Die Insel Rügen

Zwölf Gedichte
Autor: Furchau, Adolf Friedrich (1787-1868) deutscher evangelischer Pfarrer und Dichter, Erscheinungsjahr: 1830
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Insel Rügen, Reisen, Wanderer, Putbus, Jagdschloss Granitz, Mönchgut, Graniz, Schmachter-See, Prora-Schanze, Stubbenkammer, Hiddensee, Rugard, Hertha-Wall, Arkona, Naturschönheit, Kreidefelsen
Zur Erläuterung.

Das Eigentümliche der landschaftlichen Schönheiten der Insel Rügen besteht nicht, wie so manche oberflächliche, bloß bei den hervorragenden, bekannten Hauptpunkten verweilende Beschreibungen oder phantastische Schilderungen, welche das ruhig Schöne überbieten, gewöhnlich glauben machen, in einer durchweg großartigen, ja schroff-gewaltigen Naturerscheinung,— weswegen es geschieht, dass, durch solche Darstellungen verleitet, die zu uns kommenden Reisenden sich häufig sehr wundern, wenn ihnen nicht sogleich himmelanstrebende Felsen entgegentreten; — sondern die eigentümliche Schönheit, die das gesegnete Rügen schmückt, beruht vielmehr auf dem lieblich erfrischenden und erhebenden Reize, mit welchem bald an Hügeln und Höhen, bald an Wäldern und Triften, bald an Vorgebirgen und Dünenstrichen, bald an kleineren Inseln und Halbinseln Meer und Land einander durchdringt; nur an einzelnen, äußeren Punkten erheben sich majestätische Kreidefelsen, zum Teil mit schimmerndem Grün erhellt, aus den Fluten; nur hie und dort ragt eine höhere Hügelspitze, die man etwa einen Berg nennen kann, aus den mittleren Teilen des Landes mächtiger hervor; allenthalben aber schaut das blaue, hohe, ferne Meer, von weißen, weithin verschwindenden Segeln belebt, ernst in die lachendsten Landschaften hinein; hauptsachlich jedoch anziehend ist die große Mannigfaltigkeit, mit welcher die einzelnen Land- und See-Ansichten von verschiedenen, zum Teil einander nahen Stellen betrachtet, jedes Mal zu einem abgeschlossenen, leicht übersehbaren Kreise zusammenlaufen, in welchem dieselben Gegenden sich in immer neuen und wechselnden Verhältnissen und Beziehungen zu einander zeigen, so daß nicht bloß das Auge, sondern auch die Einbildungskraft lebhaft beschäftigt wird.

Es ist nun in den vorstehenden Gedichten versucht, das Eigentümliche der hauptsächlichen Ansichten, so wie der Natur-Schönheit Rügens überhaupt, in einzelnen Bildern, so weit Wort, Reim und Versmaß zu Hilfe kommen können und in der Folgereihe, in welcher sie sich dem Reisenden am natürlichsten und genussreichsten darbieten, aufzufassen und dichterisch darzustellen; und so nehmen diese kurzen Erläuterungen, welche die Erwähnung alles dessen, was schon zum Überflusse über Rügen wiederholt ist, und alle weiteren Schilderungen ganz vermeiden, von selbst die Gestalt eines einfachen Reise-Vorschlages an, der dem Reisenden mit wenigen Worten rät, wie er am erfolgreichsten seinen Weg vollführen kann, indem sie alles Übrige, wie billig, dem Auge des Beschauers, oder vielmehr der Natur selbst überlassen und nur hier und dort auf einige weniger bekannte Richtwege und Lichtpunkte aufmerksam machen, welchen gefolgt zu sein, an welchen verweilt zu haben wohl nicht gereuen wird. Diejenigen Wanderer, denen es darum zu tun ist, in dem reinsten Seehauche der schönen freien Natur ungestört zu atmen, werden, wenn sie nur den Umriss der Reise haben, schon ihre eignen Kreuz- und Neben-Wege durch Höhen und Tiefen, durch Wald und Flut zu finden wissen.

Man kann ganz füglich in vier Tagen von Putbus aus und dorthin zurückkehrend, indem man den durch die vorstehenden Gedichte bezeichneten Weg verfolgt und auf den einzelnen hervorgehobenen Punkten verweilt und ausruhet, die Reise ohne Anstrengung vollenden.

