Die Juden im Weltkriege (1914-1918)
Mit besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse für Deutschland
Autor: Theilhaber, Felix Aaron Dr. (1884-1956) deutsch-israelischer Dermatologe, Schriftsteller und Zionist, Erscheinungsjahr: 1916
Exemplar in der Bibliothek ansehen/leihen
Exemplar in der Bibliothek ansehen/leihen
Themenbereiche
Vorwort.
Die folgenden Ausführungen verdanken ihr Entstehen freien Stunden an der Front in Kurland, wo ich dem unendlichen Leid der Ostjuden auf Schritt und Tritt begegnete, einer unterdrückten Menschenmasse, die menschlich unser Interesse verdient, aber auch sprachlich, da sie den Deutschen darin noch näher steht als die Vlamen.
Vor allem gilt die Schrift den Beziehungen der deutschen Juden zu ihrer Umgebung. Die Verhetzung, welche vor dem Krieg das Volk bald gegen Sozialdemokraten, Agrarier und Zentrumsanhänger trieb, fehlte nicht gegenüber den Juden. Aber jeder wirtschaftliche Hass, jede chauvinistische nationale Abneigung wirkt auf die Dauer unfruchtbar und schädlich.
Damit die gegenseitige Achtung auch nach dem Kriege fortdauere und innerlich begründet wird, habe ich dargelegt, dass das Wort eines großen Denkers nicht zu Unrecht besteht: ,,Jedes Land hat die Juden, die es verdient".
„Wer die Luft, die ich atme, den Boden, auf dem ich stehe und in dem meine Eltern bestattet sind, mir nehmen will, ist mein Mörder . . ."
So ungefähr wandte sich vor fünfzig Jahren Gabriel Rießer an seine Widersacher. Möge uns, wenn wir in die Heimat zurückkehren sollten, diese Sprache in alle Zukunft erspart bleiben.
Möge mein Wort der Verständigung, der Aufklärung und dem Frieden dienen!
Herbst 1915.
Felix A. Theilhaber.
**************************
Die folgenden Ausführungen verdanken ihr Entstehen freien Stunden an der Front in Kurland, wo ich dem unendlichen Leid der Ostjuden auf Schritt und Tritt begegnete, einer unterdrückten Menschenmasse, die menschlich unser Interesse verdient, aber auch sprachlich, da sie den Deutschen darin noch näher steht als die Vlamen.
Vor allem gilt die Schrift den Beziehungen der deutschen Juden zu ihrer Umgebung. Die Verhetzung, welche vor dem Krieg das Volk bald gegen Sozialdemokraten, Agrarier und Zentrumsanhänger trieb, fehlte nicht gegenüber den Juden. Aber jeder wirtschaftliche Hass, jede chauvinistische nationale Abneigung wirkt auf die Dauer unfruchtbar und schädlich.
Damit die gegenseitige Achtung auch nach dem Kriege fortdauere und innerlich begründet wird, habe ich dargelegt, dass das Wort eines großen Denkers nicht zu Unrecht besteht: ,,Jedes Land hat die Juden, die es verdient".
„Wer die Luft, die ich atme, den Boden, auf dem ich stehe und in dem meine Eltern bestattet sind, mir nehmen will, ist mein Mörder . . ."
So ungefähr wandte sich vor fünfzig Jahren Gabriel Rießer an seine Widersacher. Möge uns, wenn wir in die Heimat zurückkehren sollten, diese Sprache in alle Zukunft erspart bleiben.
Möge mein Wort der Verständigung, der Aufklärung und dem Frieden dienen!
Herbst 1915.
Felix A. Theilhaber.
**************************
Inhaltsverzeichnis
Einleitung.
