Vorrede

Die Werke über Geschichte der Juden sind in nicht jüdischen Kreisen so wenig bekannt, dass selbst die Gebildeten, wie ich mich häufig zu überzeugen Gelegenheit hatte, über die Geschichte dieses Volks in Deutschland nur unvollkommen unterrichtet sind. Ich gab daher die Darstellung der Zustände, Ereignisse und Rechtssätze in populärer Form und verwies den gelehrten Apparat und längere Beweisstellen in besondere Anmerkungen. In einem Anhange habe ich einige wichtige Privilegien zusammengestellt.

Es bedarf Wohl kaum einer Rechtfertigung dafür, dass ich nur von den Juden in Deutschland und nur während des Mittelalters handele. Es soll darin keine Andeutung liegen, dass sie in anderen Ländern oder in den folgenden Jahrhunderten eine wesentlich verschiedene Stellung gehabt hätten. Im Gegenteil! Auch im Anfange der neueren Zeit blieben ihre Verhältnisse dieselben, wie am Schlusse des Mittelalters. Trotz aller Fortschritte, welche die neuere Zeit machte, trotz unserer staatlichen Entwicklung und der auf den Bahnen der Humanität und der Freiheit fortschreitenden Gesetzgebung haben die mittelalterlichen Auffassungen bis tief in das 18. Jahrhundert hinein, nicht bloß im Leben, sondern auch in der Gesetzgebung da geherrscht, wo Nationalhass, Glaubenseifer und Neid den alten Zustand den Wünschen gemäß fand. Wenn auch die neueste Gesetzgebung an vielen Orten die Emanzipation der Juden in unbegrenzter Weise ausgesprochen hat, so fehlt doch noch viel an ihrer Verwirklichung. Und würde der Staat nicht den Juden gegen grobe Unbill schützen, so würde das Judentum, wo es in unverhüllter, leicht kenntlicher Gestalt auftritt, auch heute noch der Verfolgung und Misshandlung durch den Pöbel ausgesetzt sein, wie traurige Vorgänge aus den letztverflossenen Monaten leider beweisen.


Auch in lokaler Beziehung war ihre Lage in allen Ländern der christlichen Welt während des Mittelalters eine ähnliche; und nur insofern ergeben sich Unterschiede, als in derselben Zeit, in welcher sie in einem Lande hart bedrängt wurden, ihnen in anderen Ländern ein besseres Los beschieden war, bis dann auch hier wieder eine grausamere Behandlung eintrat.

Vielmehr waren es äußere Gründe, welche mich zu jener Beschränkung auf Deutschland und das Mittelalter veranlassten. Meine bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten waren hauptsächlich dem deutschen Mittelalter gewidmet; hier glaubte ich die Quellen einigermaßen zu übersehen, hier hoffte ich auf eigenen Füßen stehen zu können.

Noch einige Bemerkungen über die Literatur! Da die Werke von Basnage und Jost unzweifelhaft durch die Arbeit von Grätz übertroffen sind, genügte es überall auf Grätz zu verweisen, ohne jene veralteten Werke zu zitieren. Dass ich die neueste Schrift: Geschichte der Juden und ihrer Literatur in den romanischen Staaten zur Zeit des Mittelalters. Nach den Quellen dargestellt von Dr. M. Braunschweiger, Würzburg 1865, nicht zitiere, wird mir Niemand verargen, welcher sie genauer geprüft hat; in den mich hier allein interessierenden politischen Partien findet sich nur längst Bekanntes und sind keine neuen Quellen benutzt, so dass auch die Bemerkung „nach den Quellen dargestellt“ bedeutungslos wird. Andererseits muss ich mich noch über mein häufiges Anführen von Wieners Regesten zur Geschichte der Juden in Deutschland während des Mittelalters I. 1862 erklären; ich verwies auf dieselben so häufig, um des Zitierens der Urkunden selbst überhoben zu sein, und der Leser wird bald finden, dass wo es sich um einigermaßen wichtige Dinge handelt, ich mich nicht mit der Wienerischen Regeste begnügte, sondern an die Urkunden selbst ging. Das Werk von Wiener ist von mancher Seite außerordentlich überschätzt worden, so auch von dem Rezensenten in Frankels Monatsschrift (XI. S. 153), welcher es ein Werk nennt, „das von dem ausgezeichneten Fleiße, wie der umsichtigen Akribie und Gelehrsamkeit des Verfassers zeugt“. In Wahrheit hat der Verfasser nicht viel mehr getan, als aus den bekannten Werken von Böhmer, Chmel, Lang u. s. w. diejenigen Regesten wörtlich herübernehmen, welche sich auf Juden beziehen. Aus diesem Umstande erklärt es sich auch, warum in dem ersten Abschnitt: „Unter den römischen Königen und Kaisern“ seine Regesten zunächst bei König Ludwig schließen und dann nur noch Ruprecht und Friedrich III. enthalten; dass dabei hie und da das Datum einer Urkunde berichtigt wird, ist kaum als selbständige Arbeit zu bezeichnen. Sehr beeinträchtigt wird das Verdienst des Verfassers und die Brauchbarkeit seines Buchs dadurch, dass er in zahlreichen Nachträgen anhangsweise noch Urkunden folgen lässt, welche er bei seiner Ausarbeitung übersehen hatte. Außerdem finden sich in den Abschnitten „in Bayern“ und „unter der Herrschaft des Hauses Habsburg“ viele Regesten, welche mit diesen Ländern nichts zu tun haben. Nur selten führt der Verfasser die Werke an, wo die betreffenden Urkunden gedruckt sind; öfter stimmt dann aber der Inhalt der Quelle nicht zu dem, was Wiener als Regeste anführt (vgl. z. B. meine Bemerkungen S. 58 N **, ferner Anm. 63; vgl. übrigens auch z. B. Wiener S. 53 N. 4 mit S. 159 N. 385). Von einem selbständigen, umfassenden Urkundenstudium finde ich nur geringe Spuren; sonst würde Wiener doch z. B. irgend eine Urkunde über die Kölner Judengemeinde haben anführen können, welche so zahlreiche und wichtige Privilegien besaß.

Schließlich spreche ich Herrn Dr. Grätz, welcher mich jeder Zeit bei meiner Arbeit bereitwilligst unterstützt hat, und Herrn Dr. Frankel meinen besonderen Dank aus, welcher mir die Benutzung der reichhaltigen Bibliothek des hiesigen jüdischen theologischen Seminars freundlichst gestattete.
Breslau, den 10. April 1866.