Arkona

Von Jasmunds Höhen dringt der lange Strand
Zu Wittows fernhin glänzendem Gestade;
Ins Kornbesäte, Fruchtgefüllte Land
Führt öde Bahn auf Meerumschlossnem Pfade;
Doch weit hinaus, gen Nord, mit mächt'gem Ragen,
Am weißen, hochgebognen Ufer, hebt
Sich einsam, in die Fluch hinausgetragen,
Arkonas Wall, der in die Wolken strebt.

In langen, ernsten Zügen ringsumher,
Wohin sich dort und dort das Auge richte,
Rollt endlos, ruhelos das hohe Meer,
Vom Morgenlichte bis zum Morgenlichte;
Hier steht der Fuß, wie in der Wellen Mitte,
Der festen, trägen Erde fast entfloh'n;
Mit höh'rem Klange steigt bei jedem Schritte
Und sinkt und hebt sich neu der Wellen Ton.


Und in dem lauten Wogenrauschen wohnt
Auf nackten Trümmern Todesgleiches Schweigen;
Am Abhang tiefzerrissner Walle thront
Der ew'ge Sturm, dem Fels und Flut sich neigen;
Vom Uferrand zur weißen Brandung schweifen
Die Schwalben, flieh'n in weite Ferne fort
Und mildes Weh und tiefer Ernst ergreifen
Die Seele an dem Sagenreichen Ort.

Wo noch die Walle ragen grün und hoch
Stand einst der Götzentempel, Blutgerötet,
Den Wall und Mauer dreifach steil umzog;
Dort ward der Christ am Opferherd getötet;
Doch kühner Kampf im Kreuzessieg zerstörte
Und roter Flamme schneller Zorn verschlang
Die Stätte, wo der Wahn das Volk betörte
Und heilig scholl der Hymne Freudenklang.

Da zog durchs Land der frommen Zeugen Schar,
Da ward des Mittlers Gnadenwort verkündet,
Gebetet an des Friedens Weihaltar,
In starken Herzen Andachtsglut entzündet;
Da pflanzte in des rauen Volts Gemüte
Sich reiner Liebe seliges Gebot;
Da schloss sich auf des Glaubens heil'ge Blüte,
Zum Leben ward des Heilands Sühnungstod.

Und wie zum Werk der Liebe Gottes Sohn
Auch hier geführt, zur Tat erweckt der Glaube,
Zeigt dieser Fels. — Wo einst nur Schreckenston
Im Meer erscholl bei nächtlich blut'gem Raube,
Glänzt jetzt durch dichte Nacht das Rettungsfeuer,
Wie Himmelsstern, hell leuchtend von dem Turm;
Der Schiffer sieht's und bebt nicht mehr am Steuer,
Dankt Gott und fährt in Ruhe durch den Sturm. —

Schau, wie daher aus hoher, ferner Luft
In Blitzeskraft der Adler kömmt gedrungen,
Auf kühnem Flügel hat durch Morgenduft
Zum Sonnenstrahl er früh sich aufgeschwungen.
Und hell ihm nach aus langem Wolkenzuge
Dringt glänzend Licht, da frei die Bahn er lenkt
Zum Heimatfels im freud'gen Siegesfluge
Und auf des Leuchtturms Kuppe still sich senkt.

Hoch, Preußens Adler, hebe stark und schnell
Um Deutschlands Scheitel Deine mächt'gen Schwingen;
Aus Deinem Flügelschlag lass frei und hell
Das reine Licht der ew'gen Wahrheit dringen;
Und reichgesegnet sey in langem Frieden
Der edle König und Sein Königshaus,
Denn segnend strömt das Glück, das Ihm beschieden,
Sein frommes Herz auf Seine Kinder aus.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Insel Rügen