Erste Fortsetzung

Den Neid aller Völker, den Stolz Deutschlands bedingte unsere so rasch, fast über Nacht zu grandioser Größe entwickelte Handelsflotte, die auch in Kriegszeiten dem Reiche ihre Dienste leiht. Der Schaffer der Hamburg-Amerika-Linie aber ist der viel genannte Ballin. Seine Bedeutung für die Entwicklung Deutschlands wird einst die Geschichte zu würdigen haben.

Der Vater der elektrochemischen Industrie war der jüngst verstorbene Rathenau, der Schöpfer der A.E.G. Sombart behauptet, dass auch die Siemens und Halske-Werke erst den Wettkampf um die Vormachtstellung der deutschen Industrie in aller Welt aufnehmen konnten, als der jüdische Direktor Berliner an leitende Stellung trat. Aber nicht nur in friedlichen Zeiten bedang die A. E. G. Deutschlands Ruhm und Größe. In unserm Kriege haben sie Bedeutendes geleistet, wenn es jetzt auch noch nicht Zeit ist, darauf näher einzugehen.


Viel geschmäht worden ist die Arbeit der Juden auf dem Gebiete der Waffen- und Munitionsfabriken. Wie vereinzelte Sozialdemokraten die Wichtigkeit der Kruppwerke und ihre vaterländische Rolle missverstanden und vor der breitesten Öffentlichkeit verunglimpften, so wusste seinerzeit Ahlwardt den großen Löwekonzern zu verdächtigen. Aber die „Juden"flinten, die Maschinengewehre und alle die Waffen, welche unsere Heeresleitung von diesen Unternehmungen beziehen konnte, waren letzten Endes nicht bedeutungslos. Der Nur-als-Krämer und Schacherer verschriene Jude hat dem Reich zu Kriegsbeginn wertvolle Stätten zur Verfügung stellen können: Angefangen von dem reich überfüllten Wollmarkt, von den Handelsschiffen, welche die Flotte stützten, bis zu den Fabriken, die direkt oder indirekt dem Heere alle Mittel moderner Kriegsführung lieferten. Wenn wir an die treue Mitarbeit jüdischer Firmen in der Maschinentechnik anknüpfen, dann dürfen wir als deutsche Unternehmungen von Weltgeltung herausgreifen die Orenstein und Koppel A. G., (Kleinbahn- und Baggerfabrikanten) , die Mannheimer Ladenburgs, die Nürnberger Bings. Selbst Erzschürfungen (Hirsch und Beer-Sondheimer-Kupfer) werden von ihnen inauguriert. Caesar Wollheim, v. Friedländer-Fould sind in ,Kohle' bekannt. Neben der Wichtigkeit des Materials und der Arbeitsstätten ist es Geheimrat Haber, der durch die künstliche Gewinnung des Stickstoffes erst die ganze deutsche Munitionserzeugung gewährleistete, und der (nach Davis Trietschs Broschüre, „Juden und Deutsche: Eine Sprach- und Interessengemeinschaft"*) jüdischen Eltern entstammt. Auf solche Köpfe kann die deutsche chemische Wissenschaft stolz sein. Wie ja überhaupt die chemische Industrie Deutschlands Größe in der Welt mitgeschaffen hat. (Es sei u. a. auch des jüdischen chemischen Industriellen Gans gedacht, dessen Sohn übrigens auf dem Gebiete der Luftschifffahrt und der Ballontechnik Bedeutung hat.)

*) Verlag R. Löwit, Wien 1915.

Auch sonst wäre noch viel aufzuführen. Wir könnten manches über andere Wirtschaftskomplexe hier anfügen, so vom Tabakmarkt, von dem Sombart behauptet, dass Juden die Tabakindustrie in Deutschland einführten. Ebenso wie in der modernen Zigarren- und Zigarettenfabrikation halten Juden den Wettbewerb als Uhren-, Sekt- und Schokolade-Fabrikanten und als Getreideimporteure usw. usw.

Wir wollen nicht ermüden. Die Reichtümer, die einzelne Juden sich erwarben, waren nicht unverdient. Sie sind bedingt dadurch, dass Deutschlands Handel und Wandel zu der Größe geführt wurde, die den Neid der fremden Völker erregte, aber damit auch unserem Lande die Möglichkeit gab, auch auf dem wirtschaftlichen Felde den allgewaltigen Kampf gegen die Unmenge von Feinden so siegreich zu bestehen.

Auf dem Zeitungsgebiet zeigten die Mosse, Ullstein, Sonnemann (Frankfurter Zeitung) ihre Tatkraft und schufen, trotzdem ihre Blätter als „verjudet" verschrien wurden, gewaltige Betriebe. S. Fischer ist der bedeutendste literarische Verleger, Reinhardt, der Bühnentechniker, welcher dem modernen Theater reiche Impulse verlieh, ist gleichfalls Jude. Als Antiquitätenhändler, Numismatiker, als Sammler jeder Art haben die Juden den deutschen Ruf in der Welt mitbegründet.

Besonders stark angefeindet wurden sie in der Wissenschaft. Um auf diesem Gebiete ihr Können einigermaßen zu belegen, müssten wir allein ein dickes Buch schreiben. Aber ein paar Beispiele dürfen wir wohl geben. So ist in der Medizin die Lehre der sexuellen Krankheiten durch drei Juden — Neisser, Ehrlich, Wassermann — in grandioser Weise gefördert worden. Neisser, der Entdecker des Gonokokkus, Wassermann, der feinsinnige Schaffer des luetischen Blutnachweises, und Ehrlich, welcher eine moderne Waffe gegen die Syphilis schmiedete. Die Juristen sprechen von den Begründern der deutschen Rechtswissenschaft, von Staub und Dernburg mit all der Hochachtung, die man diesen kaum vorenthalten dürfte. Die Sprachwissenschaften (die deutsche z. B. vertreten durch Mauthner) schätzen die jüdische Mitarbeit; Statistik, Nationalökonomie. Chemie*) sind wie Literatur, Musik und andere kulturelle Gebiete durch deutsche Juden befruchtet worden. Auf Schachturnieren (Lasker, Steinitz, Zuckertort, Tarrasch), aber auch auf den olympischen Spielen, am Turf und auf gefahrvollen Expeditionen bewährten sich Juden. E m i n Pascha hieß einst Schnitzer, ein bedeutender Arabien-Forscher war Glaser, als einer der ersten wirkte in deutschen westafrikanischen Schutzgebieten und erlag dort der Malaria: Dr. Kaiser. . . .

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Juden im Weltkriege (1914-1918)