Die „Hilfe" vom 2. September 1915 bringt einen Artikel „Der Krieg und die russischen Juden" von Paul Barth. Seine Worte mögen meine Auseinandersetzung über das Problem „Judentum und Deutschtum" einleiten. Paul Barth schreibt:
„Was aber lauter als alles andere zum Himmel schreit, das sind die Massenverbrechen, die die russische Militär- und Zivilbürokratie tagtäglich an den „lieben Juden" des Zaren verübt. Wohin das russische Heer kommt, da ist die erste kriegerische Leistung, dass die Juden ausgewiesen werden. Im Februar dieses Jahres erließ der „Allgemeine Jüdische Arbeiterbund Litauens, Polens und Russlands" einen Aufruf an „die Kulturwelt", der einigermaßen veranschaulichte, welches Meer von Leiden hinter dem Worte „ausgewiesen" steckt. Mit einer Frist von vierundzwanzig, oft bloß von acht Stunden, hinausgetrieben in die Nacht und die Kälte des russischen Winters, alle, auch Greise, Frauen und Kinder; ohne Ziel, ohne Schutz in ein fast feindlich gesinntes Land; rechtlos schon im Frieden, jetzt rechtloser denn je. Unsere Ostpreußen sind gewiss tief zu beklagen, aber sie zogen doch in ein freundlich gesinntes Land. Hunderttausend ausgewiesene Juden sammelten sich damals hilflos in Warschau an, sehr viele, besonders Kinder, starben auf der Landstraße. Wie glücklich verhältnismäßig diejenigen, die ein Kosak erstochen hatte! Denn das ist nach jenem Aufruf ein regelmäßiger Sport der Kosaken, der unbestraft bleibt. Der Römer Seneca ereiferte sich darüber, dass ein Mensch, der Gladiator, „zum Spiele und Scherze getötet wird". Der Gladiator jedoch konnte sich wehren, er war bewaffnet, das Ganze war ein Kampf zweier geübter Fechter. Der arme russische Jude aber kann sich nicht wehren.
Und ich fürchte, das ist erst der Anfang. Allerdings ein sehr großer Anfang. Denn Mitte Mai wurden die Gouvernements Kurland, Kowno und ein Teil von Suwalki von 280.000, also mehr als einer Viertelmillion Juden „evakuiert", wie der russische technische Ausdruck lautet. Neuerdings wurde eine Million Juden aus den Gouvernements Wilna, Grodno und Warschau vertrieben, d. h. wirtschaftlich vernichtet. Das tut die russische Regierung. Was wird erst geschehen, wenn die russische „Volksseele", besonders die der „echt russischen Leute", unruhig wird! Und sie wird aufkochen, wenn Russland weitere Niederlagen erleidet, und sich in „Pogromen" Luft machen, genau so, wie es 1905 und 1906 geschah. Was damals in Kertsch, Bialystok und vielen anderen Städten vorging, das wird sich in ganz Russland wiederholen und wahrscheinlich mit viel größerer Heftigkeit. Und die Polizei wird, wie damals, teils wohlwollend zusehen, teils wohlwollend helfen. Damals war es schließlich die erste, sehr liberale Duma, unter einem viel besseren Stimmrecht als dem jetzigen gewählt, die den Gräueln ein Ende machte. Aber die Duma, die jetzt zusammengetreten ist, wird für solche inneren Fragen keine Zeit haben.
Was tun nun dabei die Juden der übrigen Welt, außerhalb Russlands? Im allgemeinen nichts, — was überraschend, vielleicht auch ein bedauerliches Symptom ist. Wie sehr sie auch die Kultur des Landes angenommen haben, in dem sie wohnen, sie hegen doch alle die gleiche Pietät für ihre Vergangenheit, die sie als starkes Band mit ihren russischen Stammesgenossen vereinigt. Die deutschen Juden freilich sind entschuldigt, sie können nichts tun. Jeder öffentliche Schritt ihrerseits würde den russischen Juden bloß schaden. Diese würden daraufhin noch mehr verdächtigt werden, über die Grenze hinaus nach dem Landesfeinde zu schielen. In den Ländern des Vierverbandes sehen wir nur eins: überall sind Juden unter den Kriegshetzern, gegen die Zentralmächte, also für den Zarismus. In Frankreich sind sehr viele Juden in den höchsten Stellen, die beständig ihre Liebe zum Zarismus betätigen. In England haben die Juden viel Einfluss in der höchsten Aristokratie, die ganz besonders in der Hoffnung auf „die Dampfwalze" schwelgte. Lord Rosebery, einer der einflussreichsten Aristokraten, ist ja Schwiegersohn des Barons Meyer Rothschild.
In Italien finden wir unter den wildesten Kriegshetzern jüdische Namen. Herr Nathan, der Bürgermeister von Rom, hielt im Dezember 1914 als Freimaurer, als früherer Großmeister der Logen des Großorients, im Theater Constanzi in Rom eine schwungvolle Rede, in der er zum Kriege für den Dreiverband, also für den Zaren, aufrief. Zwei bekannte italienische Politiker jüdischer Herkunft, Barzilai und Luzzatti, trieben ebenfalls zum Kriege.
