Das Problem der Ostjuden.

Es mag leicht sein, dass ein Friedensschluss dem Deutschen Reich neue polnische Gebiete bringt. Kein Element wird dann so leicht für das Deutschtum sprachlich und staatsbürgerlich zu gewinnen sein, wie das jüdische, das sich durch sechs bis sieben Jahrhunderte, seit es aus den Rheinlanden vertrieben wurde, die deutsche Mundart — wenn auch in eigener Entwickelung — bewahrte. Viele der deutschen Soldaten dachten sich gar nichts dabei, als sie in allen Städten Russlands eine (wenn auch nicht ganz korrekt) deutsch sprechende Bevölkerungsschicht antrafen. Einzelne aber waren darüber doch erstaunt. Sie waren auch überrascht, eine überaus ärmliche, im Wust der Umgebung verschmutzte, aber für alle Entwicklung empfängliche Masse anzutreffen, die sich gerne den deutschen Maßnahmen fügte.

Das Urteil über die polnischen Juden ist bei den Deutschen nicht immer sympathisch. Jedes fremde Volk hat Schwächen, die dem Fremden auffallen, und die leicht zu einer vollkommenen Verurteilung führen. Bei den russischen Juden wird zu wenig daran gedacht, dass die russische Regierung sie gewaltsam in modernen Ghetti zusammenpfercht. Sie dürfen nur im Ansiedlungsrayon wohnen, und hier wiederum nur in den Städten. Vor dreißig Jahren hat man sie so zusammengetrieben ohne Rücksicht darauf, ob die vorhandenen Wohnungs- und Lebensmöglichkeiten genügten. Man hat sie zwangsweise in schmutzige Löcher gestoßen.


Die vielen hundert Verbote, die den russischen Juden treffen, rauben ihm die Lust und das Recht, sich Häuser zu bauen, das Heim auszugestalten. Russland will den Juden vertreiben, und so ist er denn auch immer auf dem Sprung, wegzugehen. Millionen Juden sind bereits nach Amerika, England, Südafrika, Frankreich usw. ausgewandert.

Der russische Jude gilt wegen seiner Sprache (Jüdisch-Deutsch oder „Jargon") als Deutschfreund. Während sich vielfach Polen und Ruthenen in Österreichisch-Galizien bei der russischen Okkupation recht eigentümlich benommen haben, während in diesen Ländern, besonders aber in Russisch-Polen, die Landbevölkerung in reichlichstem Maße zum Franktireurkrieg und zu Spionage neigte, verhielten sich die Juden überaus loyal. Es ist unwahr, dass sie für Deutschland Kundschafterdienste leisteten; sie haben sich aber naturgemäß auch den Russen gegenüber durchaus korrekt benommen. Dabei wurden die Juden am schwersten durch beide Parteien geschädigt. Die Russen haben aus Hass jüdische Städte, z. B. Szawle, angezündet, und die Deutschen verbrannten u. a. Tauroggen als Gegenmaßregel gegen russische Gräuel in Ostpreußen. Tauroggen war aber vor allem eine jüdische Stadt. Kahsch, eine echte Judenstadt, wurde gründlichst zerstört, weil als Zivilisten verkleidete Soldaten aus Bürgerhäusern schössen. Dadurch wurden Tausende von Juden obdachlos. Viele Städte wurden durch Bombardements zerstört, wie Lowicz, Sochaczew etc. Von selten der Deutschen mussten vielfach Ausweisungen jüdischer Bürger erfolgen, da man natürlich keinem der feindlichen Staatsangehörigen trauen konnte; die Massenausweisungen der Juden aus Polen, Russland, Kowno etc. übertreffen ums Dreifache die Zahl der seinerzeit aus Spanien vertriebenen Juden. Bereits wandern heimatlos eine und eine halbe Million im Innern Russlands, und auch in Österreich sind es Hunderttausende, deren Heim zerstört ist.—

