Die Juden in Worms

Ein Vortrag in Berlin im Verein für jüdische Geschichte und Literatur E. V.
Autor: Levy, Benas (1839-1919), Erscheinungsjahr: 1914
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Worms, Juden, Judentum, Judengasse,
Wormser Juden — fromme Juden, so lautete ein altes Sprichwort. Die Wormser Juden haben das Beiwort fromm verdient, denn sie haben für ihre Religion, ihre Lehre und ihren Glauben gelebt, gelitten und gestritten, und sie haben ihr Blut freudig hingegeben, als man sie zwingen wollte, einen anderen Glauben anzunehmen.

Jahrhundertelang ist Worms der Sitz vieler bedeutender Talmudlehrer gewesen, und auf dem Boden von Worms haben sich so viele, für die Juden bedeutsame geschichtliche Ereignisse abgespielt, dass diese uns ein Bild der Geschichte der Juden in Deutschland im Kleinen darbieten.

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Die Geschichte der Juden in Worms ist reich verwebt mit Sagen, und wie die schönste deutsche Sage, die Nibelungen, sich zum größten Teil in Worms abspielt, so hat wohl kein Ort im ganzen deutschen Reich so viele jüdische Sagen, wie Worms. Jiphtach Juspa, der im 17. Jahrhundert Synagogendiener in Worms war, und der unter dem Namen Rabbi Joseph Schames bekannt ist, erzählt in seinem Budi „Maaseh-Nissim“ 25 Wundergeschichten, die sich auf dem Boden von Worms ereignet haben sollen.

Worms ist die älteste jüdische Gemeinde Deutschlands. Das hohe Ansehen, dessen diese Stadt im Mittelalter sich erfreute, mag auch vielen Juden Veranlassung gegeben haben, sich dort niederzulassen. Es wird behauptet, dass gleich nach der Zerstörung des zweiten Tempels durch die Römer, Juden in Worms eingewandert seien, doch stützt sich diese Behauptung lediglich auf das Minhagbuch, welches 1625 von Loeb Kirchheim verfasst wurde. In ihm wurden die Ereignisse des Jahres 1615 beschrieben und genau erzählt, wie die Juden aus Worms vertrieben worden sind. Hierbei wird ausdrücklich erwähnt, dass auch der jüdische Friedhof beschädigt wurde und Grabsteine zertrümmert worden sind, welche 1500 Jahre alt waren. Es müssten daher bereits im Jahre 100 nach Christi Geburt, Juden in Worms gewesen sein. Sicher ist, dass im 11. Jahrhundert Juden in Worms gelebt haben, denn der älteste auf dem dortigen Friedhof befindliche Leichenstein trägt das Datum 1071. Die Mauer, die den alten Friedhof umgeben hat, sollte im Jahre 1278 niedergerissen werden. Durch Zahlung von 400 Pfund Heller an die Stadt haben die Juden dies verhindert.

Auf dem alten Friedhof, der links von der Andreasstraße, vor der Stätte des ehemaligen Andreastores liegt, sind viele berühmte Lehrer in Israel begraben, wie Rabbi Meir von Rothenburg, genannt Mahram, dessen Leben recht romantisch verlief. Er zog mit seiner Familie nach Palästina, wurde aber unterwegs von dem Grafen Meinhard von Goertz gefangen genommen und dem Kaiser Rudolph von Habsburg ausgeliefert. Dieser behielt ihn in Haft, doch durfte der Rabbi während dieser Zeit seinen Talmud-Studien obliegen und seine Schüler unterrichten. Er starb im Gefängnis im Jahre 1293, und wurde fern seiner Heimat begraben. — Ein edler Mann, namens Süsskind Wimpfen aus Frankfurt a. M. machte es sich zur Lebensaufgabe, die Gebeine des großen Lehrers, der von seinen Zeitgenossen wie ein Heiliger verehrt worden ist, nach Worms zu bringen, wo dessen Eltern ebenfalls begraben waren. Mit Aufopferung von Gut und Blut gelang es Wimpfen nach 14 Jahren, den berühmten Rabbi in Worms zu bestatten. Als einzigen Lohn bat er um die Gunst, neben ihm beerdigt zu werden. Wenige Monate hierauf starb er und seine Bitte wurde erfüllt. Von anderen großen Lehrern, die in Worms gelebt haben und daselbst beerdigt sind, seien noch erwähnt, Rabbi Jakob ben Moses Halevi, mit dem Zunamen Mölln, gewöhnlich Maharil genannt, gestorben 1427, der mehrere Werke über den Ritus verfasst hat, die Rabbinen Bacharach, von denen besonders Jair Chajim Bacharach sich durch seine talmudischen Gutachten ausgezeichnet hat, ferner Elia Loanz, der berühmte Kabbalist und Rabbi Elieser bar Jehuda, genannt Rokeach. Das Grab von Maharil ist nicht von Osten nach Westen, sondern von Norden nach Süden gerichtet und fällt hierdurch dem Besucher des Friedhofs sofort auf.

Worms - Der Dom

Worms - Der Dom

Worms - Die Dreifaltigkeitskirche

Worms - Die Dreifaltigkeitskirche

Worms - Der Rhein-Hafen

Worms - Der Rhein-Hafen

Worms - Das Lutherdenkmal (Ausschnitt)

Worms - Das Lutherdenkmal (Ausschnitt)

Worms - Das Lutherdenkmal

Worms - Das Lutherdenkmal

Worms - Der Marktplatz und Dom

Worms - Der Marktplatz und Dom

Worms - Rheinbrücke

Worms - Rheinbrücke

Worms - Stadtansicht

Worms - Stadtansicht