Lebensmittelverfälschung

Bei der Lebensmittelverfälschung kommt es lediglich auf Zeugnis und Gutachten an, es ist nicht möglich, wie beim eigentlichen Betruge das Gesetz zu „streifen.“ Die Vorurteile gegen die Juden verursachen eben, dass ihnen Vergehen in viel größerem Maßstabe zugeschrieben werden, wo faktisch kein Tatbestand vorhanden ist.“

Eine andere Erklärung, freilich ganz entgegengesetzter Art, vermag nicht bloß auf diesen Punkt, sondern auf die ganze Strafrechtspflege bedeutsame Schlaglichter zu werfen.


Die Verurteilten gehören in ihrer überwältigenden Majorität dem mehr oder weniger ungebildeten Proletariate an. Für einen ungebildeten Menschen aber ist nicht bloß die Chance verurteilt zu werden größer, als für einen gebildeten, sondern, er hat sogar noch die größere Aussicht unschuldig verurteilt zu werden und zwar aus dem schon einfachen Grunde, weil er nicht die Tragweite seiner eigenen Worte zu überschauen vermag und sich zumeist selbst in das Unglück hineinredet, und weit ihm weiter als besitzlosen Proletarier kein Verteidiger zur Seite steht, der in dem entscheidenden Moment entlastende Beweisanträge stellen kann.

Unter diesen ungünstigen Verhältnissen leiden aber mehr die Christen als die Juden, weil in Deutschland wenigstens der Durchschnittsjude kein absolut besitzloser Proletarier ist, und weil selbst der jüdische Proletarier in Folge seiner höheren Intelligenz, in Folge seiner ganzen Schulung einen höheren Grad von Scharfsinn besitzt, die schwachen Stellen der Anklage zu ermitteln, als der angeklagte Christ. Die beiden Rassen stehen sich eben hier nicht als Rassen gegenüber, sondern in ihrer Eigenschaft als Besitzende und Proletarier, und dass der Bestände größere Chancen hat, freigesprochen zu werden, als der Besitzlose, das liegt schon in der Klassengesetzgebung begründet, und ebenso auch in der Rechtsprechung, die sich überall da notwendig zur Klassenrechtsprechung ausbilden muss, wo Angehörige der besitzenden Klasse als Richter fungieren: Es ist deshalb nicht übertrieben und zu hart geurteilt, wenn Prof. Menger schreibt: „Ja wenn man die Strafrechtspflege nicht bloß nach den dürftigen und abstrakten Umrissen beurteilt, welche Gesetze und theoretische Schriften von ihr bieten, sondern danach, wie sie in der Wirklichkeit lebt und sich betätigt, so wird man zugeben müssen,, dass durch jene verschiedene Beurteilung der inneren Zustände ähnliche Wirkungen hervorgebracht werden, als wenn für die beiden großen Kreise des Volkes (die Besitzenden und Besitzlosen) verschiedene Strafrechte in Wirksamkeit wären!!“