Aber was tun die Juden in den neutralen Ländern? Der einzige, der sich auf seine Herkunft und seine Gewissenspflicht besinnt, scheint Georg Brandes in Kopenhagen, wie sein Briefwechsel mit Clémenceau bewies. Andere sind auf Seiten des Vierverbandes. Die rumänische Zeitung „Adeverul" (Wahrheit) , die täglich gegen die Zentralmächte, also für Russland agitiert, war bis vor kurzem und ist wohl noch in jüdischen Händen. Die übrigen tun gar nichts, nicht einmal die Sozialisten unter den Neutralen. Vor kurzem meldete Reuter aus New York, Samuel Gompers, der Vorsitzende der American Föderation of Labour, zweifellos jüdischer Herkunft, habe auf eine Einladung zu einer Versammlung, die gegen die amerikanische Kriegsbedarfsausfuhr protestieren wollte, durchaus ablehnend geantwortet. Dunkel ist zwar die Begründung seiner Ablehnung: „es gebe schrecklichere Dinge als den Krieg, nämlich des Geburtsrechts (d. h. wohl des angeborenen Rechts), der Freiheit und der Gerechtigkeit beraubt zu sein". Dies alles sind ja die Leiden der russischen Juden; aber Gompers lehnt ab, gegen die Unterstützung ihrer Unterdrücker zu protestieren.
Wenn nun die Juden selbst so gänzlich passiv sind, so müssen wir Nicht-Juden uns regen und sie aus ihrer Resignation aufrütteln. Ich möchte nochmals betonen, dass die Verfolgungen erst anfangen. Je weiter die verbündeten Heere vorrücken, desto größer die Gefahr neuer Wutausbrüche. Und schon, wie berichtet wird, sind die Juden teilweise konzentriert in besondere Lager — sehr bequem für die Verfolger. Das Volk wird einen Sündenbock suchen, auf den es die Schuld der Niederlagen abwälze. Es wird die Regierung schuldig finden, aber es kann wieder einen Minister geben, wie denjenigen, der im Oktober 1905 — nach jüdischen Quellen — sagte: „Wir werden die Revolution im Blute der Juden ersticken." Es folgten darauf die furchtbaren, zehn Tage dauernden Oktobermorde. Tausend Juden wurden erschlagen, achttausend wurden zu Krüppeln. Werte im Betrage von 180 Millionen Mark wurden vernichtet, 300.000 Juden flohen ins Ausland. (Vergl. „Allgemeine Zeitung des Judentums", 1910, S. 577.)
Die deutschen Juden können, wie gesagt, unmittelbar nichts tun, aber mittelbar sehr viel. Sie können die Juden der nordamerikanischen Union aufrufen, die für russische Angelegenheiten doch sonst Interesse zeigen. Als der Beilisprozess schwebte, haben diese beim russischen Gesandten in Petersburg dagegen protestiert und später dem zwar freigesprochenen, aber sehr geschädigten und gequälten Beilis eine Farm geschenkt. Jetzt steht mehr als ein Menschenleben auf dem Spiele. Was dem einen Beilis recht war, ist allen russischen Juden billig. Die amerikanischen Juden müssten laut und energisch ihre Stimme erheben für ihre niedergetretenen russischen Stammesgenossen, täglich, so oft als möglich, in den Zeitungen, in allgemeinen Versammlungen der Juden und der Christen. Wenn erst die russische Regierung weiß, dass man ihr Treiben beobachtet, wird sie doch vielleicht stutzig werden und das Schlimmste unterlassen, sie wird wenigstens nicht die Polizei zur schweigenden Duldung der Morde und der Diebstähle anhalten, sondern notgedrungen den Befehl zur Aufrechterhaltung der Ordnung geben müssen. Nordamerika ist ja der künftige Geldmarkt für Russland, der einzige, wo es einst Anleihen machen kann. Denn alle europäischen Staaten werden nach dem Kriege selbst zu viel Schulden haben, um anderen leihen zu können. Die Juden der Union aber sind eine starke Kapitalmacht, besonders im Westen. Sie haben — nach W. Sombart — eine herrschende oder wenigstens wichtige Stellung im Getreidehandel, im Tabakhandel und im Baumwollhandel. Auf allen drei Gebieten können sie den Russen schaden. Vor allem aber können sie jede russische Anleihe erschweren, vielleicht unmöglich machen. Damit müssten sie drohen. Darauf wird selbst die zarische Regierung hören.