1. Putbus bietet sich, auch abgesehen von allem dem Erquicklichen, welches es anderweitig gewährt, schon deswegen als Anfangs-Punkt der Reise dar, weil die zunächst gelegenen Küsten, von Mönchgut bis zur Jasmundschen schmalen Heide hinauf, ohne Frage die lieblichsten und an stets wechselnden Aussichten die reichsten auf Rügen sind. Es beginne die Reise früh Morgens bei klarem Himmel; denn eine bedeckte und verdunkelte Luft gewahrt nur die halbe Freude des Anblicks bei den See-Ansichten. Auf einem angenehmen, zum Teil waldigen Wege, der hie und dort die fernen Küsten Mönchguts sehen lässt und sich zuletzt bedeutend erhebt, gelangt man in einigen Stunden nach dem

2. Jagdschloss in der Graniz (1 ½ Meilen). Hier, wo der Reisende volle Gemächlichkeit findet, ruhe er und besteige den Fürstenberg. Noch an demselben Tage fahre man nach

3. Mönchgut, bis zum Peerd und kehre am Abend nach dem Jagdschlosse, wo Quartier und Speise bestellt ist, zurück. Sollte im Jagdschlosse kein Unterkommen sein, so findet sich auch in dem am Fuße der Höhe liegenden Dorfe Lanken Gelass. — Auf dem Wege vom Jagdschloss nach Mönchgut frage man ungefähr in der Mitte des langen Dorfes Sellin, nach dem Backenberge, welcher sehr leicht und besonders bei klarem Wetter gewiss nicht ohne Befriedigung erstiegen wird. Ebenso, wenn man das Dorf Sellin verlassen hat, sieht man, wo der Weg rechts sich unmittelbar nach Mönchgut wendet, links am Wege mehrere Anhöhen; es werde eine oder die andre derselben, vornehmlich der höchsten und in der Mitte gelegenen bestiegen — und man wird sich freudig überrascht fühlen; so wie vorzugsweise die Kette der Hügel und Vorgebirge von dort bis zum Schmachter-See eine Reihe der reichsten und lieblichsten Ansichten abwechselnd darbietet; dieser Küstenstrich lässt sich aber, wenn er ganz überschauet werden soll, nur zu Fuße oder mit einem leichten Pferde verfolgen. In Mittelhagen auf Mönchgut findet man Aufnahme und fährt von dort nach dem Peerd (1 ½ Meile vom Jagdschloss). Soll noch mehr als der Rest des ersten Reisetages für Mönchgut verwendet werden, so begebe man sich nach dem schönen äußersten Vorgebirge Thiessow oder Süd-Peerd (fast 1 ½ Meile von Nord-Peerd). Auf dem Wege dorthin ist, wenn die Zeit es irgend leidet, der Umweg über das rechts versteckt liegende Kirchdorf Groß-Zicker nicht zu scheuen, wo die hinter der Pfarrwohnung sich erhebenden Berge einige sehr schöne Übersichten darbieten. Auf jeden Fall muss man sich aber bei längerem Verweilen auf Mönchgut so einrichten, daß man am Abend nach Mittelhagen zurückkehrt, weil an einem anderen Orte so leicht kein Unterkommen zu finden ist. — Nebenher sei es erwähnt, daß sich von dem Dorfe Groß-Zicker aus bei günstigem Winde eine sehr hübsche Wasserfahrt nach dem Vilm und Putbus zurück machen lässt, wodurch Gelegenheit zu einer interessanten Ausflucht, halb zu Lande, halb zu Wasser, und wenn man vom Wetter begünstigt ist, auf einen Tag von Putbus aus gegeben wird. — Will man an demselben Tage nach dem Jagdschlosse zurückkehren, so kann man nur bis Peerd gelangen. Von dort fahre man aber nicht durchs Land, wie man gekommen ist, sondern den schönen Weg am Strande zurück; jedoch nur, wenn der Strand gut, das heißt: zum bequemen Fahren hart genug ist, welches vorher, namentlich in Mittelhagen erkundet werden muss. Man kommt dann bei den Selliner Bergen wieder ins Land und hat bei der Rückkehr zum Jagdschloss für den ersten Reisetag schon eine reiche Beute gewonnen.