Der deutschsprechende Jude wird, wie oben bemerkt, als Deutschenfreund angesehen. So wie die Verhältnisse vor dem Kriege lagen, hätte es den russischen Juden nichts eingetragen, sich an die Freundschaft Deutschlands zu wenden. Nicht einmal seine eigenen Juden schützte Deutschland vor Russland. Das Zarenreich erlaubte nur ganz ausnahmsweise den Deutschen jüdischen Glaubens den Eintritt in sein Land. Und Deutschlands Politiker haben gegen diese monströse Beschränkung niemals remonstriert. Sie ließen die öffentliche Beschimpfung ihrer Juden zu, ohne durch irgendeine Gegenwehr, Gegenmaßregel oder nur ernstliche Vorstellung ihre Staatsbürger vor schimpflicher Behandlung zu schützen. Und die deutsch sprechenden sieben Millionen Juden Russlands? Sie gelten zwar als Freunde Deutschlands, nur dass Deutschland nicht ihr Freund ist!

Deutschland hat zu Beginn des Krieges durch seine Generale erklären lassen, dass es den Polen volle Gerechtigkeit widerfahren lassen wolle. Die Juden, deren Zahl in den Grenzländern bedeutend ist, wurden nicht sonderlich erwähnt.

Es ist anzunehmen, dass sich Deutschland nach dem Kriege allen seinen Juden gegenüber liberal verhalten wird.

Aber es ist doch sehr die Frage, wenn sich keine gewaltigen Grenzverschiebungen ergeben, ob die Judenfrage Russlands einer Lösung nähergebracht wird. Schon vor dem Krieg hat die russische Regierung die Bedrückung der Juden systematisch inauguriert, die Pogrome des Jahres 1905 waren bestellte Arbeit. Russland bekennt sich zu dem Lehrsatz eines seiner Minister: „Ein Drittel der Juden wird vertrieben, ein Drittel muss verhungern und ein Drittel ist zu töten." (Siehe Errera „Die Judenfrage".)

Die Judenfrage Russlands interessiert Deutschland aus vielen Gründen. Die sieben Millionen, die deutsch verstehen und sprechen, bildeten ein wertvolles wirtschaftliches Element, das gerne mit Deutschland Handelsbeziehungen unterhielt. Diese sieben Millionen sind die stärksten Gegner jedes Krieges mit Deutschland, das sie verehren. Wegen ihrer deutschen Sprache und ihrer deutschen Sympathien sind sie in grausamster Weise von Russland bestraft worden. — Deutschland hat den Polen zu verstehen gegeben, dass es sich ihrer annehmen wird. Mit noch größerer Berechtigung aber können die Juden erwarten, dass Deutschland sie nicht vergisst, wenn die Frage der unterdrückten Nationen in den Friedensverhandlungen aufgeworfen wird.

Die Juden haben nie im politischen oder sprachlichen Kampfe mit den Deutschen gelegen (wie die Polen), seit Jahrhunderten sind sie zu einem Teile fest verwachsen mit der deutschen Erde. Die in Polen zurückgebliebenen Gemeinden sind bei der Teilung dieses Landes durch Zufall zu Russland, Österreich oder Preußen gekommen. Die, welche russische Staatsbürger wurden, haben seit jener Zeit eine Geschichte des Leides und der Verfolgung erlebt, die ans finsterste Mittelalter erinnert. Leider wissen unsere deutschen Mitbürger wohl von „Gräueln in Armenien", wie sie die Engländer aus politischen Gründen aufbauschten, — die Regierungspolitik Russlands jedoch, das sich so lange als der beste Freund Deutschlands gebärdete, wusste recht gut über allen ihren Schandtaten dichte Schleier auszubreiten.

Die deutsch sprechenden Juden Russlands sind zum Teil Zionisten. Die Türkei hat an ihren zionistischen Bürgern in diesem Kriege eine gute Unterstützung gefunden. Deutschland kann sehr wohl, im eigenen Interesse wie in dem seines neuen Bundesgenossen, ein Entgegenkommen der Türkei für eine jüdische Besiedlung der verödeten Landstriche Palästinas befürworten.