Und wenn die Proteste und Drohungen nichts helfen, so werden sie doch wenigstens Zeugnis ablegen, dass in der allgemeinen sittlichen Verwilderung es noch Menschen gegeben hat, die die Unmenschlichkeiten der zarischen Regierung als solche zu brandmarken gewagt haben.
Wenn aber gar nichts geschieht, dann wird ganz gewiss sich das alte Sprichwort bewähren: „Wenn die Menschen schweigen, so reden die Steine", freilich in diesem Falle nur die Steine des Pogroms, die auf unschuldige, wehrlose Opfer fallen werden."
**************************
Wenn Barth sich auf die Einwirkung der amerikanischen Juden verlässt, so fürchte ich, gibt er uns einen Wechsel auf die Zukunft. Die amerikanischen Juden sind noch nicht genügend organisiert, z. T. auch als Vollblutyankees zu sehr auf selten der Entente.
Ich glaube und werde es zu beweisen versuchen, dass Deutschland allen Grund hat, jede antisemitische Regung abzustreifen, den Juden im Inland die Gerechtigkeit, die ihrer treuen Staatsbürgerschaft gebührt, widerfahren zu lassen, den Juden in eroberten Gebieten jede Autonomie zu gewähren und den Auswandernden im Orient allen Vorschub für eine großzügige Kolonisation zu leisten.
Doch damit komme ich schon zur Voraussetzung jeder Politik gegenüber den Juden: die Bewertung derselben als zuverlässige und fähige Staatsbürger gegenüber ihren Heimatsländern, und nicht zum mindesten in Deutschland!
Die „Hilfe" vom 2. September 1915 bringt einen Artikel „Der Krieg und die russischen Juden" von Paul Barth. Seine Worte mögen meine Auseinandersetzung über das Problem „Judentum und Deutschtum" einleiten. Paul Barth schreibt:
„Was aber lauter als alles andere zum Himmel schreit, das sind die Massenverbrechen, die die russische Militär- und Zivilbürokratie tagtäglich an den „lieben Juden" des Zaren verübt. Wohin das russische Heer kommt, da ist die erste kriegerische Leistung, dass die Juden ausgewiesen werden. Im Februar dieses Jahres erließ der „Allgemeine Jüdische Arbeiterbund Litauens, Polens und Russlands" einen Aufruf an „die Kulturwelt", der einigermaßen veranschaulichte, welches Meer von Leiden hinter dem Worte „ausgewiesen" steckt. Mit einer Frist von vierundzwanzig, oft bloß von acht Stunden, hinausgetrieben in die Nacht und die Kälte des russischen Winters, alle, auch Greise, Frauen und Kinder; ohne Ziel, ohne Schutz in ein fast feindlich gesinntes Land; rechtlos schon im Frieden, jetzt rechtloser denn je. Unsere Ostpreußen sind gewiss tief zu beklagen, aber sie zogen doch in ein freundlich gesinntes Land. Hunderttausend ausgewiesene Juden sammelten sich damals hilflos in Warschau an, sehr viele, besonders Kinder, starben auf der Landstraße. Wie glücklich verhältnismäßig diejenigen, die ein Kosak erstochen hatte! Denn das ist nach jenem Aufruf ein regelmäßiger Sport der Kosaken, der unbestraft bleibt. Der Römer Seneca ereiferte sich darüber, dass ein Mensch, der Gladiator, „zum Spiele und Scherze getötet wird". Der Gladiator jedoch konnte sich wehren, er war bewaffnet, das Ganze war ein Kampf zweier geübter Fechter. Der arme russische Jude aber kann sich nicht wehren.
Und ich fürchte, das ist erst der Anfang. Allerdings ein sehr großer Anfang. Denn Mitte Mai wurden die Gouvernements Kurland, Kowno und ein Teil von Suwalki von 280.000, also mehr als einer Viertelmillion Juden „evakuiert", wie der russische technische Ausdruck lautet. Neuerdings wurde eine Million Juden aus den Gouvernements Wilna, Grodno und Warschau vertrieben, d. h. wirtschaftlich vernichtet. Das tut die russische Regierung. Was wird erst geschehen, wenn die russische „Volksseele", besonders die der „echt russischen Leute", unruhig wird! Und sie wird aufkochen, wenn Russland weitere Niederlagen erleidet, und sich in „Pogromen" Luft machen, genau so, wie es 1905 und 1906 geschah. Was damals in Kertsch, Bialystok und vielen anderen Städten vorging, das wird sich in ganz Russland wiederholen und wahrscheinlich mit viel größerer Heftigkeit. Und die Polizei wird, wie damals, teils wohlwollend zusehen, teils wohlwollend helfen. Damals war es schließlich die erste, sehr liberale Duma, unter einem viel besseren Stimmrecht als dem jetzigen gewählt, die den Gräueln ein Ende machte. Aber die Duma, die jetzt zusammengetreten ist, wird für solche inneren Fragen keine Zeit haben.