Am zweiten Tage gehe es frühzeitig, nachdem man im Morgendufte vom Fürstenberge noch einmal das reiche Bild überschauet hat, zunächst nach dem, eine halbe Meile entfernten

4. Graniz-Ort (plattdeutsch genannt: Kieck öwer — Schau über— modern: Kieckufer), wenn nicht etwa am Abend des ersten Tages schon Zeit gewonnen ist, auf der Rückreise von Mönchgut diese schöne Meer-Aussicht, welche nicht versäumt werden darf, zu berühren; von dort zu dem nicht viel mehr als eine halbe Meile entfernten

5. Schmachter-See (auch Aalbecker - See genannt). Wenn man aus dem Walde kommt, fahre man auf das Dorf Binz zu. Bei dem Eingänge des Dorfes steige man ab, lasse den Wagen durch das Dorf fahren und gehe rechts an dem Zaune auf dem Fußpfade die sanfte Anhöhe hinan. Dort bietet sich eine reizende, wenig gekannte, Übersicht dar; so wie überhaupt fast jeder Hügel um den See her ein liebliches Bild gewährt; besonders reich sind die Aussichten von den Hagenschen und Tribbrazer Bergen; indes ist es schwer, die rechten Stellen zu treffen, zumal das auf den Anhöhen stehende Gebüsch, welches nur in einer gewissen Reihenfolge von Jahren gehauen wird, häufig die Aussicht versperrt. Es ist daher ratsam, in Binz für diese Berge einen Wegweiser zu suchen. Vom Schmachter-See geht es zur

6. Prora-Schanze (1 Meile). Man kann den, indes schwerer zu findenden, Weg am Ufer des Meeres nehmen, bis man von der Seeseite die hohe Schanze erblickt, an welcher die zwischen hohen Hügeln sich erhebende enge Landstraße hinanführt, oder auch den großen Weg durch's Land wählen. Ehe man dann durch den Hohlweg kommt, führt ein Pfad zu der von Carl dem zwölften angelegten oder doch benutzten Schanze hinauf, welche einen neuen weiten Überblick darbietet. Ist man der Gegend ganz unkundig, so wird es sicherer seyn, durch den Hohlweg bis zum Försterhause zu fahren und sich von dort den nicht beschwerlichen Pfad hinauf zeigen zu lassen.

Durch die Prora führt die Landstraße über die Jasmundische schmale Heide nach Jasmund und über den Flecken Sagard, auf einem angenehmen Wege, auf welchem besonders die Höhen von Hochseelo im Vorüberfahren dem Auge eine freie Aussicht bieten, nach

7. Hertha-Wall und

8. Stubbenkammer. Die ganze Entfernung vom Jagdschlosse in der Granitz beträgt, die Ab- und Umwege eingerechnet, bis dorthin nicht mehr als höchstens fünf Meilen und man findet daselbst am zweiten Reisetage die wohlverdiente erquickliche Rast. Man muss sich indes so einrichten, daß man zeitig genug ankömmt, um, nach einiger Erholung, sich gegen Sonnenuntergang nach der Hertha-Burg (einem hohen, einen See umschließenden bewachsnen Erd-Walle) zu begeben. Es ist höchst überflüssig, die beiden zuletzt genannten allbekannten Stellen noch weiter zu beschreiben, zumal hier jedes prosaische Wort in doppelter Hinsicht ein verlornes ist; und wegen der Hertha-Burg sind der stumpfen Lanzen schon zur Ungebühr zerbrochen. Anweisung zur Benutzung der Zeit und zur Betrachtung der einzelnen hauptsächlichsten Ufer-Stellen, sowohl oben vom Fels, als unten vom Strande, erhält man hinlänglich an Ort und Stelle. Wer vielleicht auf Stubbenkammer einen ganzen Tag ruhig verweilen will, kann ihn, aber nur bei recht günstigem Winde und Wetter benutzen, um über den Werder und dessen sehr merkwürdige, großartige Wälle auf einem, freilich oft beschwerlichen Waldwege, nach dem über eine Meile entfernten Fischerdorfe Saßnitz zu fahren, dort ein großes Fischerboot zu mieten und nach Stubbenkammer, rings um das lange, majestätische Ufer her, zurück zu segeln. Indes gewährt diese, gewöhnlich ziemlich langwierige, Wasserfahrt doch nicht allen Reisenden einen so großartigen Anblick, als sie häufig erwarten, besonders weil bei nur etwas frischem Winde, die der offnen See Ungewohnten, durch mancherlei Unbequemlichkeiten, in der freien Betrachtung leicht gestört werden. Man kann deswegen, wenn bei Zeiten ein Bote abgesendet wird, ein Segelboot nach Stubbenkammer kommen lassen, von dort eine Strecke in die See hineinfahren, die Ufer beschauen und nach den Umständen den Strand leicht wieder gewinnen. Übrigens gibt es auf Jasmund noch einen sehr wenig gekannten, bequemen und besonders schönen Fahr-Weg, welcher, nur wenig weiter als der durch das Land gehende, rings an dem Ufer von Jasmund herführt und aus dem Walde überraschende Hinblicke auf die Granitz und Mönchgut, besonders bei der Rückfahrt, öffnet.

