Verhinderung der Sendung

Die Kaufleute beschlossen ihre in mehrfacher Hinsicht interessante Darlegung, indem sie erklärten, nicht begreifen zu können, weshalb man diese Expedition hindern wolle; dass das Kollegium der Sechziger sich durch anonyme Briefe, falsche Zeitungsartikel und boshafte Gerüchte habe bestimmen lassen, könnten sie aus Hochachtung vor diesem ansehnlichen Kollegio nicht glauben. Sie baten somit, dem Schiffe mit der Ladung den freien Verkehr zu gestatten, und dass „wie überhaupt die Freiheit unserer Handlung nie wieder durch ähnliche Eingriffe beeinträchtiget, so auch insonderheit diese neue Branche derselben nach den Staaten des Kaysers von Marokko uns sowohl als allen andern Nationen hinführe gänzlich frei gestellt werde“.

Diesen Gründen konnte sich auch der Senat nicht verschließen; er trat dem Gesuche der 72 Kaufleute bei und machte dem Kollegium der Sechziger dringende Vorstellungen, die dahin zielten, das Schiff nach Herausnahme der Geschütze mit der übrigen Ladung nach Marokko zu befördern. Das genannte Kolleg ließ sich aber durch diese „bündigsten“ Vorstellungen nicht umstimmen. An die 180er ging der Senat nicht; somit war die Sache erledigt. Lütkens ließ nun das Schiff in Hamburg die ganze Ladung löschen.


Die Kommerzdeputierten erhielten übrigens von französischer Seite noch eine Mitteilung, die für ihre Ansicht sprach. Sie hatten sich an den französischen Geschäftsträger Lesseps gewandt und durch ihn den französischen Hof sondieren lassen, ob derselbe die Expedition des Schiffes von Hamburg nach Marokko wohl übel genommen haben würde. Die Antwort, die Lesseps am 29. August hierauf erteilte, lautete:

„Ma cour m’ordonne sur ce que je lui ai mandé de l’expédition de Mr. Lutkens de ne faire aucune démarche et de laisser le Sénat d'Hambourg se guider dans cette affaire par ses propres lumières et d'après son propre intérêt.“

Die Kommerzdeputierten hofften auch, die Ansicht des russischen und spanischen Hofes über diese Angelegenheit zu erhalten; doch ist fernerhin nicht mehr davon die Rede; der Senat wird diese diplomatischen Erkundigungen sicherlich nicht gern gesehen haben.

Welche Gründe eigentlich obgewaltet haben, die Expedition zu vereiteln, ist nicht klar; Äußerungen der Opposition stehen uns leider nicht zur Verfügung. Wahrscheinlich hat die Erinnerung an die Vorgänge von 1751 — 52 den würdigen Oberalten und Sechzigern noch so lebhaft vorgeschwebt, dass sie es für richtig hielten, diese Sendung zu verhindern. Ob diese Vorsicht berechtigt war oder nicht, wage ich nicht zu entscheiden. Aber charakteristisch ist es, dass ein so harmlos erscheinendes Unternehmen, das von England oder Holland oder Frankreich aus sicher unbeanstandet hätte ausgeführt werden können, scheitern musste in Hamburg. Übrigens weist die Handelsgeschichte dieser Stadt manche ähnliche Vorfälle auf von Unternehmungen und Plänen, die durch ausländische Eifersucht und heimische Ohnmacht zu Grunde gingen; ich erinnere an den Versuch, sich an der Schottischen Compagnie zu beteiligen*), an die Expeditionen der Ostender Compagnie 1731**) u. A. mehr.

*) Meine Beiträge z. Geschichte der Handelsbezieh, zw. Hamb. u. Amerika. (Hamb. 1892) S. 16 ff.

**) Surland , Erläut. Recht der Deutschen nach Indien zu handeln S. 80 ff.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Hansestädte und die Barbaresken