Was tun nun dabei die Juden der übrigen Welt, außerhalb Russlands? Im allgemeinen nichts, — was überraschend, vielleicht auch ein bedauerliches Symptom ist. Wie sehr sie auch die Kultur des Landes angenommen haben, in dem sie wohnen, sie hegen doch alle die gleiche Pietät für ihre Vergangenheit, die sie als starkes Band mit ihren russischen Stammesgenossen vereinigt. Die deutschen Juden freilich sind entschuldigt, sie können nichts tun. Jeder öffentliche Schritt ihrerseits würde den russischen Juden bloß schaden. Diese würden daraufhin noch mehr verdächtigt werden, über die Grenze hinaus nach dem Landesfeinde zu schielen. In den Ländern des Vierverbandes sehen wir nur eins: überall sind Juden unter den Kriegshetzern, gegen die Zentralmächte, also für den Zarismus. In Frankreich sind sehr viele Juden in den höchsten Stellen, die beständig ihre Liebe zum Zarismus betätigen. In England haben die Juden viel Einfluss in der höchsten Aristokratie, die ganz besonders in der Hoffnung auf „die Dampfwalze" schwelgte. Lord Rosebery, einer der einflussreichsten Aristokraten, ist ja Schwiegersohn des Barons Meyer Rothschild.
In Italien finden wir unter den wildesten Kriegshetzern jüdische Namen. Herr Nathan, der Bürgermeister von Rom, hielt im Dezember 1914 als Freimaurer, als früherer Großmeister der Logen des Großorients, im Theater Constanzi in Rom eine schwungvolle Rede, in der er zum Kriege für den Dreiverband, also für den Zaren, aufrief. Zwei bekannte italienische Politiker jüdischer Herkunft, Barzilai und Luzzatti, trieben ebenfalls zum Kriege.
Aber was tun die Juden in den neutralen Ländern? Der einzige, der sich auf seine Herkunft und seine Gewissenspflicht besinnt, scheint Georg Brandes in Kopenhagen, wie sein Briefwechsel mit Clémenceau bewies. Andere sind auf Seiten des Vierverbandes. Die rumänische Zeitung „Adeverul" (Wahrheit) , die täglich gegen die Zentralmächte, also für Russland agitiert, war bis vor kurzem und ist wohl noch in jüdischen Händen. Die übrigen tun gar nichts, nicht einmal die Sozialisten unter den Neutralen. Vor kurzem meldete Reuter aus New York, Samuel Gompers, der Vorsitzende der American Föderation of Labour, zweifellos jüdischer Herkunft, habe auf eine Einladung zu einer Versammlung, die gegen die amerikanische Kriegsbedarfsausfuhr protestieren wollte, durchaus ablehnend geantwortet. Dunkel ist zwar die Begründung seiner Ablehnung: „es gebe schrecklichere Dinge als den Krieg, nämlich des Geburtsrechts (d. h. wohl des angeborenen Rechts), der Freiheit und der Gerechtigkeit beraubt zu sein". Dies alles sind ja die Leiden der russischen Juden; aber Gompers lehnt ab, gegen die Unterstützung ihrer Unterdrücker zu protestieren.
Wenn nun die Juden selbst so gänzlich passiv sind, so müssen wir Nicht-Juden uns regen und sie aus ihrer Resignation aufrütteln. Ich möchte nochmals betonen, dass die Verfolgungen erst anfangen. Je weiter die verbündeten Heere vorrücken, desto größer die Gefahr neuer Wutausbrüche. Und schon, wie berichtet wird, sind die Juden teilweise konzentriert in besondere Lager — sehr bequem für die Verfolger. Das Volk wird einen Sündenbock suchen, auf den es die Schuld der Niederlagen abwälze. Es wird die Regierung schuldig finden, aber es kann wieder einen Minister geben, wie denjenigen, der im Oktober 1905 — nach jüdischen Quellen — sagte: „Wir werden die Revolution im Blute der Juden ersticken." Es folgten darauf die furchtbaren, zehn Tage dauernden Oktobermorde. Tausend Juden wurden erschlagen, achttausend wurden zu Krüppeln. Werte im Betrage von 180 Millionen Mark wurden vernichtet, 300.000 Juden flohen ins Ausland. (Vergl. „Allgemeine Zeitung des Judentums", 1910, S. 577.)
