Glücksspiel, Unterschlagungen, Betrug

Auf den Wucher komme ich noch zu sprechen. Was aber das erstere Delikt anbetrifft, so ist es gerade der christlich-germanische Staat mit seinen Lotterien und seiner Totalisator-Konzession, der dem „deutschen Erbfehler“ Vorschub leistet und dann noch, wie zum Hohn, die preußischen Juden, die vielleicht häufiger als die preußischen Christen in ausländischen Lotterien spielen, z. B. in der sächsischen, dafür bestraft, dass sie sich nicht haben vom Heimatstaat ausbeuten lassen. Vielleicht aber würde die besondere Hervorhebung des gewerbsmäßigen Glücksspieles das Verhältnis denn doch für die Juden ungünstiger erscheinen lassen? Die Statistik gibt darüber keine Auskunft, es lassen sich also auch keine Schlüsse aus der Statistik ziehen; wenn man aber bedenkt, dass das Hazardieren in den adligen Kasinos nur höchst selten bestraft wird, dagegen desto häufiger eine harmlose „lustige Sieben“ in einem Restaurant-Hinterzimmer, so würde man sich selbst dann, wenn die Kriminalstatistik spezialisierter wäre, über die höhere Kriminalität der Juden nicht wundern können, weil auch im Verkehrsgewerbe ein sehr hoher Prozentsatz Juden tätig ist.

Ich komme nun zu denjenigen Delikten, welche seit Alters her den Juden als Specifica vorgeworfen worden sind. Es sind dies Betrug, bezüglicher und einfacher Bankrott, Wucher.


Es ist klar, dass bei diesen Delikten am meisten der Handelsstand beteiligt sein muss. Wenn nun aber der antisemitische Statistiker daraus schließt, dass — um diese Delikte bei den Juden aus ihrer vorwiegenden Teilnahme am Handel abzuleiten — nun auch eine vollständige Parallelität zwischen den Kriminalitätsziffern dieser Berufsklasse und den Juden stattfinden müsse, so ist das ein statistischer ABC-Schützenfehler. Es sieht zwar sehr grausig aus, wenn Unterschlagung Betrug Bankrott der Handelsstand im allgemeinen mit 640,2 634,9 122,8 die Juden mit 309,0 673,1 236,9 als Kriminalitätsziffern belastet sind.

Aber einmal würden schon die günstigen Zahlen für die jüdischen Unterschlagungen die ungünstige Stellung der Juden bei den anderen Delikten vollauf kompensieren. Andererseits aber ist bei dieser tendenziösen Gruppierung außer Acht gelassen worden, dass besagte Delikte nicht bloß vom Handelsstande begangen werden, sondern auch in den anderen Berufsklassen nicht zu den Ausnahme-Erscheinungen gehören. Beweiskräftig ist die Untersuchung nur dann, wenn für alle Berufsklassen gesondert die jüdische und die christliche Kriminalität in Bezug auf die in Frage stehenden Delikte betrachtet würde. Die Kriminalstatistik bietet jedoch an sich keine Unterlage für die in Frage stehende Berechnung. Man muss sich, wie dies auch Herr Giese tat, in der Weise zu helfen suchen, dass man von der Berufszählung vom Jahre 1882 für Preußen ausgehend, die Zahl der Berufsangehörigen nach Religionen gesondert für den 1. Dezember 1885 und zwar für ganz Deutschland berechnet Wie bedenklich auch immer diese Berechnung sein mag, so stellt sie doch den einzigen Weg dar, die gestellte Ausgabe schätzungsweise zu lösen. Exakte Resultate sind damit freilich nicht zu erhalten und es wird sich auch kein Statistiker irgend welchen Illusionen bezüglich der Beweiskraft der auf diesem Wege berechneten Zahlen hingeben.

Aber wir müssen doch auf diesem Wege Herrn Giese folgen, um seine Zahlen um sich einer, kritischen Betrachtung unterziehen zu können.“

Es werden also mit Hilfe der angegebenen Methode die Betrüger in den einzelnen Berufen nach Juden und Christen gesondert berechnet und zwar unter Voraussetzung, dass für beide religiöse Bekenntnisse, oder wie die Antisemiten sagen: für beide Rassen, die gleiche Kriminalität vorhanden sei. Zieht man dann die Zahl der nach der Berechnung sich ergebenden Juden zusammen, so erhält man 1.842 Juden, die höchstens wegen Betruges hätten verurteilt sein dürfen, während tatsächlich 2.653 Juden verurteilt worden sind. — Womit nach Meinung der Antisemiten bewiesen ist, dass die Juden mehr zum Betrüge hinneigen als die Christen. Das gleiche gilt auch vom bezüglichen Bankrott und vom einfachen Bankrott. Aber schon der einfache Bankrott, bei welchem die Kriminalitäten 9,6 bzw. 200,4 sind, ist schon nicht in jedem Falle mehr den Eigentumsdelikten zuzurechnen, denn in den meisten Fällen besteht das Delikt nur darin, dass eine Bilanz nicht oder nicht rechtzeitig gezogen worden ist, dass keine Inventur gemacht worden ist, oder dass ähnliche kleine Vergehen gegen das Handelsgesetz und die Konkursordnung vorkommen, die durchaus nicht mit einem beabsichtigten Betruge zusammen zu fallen brauchen. Im Gegenteil: Wenn ein betrügerischer Bankrott beabsichtigt worden ist, pflegen im Allgemeinen die Bücher am allerbesten in Ordnung zu sein. Dass es sich in den meisten Fällen um bloße Bagatellen handelt, geht schon daraus hervor, dass die Strafen zu cr. 38,5% unter 4 Tagen und zu cr. 44% unter 30 Tagen Gefängnis betrugen. Die Juden sind zwar in diesem Punkte cr. 21 mal so „verbrecherisch veranlagt“ wie die Christen, aber so entsetzlich böse Menschen sind sie darum doch nicht; denn bei dem leichtesten Eigentumsdelikt, dem einfachen Diebstahl, zu welchem die Christen den Hauptprozentsatz der Verbrecher liefern, sind nur cr. 30% mit unter 4 Tagen und er. 40% mit unter 30 Tagen Gefängnis, 30% aber höher bestraft. Schon in diesem Falle also wurde sich einfacher Bankrott und einfacher Diebstahl, wenn es sich um die Beurteilung des verbrecherischen Sinnes bei Christen resp. Germanen und Juden handelte, vollständig kompensieren.