Es kann keine Frage sein, dass sofort nach dem Friedensschluss eine Massenauswanderung der russischen Juden beginnen wird, welche die gesamte Völkerwanderung numerisch in den Schatten stellt. Diese Juden, denen man das Letzte genommen hat, die ein volles Jahr lang gequält und getrieben wurden, jeden Augenblick gewärtig, erschossen oder zum mindesten nach Sibirien geführt zu werden, warten nur auf die Möglichkeit, wieder frei zu atmen.

Soll Deutschland diese Emigration nicht zum eigenen Nutzen zu beeinflussen suchen? Soll der Strom der Auswanderer nach Amerika gehen?*) Deutschland wünscht eine moderne Entwicklung der Türkei. Durch die Verluste, die der Krieg im eigenen Lande zeitigte, ist keine Emigration der eigenen Massen bevorstehend. Im Gegenteil.

*) Eine wirkliche Masseneinwanderung östlicher Juden in Deutschland wird schon aus ökonomischen Gründen schwer durchführbar sein. Dieselbe wäre auch vom jüdisch-nationalen Standpunkt nur eine Notstandsaktion, die übrigens wegen der vielen Widerstände, die nach jeder Hinsicht zu überwinden wären, keineswegs einzutreten braucht.

Wenn die Erlösung der kleinen Völker einen Rückhalt an Deutschland finden darf, dann kann es die gequälte jüdische Masse des Ostens nur in zionistischem Sinne erlösen. Auf Russland kann Deutschland nicht einwirken, wie es seine Untertanen regieren soll. Eine breite Öffnung der eigenen Grenzen liegt nicht im Wunsch der meisten eigenen Staatsbürger.

Will Deutschland das Bündnis mit der Türkei ökonomisch ausnützen, will es sich dort eine Masse sichern, die aus sprachlichen Motiven wie auch aus Dankbarkeit zu Deutschland neigt, dann wird es einer großzügigen zionistischen Emigration die Wege ebnen, wird „dem Lande ohne Volk das Volk ohne Land" geben.

Professor Otto Warburg hat schon vor zehn Jahren darauf hingewiesen, dass die Besiedelung Mesopotamiens von ausschlaggebender Bedeutung für die wirtschaftliche Erschließung und Entwicklung Vorderasiens ist.*)

Deutsches Kapital hat die großen Bahnbauten nach Bagdad ermöglicht. Wir sind alle daran interessiert, dass Deutschland daraus Nutzen zieht. Hier kann nur eine geeignete Einwanderung helfen, denn die ortsanwesende Bevölkerungsmenge ist nicht ausreichend.

Da schon Massen arbeitsloser Juden in Polen den Behörden zur Last fallen, so wäre es gut, wenn man sich, wie für die ostpreußischen Flüchtlinge, so auch für das jüdische Proletariat Galiziens und Polens interessierte. Sobald sich die türkische Regierung entschließt, einwandernden jüdischen Familien Land anzuweisen, wird auch von der jüdischen Seite das nötige Geld zur Überführung und Ansässigmachung aufgebracht werden. Es ist nur nötig, dass sich der neue Dreibund darüber klar ist, was er mit dem namenlosen Judenelend machen will, wie er den vom Krieg entwurzelten Massen hilft, ohne dabei selbst Menschen zu verlieren. Denn Menschen sind Geld, Männer sind im Kriegsfalle Gewehre. Nie hat man die Bedeutung der Ziffer so erfasst, wie bei diesem Krieg.

Kommt aber den Juden vom neuen Dreibund keine Hilfe, dann wandern sie bestimmt nach Amerika aus und gehen für die deutsche Sache verloren. Mit ihnen aber ein großes Nationalvermögen, — auch deshalb, weil Ja jeder Emigrant etwas Geld bei sich haben muss, was bei einer solchen Völkerwanderung allein schon Millionenwerte ausmacht.

Die Zukunft von Deutschlands kolonisatorischer Tätigkeit hegt im Orient, in der Türkei. Wie kaum je wieder bietet sich eine Gelegenheit, die Kolonisation zu fördern.

*) Wir könnten z. B. von daher unsere Baumwolle beziehen und so vom Auslande unabhängig werden.

