Mönchgut

In die fernen Wellen tief hinaus
Streckt die Arme Mönchgut sehnend aus,
Weit von Rügens Flur hinweg gezogen
Durch den Strom der ruhelosen Wogen.

Bäume steh'n auf Bergen einzeln nur,
Zeigen hohen Alters graue Spur
Und der Hügel Wogung bringt die Kunde
Dass sie einst gewölbt im Wellengrunde.


Wie ein Kind zu ungekanntem Glück,
Schaut das nackte Land dorthin zurück,
Wo sich frisch die bunten Wälder heben,
Wo sie hoch des Ufers Bucht umgeben.

Stillen Ernstes tiefe Deutung liegt
Auf den Höhen; wo das Feld sich biegt
Schau't in's Land des blauen Meeres Auge,
In der Frau'n und Männer blaues Auge.

Treuer, stiller Einfalt alte Art,
Ward, wie des Gesetzes Pflicht, bewahrt
Hier, am weit entlegnen Meeresstrande,
In der Sitte Brauch und am Gewande.

Spinnend in der Tür, zum Rocken schau't
Ernst die Frau, ihr ward das Haus vertrau't;
An dem Brunnen schöpfen Jungfrau'n schweigend,
Sittig Bild der lieben Vorwelt zeigend.

Und der Vater mit den Söhnen steht
An dem Strand; schau't, ob ein Segel geht
In des Meeres oft durchirrter Weite,
Das zum sichren Hafen treu er leite.

So verschwinden hier am Meer entlang
Einfach - ernst, in stets sich gleichem Gang
Stiller Menschen lange Lebenstage,
Ohne Heiterkeit und ohne Klage.

Hier beschränkt die Einfachheit den Sinn;
Doch wo sie mit edlem Geistgewinn,
Mit der Tat bewegter Welt verbunden,
Ist der Bildung höchstes Ziel gefunden.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Insel Rügen