum mindesten interessant; es gibt kein einziges Dokument in dieser Sammlung, das nicht nach irgendeiner Seite fesselte; auch wenn man weder die gedankliche noch die künstlerische Lösung anerkennt. Dieser allgemein interessante Charakter rührt daher, dass hier nicht nur häufig die heftigsten Leidenschaften am Werke waren, sondern dass sich auch der Spott und die Satire gegenüber den Juden zumeist hemmungslos austoben konnten. So kam es, dass man unter den Judenkarikaturen vornehmlich der namenlosen und simpeln Volkskunst begegnet.

Die großen Namen der Karikatur fehlen jedoch auch nicht, und einige von ihnen sind sogar mit wahren Meisterleistungen vertreten. Weil dem Spott gegen Juden über den Juden keinerlei Schranken gesetzt waren , darum verbirgt sich wie bei dem Spiegel, den die Frau in der Karikatur der verschiedensten Zeiten und Völker gefunden hat, auch hinter dem lustigen Schellengeklapper der Judenkarikaturen nicht selten ein groß Teil des schwersten Menschenleids und der tiefsten Menschheitstragödie. Und wenn es auch nicht meine Absicht sein kann, nie gewesen ist, und nie sein wird, die Geschichte des Lachens mit Leichenbittermiene oder gar als posthumer Schulmeister und Moralpauker zu schreiben, so darf einem beim Schreiben die Schellenkappe doch nicht ins Gesicht baumeln; man muss sie sich ein wenig in den Nacken schieben. So habe ich es bei meinem Buch über die Frau in der Karikatur gemacht, und so will ich es hier wieder machen. Man soll das Läuten der Schellenkappe immer hören, aber der ernst sonore Grundton, die Qual der anderen, der Angegriffenen, die sehr oft nicht nur bis in den Geldbeutel, sondern wirklich bis ins Herz getroffen wurden, dieser Ton muss stets mitgehört werden.

002. Titelleiste aus einem antisemitischen Dresdener Bilderbogen „Der Teufel in Deutschland“ 1897
003. Susanna und die beiden Greise. Englische Karikatur. 1830
004. Wie sich der Chanukaleuchler des Ziegenfellhändlers Cohn in Pinne zum Christbaum des Kommerzienrats Conrad in der Tiergartenstraße (Berlin W.) entwickelte. Aus dem jüdischen Witzblatt „Schlemiel“. 1906
005. Stauber. Fliegende Blätter. 1851

T001 Ein jüdischer Makler. Englische Karikatur von Thomas Rowlandson. 1801

005. Stauber. Fliegende Blätter. 1851
006. Das Judenschwein am Regensburger Dom. Kapitellverzierung. Satirische Steinskulptur. 13. Jahrhundert
007. Satiren auf die Chorstuhlschnitzereien in der Kirche Notre Dame, von Aerschot. 15. Jahrhundert
008. Satiren auf die Chorstuhlschnitzereien in der Kirche Notre Dame, von Aerschot. 15. Jahrhundert ?
009. Spottbild aus Kehlheim auf die 1519 aus Regensburg vertriebenen Juden. Steinskulptur
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Juden in der Karikatur
002. Titelleiste aus einem antisemitischen Dresdener Bilderbogen „Der Teufel in Deutschland“ 1897

002. Titelleiste aus einem antisemitischen Dresdener Bilderbogen „Der Teufel in Deutschland“ 1897

003. Susanna und die beiden Greise. Englische Karikatur. 1830

003. Susanna und die beiden Greise. Englische Karikatur. 1830

004. Wie sich der Chanukaleuchler des Ziegenfellhändlers Cohn in Pinne zum Christbaum des Kommerzienrats Conrad in der Tiergartenstraße (Berlin W.) entwickelte. Aus dem jüdischen Witzblatt „Schlemiel“. 1906

004. Wie sich der Chanukaleuchler des Ziegenfellhändlers Cohn in Pinne zum Christbaum des Kommerzienrats Conrad in der Tiergartenstraße (Berlin W.) entwickelte. Aus dem jüdischen Witzblatt „Schlemiel“. 1906

005. Stauber. Fliegende Blätter. 1851

005. Stauber. Fliegende Blätter. 1851

006. Das Judenschwein am Regensburger Dom. Kapitellverzierung. Satirische Steinskulptur. 13. Jahrhundert

006. Das Judenschwein am Regensburger Dom. Kapitellverzierung. Satirische Steinskulptur. 13. Jahrhundert

007. Satiren auf die Chorstuhlschnitzereien in der Kirche Notre Dame, von Aerschot. 15. Jahrhundert

007. Satiren auf die Chorstuhlschnitzereien in der Kirche Notre Dame, von Aerschot. 15. Jahrhundert

008. Satiren auf die Chorstuhlschnitzereien in der Kirche Notre Dame, von Aerschot. 15. Jahrhundert

008. Satiren auf die Chorstuhlschnitzereien in der Kirche Notre Dame, von Aerschot. 15. Jahrhundert

009. Spottbild aus Kehlheim auf die 1519 aus Regensburg vertriebenen Juden. Steinskulptur

009. Spottbild aus Kehlheim auf die 1519 aus Regensburg vertriebenen Juden. Steinskulptur

T001 Ein jüdischer Makler. Englische Karikatur von Thomas Rowlandson. 1801

T001 Ein jüdischer Makler. Englische Karikatur von Thomas Rowlandson. 1801

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