Kenner des Orients, wie Rohrbach, Auhagen, Paquet*) u. a., sind gerade in letzter Zeit für diese Orientierung der deutschen Politik eingetreten. Schon früher plante übrigens der verstorbene Großherzog von Baden, das Interesse der Mächte für eine organisierte Kolonisation Palästinas durch die Juden wachzurufen.

*) Ein soeben von Alfons Paquet erschienener Artikel (in Heft 40 Jahrg. 1915 des März) „Juden im Osten" kommt zu denselben Resultaten. Paquet schreibt:
„Das türkische Volk kümmert sich wenig um den Glauben anderer Es erkennt in den Juden die Orientalen, es weiß, dass jene, die aus dem Westen kommen, zugleich Europäer sind, Träger eines praktischen Könnens, das dem neuen türkischen Staatswesen Nutzen zu bringen vermag. Und das eigentliche Palästina? Hat es nicht in den Jahren, die dem Versuch der Wiederbesiedelung gewidmet waren, bewiesen, dass es wirklich das Land ist, wo einmal der Wanderer sein Haupt hinlegen kann unter den Sternen die den Erzvätern leuchteten, um auszuruhen und böse Spuren aus seinen Zügen wischen?"
Sie brauchen eines zuerst: eine Zukunft, ein grünes Banner. In dem von Menschen erfüllten Europa werden sie das wichtigste für ihre Zukunft : — den Boden — nie erhalten, eher werden sie die Träger irgend eines unbestimmten Unheils sein. In allen Erdteilen, außer Vorderasien, fehlen die Möglichkeiten einer Ansiedelung, die den Juden erlaubt, nach ihrer höchst eigentümlichen Art zu leben und von dem geistigen Gut, nach dem sie lungern, satt zu werden. Aber in dem einen kleinen Lande, das schon begonnen hat, zu einem neuen Dasein zu erwachen, ist Baum und Tragkraft genug, sie aufzunehmen. Josua und Kaleb sind von ihrer Kundschafterreise zurückgekehrt mit schweren Trauben. Es kommt jetzt darauf an die Fähigkeiten des Volkes, die bisher auf die Wüstenreise verwendet wurden, zu wecken und neu zu gebrauchen. Schulen nach dem Vorbild der deutschen Volksschulen, vielleicht mit einer Hochschule an der Spitze, werden dazu helfen können. Einst werden dann diese Knaben die Mannschaft eines neuen morgenländischen Wesens bilden, gleichviel, ob sie Ingenieure oder Kaufleute, Handwerker. Ackerbauer oder Gelehrte werden, gleichviel sogar, wie viele von ihnen in Europa bleiben und wie viele wirklich im Morgenland wohnen. Sie können in einer neuen Heimat ein neues Volk sein — nicht im Sinne jenes Nationalismus, der in Europa die Völker zerreißt und schlägt, sondern in dem innerlich freien, nach außen duldsamen Sinne der morgenländischen Weisen. „Der türkische Baum muss sehr grün werden und auswachsen." „Wer in seinem Schatten wohnen will, muss aber zuvor sein Gärtner sein." —
So denkt ein bekannter Orientkenner über die Judenfrage und das Problem der Türkei.

Statt dessen hat man den franzosenfreundlichen Jesuiten, die neben zahlreichen Schulen eine Universität in Beirut gründeten, den russischen und griechischen Missionen Raum gegeben und hat die englischen Machinationen unter den Arabern geduldet.

Die neu-deutsche Judenpolitik darf des weiteren nicht in den Fehler verfallen, das Jüdische Element im Osten den Polen auszuliefern. In ganz Galizien hat man die Juden dem Terrorismus der Polen überantwortet. Man denke sich, dass dort ca. 900.000 Menschen ein deutsches Idiom sprechen, eine Sprache, die der deutschen nähersteht als die flämische Mundart. Gleichwohl konnte man in Österreich nicht erreichen, dass das „Jiddisch", wie es genannt wird, die Rechte einer Sprache bekam. Obwohl es eine Unzahl von Zeitungen gibt, die täglich in diesem Dialekt geschrieben werden, und deren Blätter u. a. in Lemberg, Lodz, Krakau etc. erscheinen (Warschauer und New Yorker Blätter in Jiddisch haben Auflagen von über 100.000 Exemplaren), war diese Sprache „von Rechts wegen" verpönt! Der Kaufmann sollte seine Rechnungsbücher damit nicht führen dürfen, Eingaben an die Regierung waren unstatthaft, während unterdessen die jiddische schöne Literatur in alle Sprachen übersetzt wurde, und Theaterstücke, ins Hochdeutsche übersetzt, Sensation in Berlin hervorriefen!