Ist für Stubbenkammer nicht ein ganzer ruhiger Tag bestimmt, so verweile man wenigstens an dem dritten Reisetage die Morgenstunden bis gegen zehn oder elf Uhr, da an diesem Tage nicht viel mehr als vier Meilen zurück zu legen sind. — Auf dem Wege nach Arkona möge auf Jasmund immerhin, wer Zeit und besondere Neigung hat, bei Quoltitz den großen merkwürdigen Opferstein erfragen, der am Abhange eines jetzt beackerten Berges liegt. Sehr viel interessanter ist der kleine Umweg nach dem Kirchdorfe Bobbin, um sich die Gelegenheit zu verschaffen, die an rügianischen Altertümern, Versteinerungen und anderen Naturalien sehr reiche Sammlung des Pastor Frank zu sehen. Die Fahrt über die lange Wittowsche Heide, von der einen reichen Halbinsel zu der anderen, über die weißen Dünen, am weiten Meeresstrande hin, hat für die Meisten freilich etwas Ermüdendes, dennoch zugleich auch ihr Eigentümliches; sie gibt wenigstens Zeit und Gelegenheit, beim Rauschen des Meeres ungestört den Gedanken nachzuhängen, welche das bisher Gesehene in der Seele erwecken. — Wer, nach Verlassung der schmalen Heide, auf dem festen Boden Wittows anlangend, in einem vor längerer Zeit mit großer Mühe, unmittelbar an den Dünen, ja fast auf ihnen, angelegten Park, der seit Jahren so gut wie unbeaufsichtigt geblieben ist, die sorglose, sich selbst überlassene, allenthalben üppig und grenzenlos hervorbrechende Fülle der Natur, nach dem eben verlassenen öden Wege betrachten und zugleich im Gegensatz an einem ehemals eleganten, jetzt durch Wind und Wetter wild zerstörten Landhause erkennen will, wie schnell dagegen ein sich selbst überlassenes Menschenwerk der Vernichtung zueilt: der kehre auf dem verödeten Landsitz Juliusruhe, welches hart an der schmalen Heide liegt, ein, um sich außerdem, wenn er dazu eingerichtet ist, nach der Ermüdung des langen Weges auch leiblich zu erquicken. Es ist dem durch Rügen Reisenden überhaupt zu raten, daß er sich bei seiner Abfahrt mit einem hinlänglichen Mund- und Trink-Vorrate versehe, um von Zeit zu Zeit an schönen Plätzen, die sich zu dem Zwecke, gut gelegen, häufig darbieten, sich in der freien Natur, nach den gehabten Reiseanstrengungen, durch Speise und Trank zu erfrischen. Fast nirgends indes behagt es besser, als an dem genannten verwilderten Platze, wo durch die Freundlichkeit des Anwohners die etwa nötigen Zurichtungen gerne gemacht werden.

Gelegentlich sei hier bemerkt, daß das jetzt Waldähnliche Juliusruhe, das alte Vorurteil, als ob auf Wittow keine Bäume üppig fortkämen, auf das deutlichste widerlegt.