Die deutschen Juden können, wie gesagt, unmittelbar nichts tun, aber mittelbar sehr viel. Sie können die Juden der nordamerikanischen Union aufrufen, die für russische Angelegenheiten doch sonst Interesse zeigen. Als der Beilisprozess schwebte, haben diese beim russischen Gesandten in Petersburg dagegen protestiert und später dem zwar freigesprochenen, aber sehr geschädigten und gequälten Beilis eine Farm geschenkt. Jetzt steht mehr als ein Menschenleben auf dem Spiele. Was dem einen Beilis recht war, ist allen russischen Juden billig. Die amerikanischen Juden müssten laut und energisch ihre Stimme erheben für ihre niedergetretenen russischen Stammesgenossen, täglich, so oft als möglich, in den Zeitungen, in allgemeinen Versammlungen der Juden und der Christen. Wenn erst die russische Regierung weiß, dass man ihr Treiben beobachtet, wird sie doch vielleicht stutzig werden und das Schlimmste unterlassen, sie wird wenigstens nicht die Polizei zur schweigenden Duldung der Morde und der Diebstähle anhalten, sondern notgedrungen den Befehl zur Aufrechterhaltung der Ordnung geben müssen. Nordamerika ist ja der künftige Geldmarkt für Russland, der einzige, wo es einst Anleihen machen kann. Denn alle europäischen Staaten werden nach dem Kriege selbst zu viel Schulden haben, um anderen leihen zu können. Die Juden der Union aber sind eine starke Kapitalmacht, besonders im Westen. Sie haben — nach W. Sombart — eine herrschende oder wenigstens wichtige Stellung im Getreidehandel, im Tabakhandel und im Baumwollhandel. Auf allen drei Gebieten können sie den Russen schaden. Vor allem aber können sie jede russische Anleihe erschweren, vielleicht unmöglich machen. Damit müssten sie drohen. Darauf wird selbst die zarische Regierung hören.
Und wenn die Proteste und Drohungen nichts helfen, so werden sie doch wenigstens Zeugnis ablegen, dass in der allgemeinen sittlichen Verwilderung es noch Menschen gegeben hat, die die Unmenschlichkeiten der zarischen Regierung als solche zu brandmarken gewagt haben.
Wenn aber gar nichts geschieht, dann wird ganz gewiss sich das alte Sprichwort bewähren: „Wenn die Menschen schweigen, so reden die Steine", freilich in diesem Falle nur die Steine des Pogroms, die auf unschuldige, wehrlose Opfer fallen werden."
**************************
Wenn Barth sich auf die Einwirkung der amerikanischen Juden verlässt, so fürchte ich, gibt er uns einen Wechsel auf die Zukunft. Die amerikanischen Juden sind noch nicht genügend organisiert, z. T. auch als Vollblutyankees zu sehr auf selten der Entente.
Ich glaube und werde es zu beweisen versuchen, dass Deutschland allen Grund hat, jede antisemitische Regung abzustreifen, den Juden im Inland die Gerechtigkeit, die ihrer treuen Staatsbürgerschaft gebührt, widerfahren zu lassen, den Juden in eroberten Gebieten jede Autonomie zu gewähren und den Auswandernden im Orient allen Vorschub für eine großzügige Kolonisation zu leisten.
Doch damit komme ich schon zur Voraussetzung jeder Politik gegenüber den Juden: die Bewertung derselben als zuverlässige und fähige Staatsbürger gegenüber ihren Heimatsländern, und nicht zum mindesten in Deutschland!
Ostjüdisches Antlitz
Ostjude
Der greise Jude
Bärtiger Jude
Alter Jude
Lesender Jude
Meditierender Ostjude
Ostjude vor seinem Gebetbuch
Jude beim Lesen eines Buches
Jude bei der Arbeit
Ostjude beim Studium
Typisches Gesicht eines Ostjuden
Kohle schleppender Jude
Der Ostjude und sein Hobby
Ostjude bei der Arbeit
Arbeitender Jude
Vollbärtiger Jude
Fleißiger Jude
Jüdin mit Kopftuch
Greise Jüdin des Ostens
Jüdin