Auch heute hat die deutsche Regierung die Bedeutung dieses Jargons noch nicht erfasst. Eine Volksschicht, die in polnischen Gebieten lebt, greift aber, wenn sie ihre Muttersprache lassen muss, nicht zu dem dieser nahverwandten Deutschen, sondern zum Polnischen. Es liegt kein Grund vor, die Polen künstlich zu stärken und ein Volkstum, das sich sprachlich ans Deutsche anlehnt, seiner Nationalität zugunsten der polnischen gewaltsam zu entkleiden.

Sollten größere polnische Bezirke Deutschland und Österreich angegliedert werden, so muss das Recht der Minorität geschützt werden. Das moderne Polentum hat sich noch nicht als maßvoller und zuverlässiger Charakter erwiesen. Wo sie es nur konnten, haben die Polen die Juden bedrückt und ausgenutzt. Die galizischen Wahlen waren wahre Schlachttage der Schlachta. In vielen Orten floss jüdisches Blut, weil die Juden keine Polen wählen wollten. Noch schlimmer erging es den Juden in Russisch-Polen, wo sie den Polen und Russen gänzlich ausgeliefert waren.

Wenn die Franzosen und Italiener von „unerlösten Völkern" sprechen, dann haben sie kaum der armen Juden gedacht, und sicherlich nie eine Hand gerührt, um deren Los zu erleichtern.*) Und sie hätten es doch so bequem. Sie brauchten bloß ihren Bundesgenossen „darauf aufmerksam zu machen". — — —


*) Die 2 1/3 Millionen Juden der Vereinigten Staaten sind deshalb durchweg deutschfreundlich. Alle Bestrebungen der Deutschamerikaner haben an ihnen eine rege Stütze gefunden. Vergessen wir nicht, dass die Stimmung in New York, der größten Stadt Amerikas, für das ganze Land bedeutsam ist, dass sich die dortigen 1,2 Millionen Juden konstant für die Deutschen verwandten, weil sie von ihnen eine Erlösung der russischen Juden erwarten. — Eine offene Erklärung der deutschen Regierung an die amerikanischen Juden würde eine namenlose Begeisterung erwecken und die Kabinette des Dreiverbandes in nicht geringe Unannehmlichkeiten wegen der Haltung Russlands versetzen. Es wäre die beste Antwort gegenüber all den Enunziationen betreffs der unerlösten Völker in Österreich und Deutschland. Außerdem würde Deutschland dadurch erhebliche Geldmittel für seine künftigen Anleihen erwarten können.

Die Lage des jüdischen Volkes in Galizien ist eine viel bessere als jenseits der Grenze im Reiche des Friedenszaren. Aber was ihnen noch an nationaler und politischer Freiheit fehlt, wollen wir ruhig und offen darlegen. Um so mehr, als jede Einverleibung neue Hunderttausende uns zuführen müsste, die sich nicht wieder Zurücksetzungen und Schikanen ausgesetzt wissen wollen.

Die Bedrückung an Ort und Stelle zwingt sonst zu einer ungeheuren Auswanderung, die auch in Deutschland zu merken sein dürfte. Dagegen gibt es nur ein Allheilmittel: Lokale Rechte und Hilfe; ferner Ableitung der überschüssigen Kräfte in den Orient durch starkes Entgegenkommen der verbündeten Regierungen. Das heutige System entwurzelt nur die Elemente, die einigermaßen fest an der Scholle, an der Heimat hängen, und jagt sie ins Ungewisse.

Wenn die deutsche Regierung den östlichen Juden nicht entgegenkommen kann, wird auch die dadurch sicherlich eintretende Entvölkerung die wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder bedeutend verzögern.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Juden im Weltkriege (1914-1918)