Bei der Weiterfahrt durch Wittow ist sorgfältig darauf zu achten, daß man nicht etwa von da an, wo sich das Ufer östlich wendet, den Weg durchs Land einschlägt, wie es gewöhnlich geschieht, um nach Arkona zu kommen, sondern man muss sich immer rechts, hart am Ufer halten, sonst beraubt man sich eigentlich ganz der landschaftlichen Ansicht von Arkona. Auf diesem Wege, bei dem Dorfe Nobbin rechts bleibend, gelangt man zunächst nach dem, in einer Schlucht liegenden, Fischerdorfe Vitte und von dort nach

9. Arkona. Von dem Fischerdorfe Vitte aus kann man entweder unten am Strande, — aber nur wenn es die Tage vorher trocknes Wetter gewesen ist — nach Arkona gehen und es lassen sich dann mehrere von den gesenkteren Klüften ohne besondere Beschwerde ersteigen; oder man wandert oben am Ufer hin; oder man besteigt seinen Wagen und fährt, auf einem kleinen Umwege, durchs Land zu demselben Ziele, wo man am Abend des dritten Reisetages in dem über Land und Meer weit hinaus blickenden Leuchtturme, auf der Stätte großer geschichtlicher Erinnerungen, im Angesichte der Überbleibsel der Wälle, in deren Mitte der Tempel des Svantevit stand, auf der nördlichsten Spitze Deutschlands sein Nachtquartier findet. Von hier aus lässt sich früh und spät, bei der verschiedensten Beleuchtung unter anderem auch die wunderlich gebildete Insel

10. Hiddensee zur Genüge betrachten. Es ist nur in dem Falle zu raten, von dem Kirchdorfe Wieck aus dorthin zu segeln, wenn wenigstens ein ganzer Tag zu dieser Neben-Fahrt verwandt werden kann, wenn sehr günstiger Wind weht und man Freude an einer umständlicheren Wasserreise findet. Die Insel selbst bietet von ihren, nur an einer Stelle, beträchtlich hohen Ufern nichts dar, als einen sehr freien Blick über die See und die Ansicht der fernen Kreideufer der dänischen Insel Moen, welche man eigentlich nur von dort aus deutlich sieht. Im Sturm, wenn sich die ganze Kraft der offnen See auf den hohen Vorsprung der Insel wälzt, entsteht dadurch eine Szene von eigentümlicher Schönheit.
Der Rückweg, zu welchem man sich am letzten Reisetage rüstet, bedarf einer besonderen Überlegung, und es ist dringend zu raten, den gewöhnlichen Weg über die eigentliche Wittower - Fähre und durch den ganzen westlichen Küstenstrich Rügens, welcher wenig oder nichts als ebne Fruchtfelder zu zeigen hat, ganz zu vermeiden; am bedenklichsten ist es, wie es doch häufig geschieht, von dem Dorfe Wieck oder gar von Breege auf die Rückfahrt zu Wasser bis Stralsund anzutreten; man wird dann, wenn man nicht von einer, sehr glücklichen und schnellen Fahrt begünstiget wird, der Langenweile und mehreren Ungemächlichkeiten, besonders aber der unvermeidlichen Schwächung des Eindruckes, den die ganze Reise bisher hervorgebracht hat, schwerlich entgehen. Es wird dagegen gewiss Jeder in vielfacher Hinsicht befriedigt werden und an Zeit und Ermüdung bedeutend ersparen, der die folgende Einrichtung trifft.

Man fahre, wenn der Wind mäßig und günstig ist, dass heißt, wenn er gemächlich aus Nord, oder Nord-Ost oder Nord-West weht, nach dem großen Fischerdorfe Breege, welches von Arkona wenig mehr als eine Meile entfernt ist, miete dort ein Segelboot und schiffe nach dem gegenüber liegenden Dorfe Vieregge; diese kleine angenehme Wasserreise auf dem milden Binnen-Meere kann bei gutem Winde in einer Stunde vollbracht werden. Ist der Wind nicht günstig, so fahre man mit dem Wagen eine halbe Meile weiter nach dem Dorfe Kammin, wo eine Fähre bis zu dem Dorfe Vieregge ist, auf welcher man, in einem Ruderboote, binnen einer Viertelstunde hinüber kömmt. Da nun weder bei Breege noch bei Kammin der Wagen mit hinüber genommen werden kann, so muss dieser über die gewöhnliche Wittowsche Fähre gehen und mit einem Umwege von etwa anderthalb Meilen, den er unbeladen desto leichter macht, bis zu dem Kirchdorfe Neuenkirchen fahren, wo man ihn zu seiner Zeit wieder trifft. Ist der Reisende nämlich von Breege oder Kammin aus zu Wasser im Dorfe Vieregge angekommen, so mietet er, wenn er des Wanderns ganz ungewohnt ist, oder es durchaus vermeiden will, dort einen Wagen bis zu dem, kaum eine Viertelmeile entfernten Dorfe Neuenkirchen, wo er, wie bemerkt, das eigene Fuhrwerk wiederfindet; sonst, — und es ist auch dem zartesten Fuße sehr möglich das so nahe Ziel zu erreichen, — begibt man sich auf die Wanderung. Kaum eine halbe Viertelmeile von Vieregge gelangt man nämlich zu zwei in der Ebne einsam dastehenden, von Ferne längst erblickten, sehr bedeutenden Anhöhen, zwischen denen der Fahrweg hindurch geht, genannt:

11. Hochhilburg. Es sind dies höchst wahrscheinlich ehemalige Opfer- und Begräbnis-Stätten; und von hier aus genießt man eine der schönsten und reichsten Aussichten Rügens, wenn nicht in mancher Beziehung die schönste, wenigstens bei recht klarem Wetter auf dem nördlichen Teile Rügens die weiteste Übersicht, und welche fast gar nicht gekannt ist. Von dort bis zu dem Dorfe Neuenkirchen, dessen Kirchhof nicht versäumt werden darf, ist wieder etwa eine halbe Viertelmeile und man findet im dortigen Wirtshause eine freundliche Aufnahme. Wenn indes der Wagen angekommen ist, da die schönen Höhen von Hochhilburg Auge und Gemüt gewiss längere Zeit gefesselt haben, fährt man auf einem sehr angenehmen, mehrere hübsche Übersichten zeigenden Wege nach der von dort zwei kleine Meilen entfernt liegenden Stadt Bergen. — Den freien Fußgängern, welche nicht mit der Last eines Fuhrwerkes beladen sind, ist der genannte Ruckweg, der ihnen zwei bis drei Meilen durch flache Landstriche erspart, noch ganz besonders zu empfehlen.

Ist Zeit und Genüge da, so lohnt es sehr, auf einem Umweg von einer halben Meile durch das Kirchdorf Rappin fahrend, die Uferberge von Groß-Banzelvitz aufzusuchen; von dort verfolgt das Auge am allerdeutlichsten das verschlungene Band der beiden schmalen Heiden zwischen Rügen und Jasmund und Jasmund und Wittow, welche man nur hier in der Nähe und Ferne zugleich erblickt. Bei Bergen ersteigt man endlich den
12. Rugard, und genießt hier, zu der Mitte der Insel und dennoch zugleich zu dem Ziele der Wanderung gelangt, das reizende Vergnügen, in dem weiten Umkreise alle die Hauptstellen zu erblicken, an denen man verweilte, und zugleich den Weg zu verfolgen, auf welchem man zu ihnen gelangte. Gegen Abend ist dort die Beleuchtung am schönsten; dann sieht man auch am deutlichsten auf dem fernen Rande des Meeres den Vilm schwimmen und fühlt sich unwiderstehlich eingeladen, zu dem schönen und reichen Seebade Putbus zurückzukehren, was noch an demselben Abend geschehen kann, wenn man nicht etwa den Aufenthalt auf Rügen zu beenden und unmittelbar von Bergen die Reise am folgenden Tage zunächst nach Stralsund fortzusetzen beschlossen hat.

Von Bergen aus kann man auch das am Fuße des Rugard, mitten in der großen Insel liegende, liebliche kleine Eiland Pulitz besuchen, auf welchem es einen eigentümlichen Reiz gewährt zu sehen, wie sich, indem man die Ufer desselben umgeht, die inneren Küsten Rügens zu immer neuen Ansichten aus- und ineinander schieben.

Friedrich-Wilhelms-Bad in Putbus.

Friedrich-Wilhelms-Bad in Putbus.

Ostseebad Binz auf Rügen

Ostseebad Binz auf Rügen

Kreidefelsen auf der Insel Rügen

Kreidefelsen auf der Insel Rügen

Insel Rügen - Königsstuhl

Insel Rügen - Königsstuhl