Pessoas Schilderung von Marokko

Was ferner Pessoa, und zwar sehr eingehend, über die Art des Handels europäischer Staaten mit Marokko darlegte, musste die Erwartungen der Hansestädte eher herabdrücken als erhöhen. Den Gedanken, den deutschen Handel auf diesen Teil von Afrika auszudehnen, begrüßte er mit Beifall. Doch machte er auf zahlreiche Bedenken aufmerksam. Marokko war kein Land, das einer Beschäftigung suchenden Reederei Befriedigung verschaffen konnte. Sein Hauptausfuhrartikel war Weizen; nur wenn dieser ausfuhrbereit war, bot sich für Schiffe Befrachtung; sonst selten. Für zufällig ankommende Schiffe gab es nur ausnahmsweise Ladung, weil die dortigen Kaufleute aus Erfahrung wussten, wieviel Schiffe sie brauchten; andere mussten oft leer oder nach 5 — 6 monatlichem Aufenthalt wieder abfahren. Es kam noch Folgendes hinzu: die fremden Waren gaben 15 Prozent Einfuhrzoll, der nicht in barem Gelde, sondern in natura erlegt wurde; und die Bezahlung für die fremden eingeführten Güter erfolgte meist nicht in Geld, sondern in Landesprodukten, ein Tauschgeschäft, das zu einem vorteilhaften für die Fremden zu werden durch einen sehr hohen auf diesen Landesprodukten ruhenden Ausfuhrzoll erschwert wurde. Und weder für Einfuhr- noch Ausfuhrzoll gab es eine feste Taxe, beide schwankten, waren der Willkür der Marokkaner überlassen; jede Rechnung wurde dadurch illusorisch. Waren aber keine Retouren in Landesprodukten zu laden, oder wollte man in Ballast zurückfahren, so pflegte auch die Bezahlung der eingeführten Güter gute Weile zu haben.

Es war denn auch in Marokko seitens der Europäer schon manche bittere Erfahrung gemacht, die Gesellschaft der dänischen Kaufleute, die genuesische Kompagnie nahmen beide ein elendes Ende.


Überhaupt war Marokko unter den damaligen Verhältnissen kein Land, in dem auf einen großen Absatz zu rechnen war. „Diese Nation,“ schreibt Pessoa, „weiß von keiner Pracht; sie kleidet sich mit Zeuge inländischer Fabrik und nähret sich von dem Bau ihrer Felder.“ Der Absatz ausländischer Waren im Lande schätzte Pessoa auf jährlich nicht ganz 500.000 harte Pesos; 10 — 12 Häuser in Amsterdam und eben soviele in Marseille betrieben den ganzen Handel Marokkos*).

Diese Schilderung der marokkanischen Handelsverhältnisse ist für uns um so wertvoller, als sie uns das Relief zu den weiteren Schritten Hamburgs verleiht. Diese ganze Korrespondenz zwischen Stöcqueler und Pessoa hat sowohl dem Senat wie den Kommerzdeputierten vorgelegen. Es verging das ganze Jahr 1779, ohne dass in Hamburg eine Spur von weiteren Anknüpfungen mit Marokko sichtbar wird; aus jener Korrespondenz heraus scheint man keinen Anlass zur Annäherung an dieses Land gefunden zu haben.

*) vgl. hiermit die sich auf Konsulatsberichte stützende Schilderung der marokkanischen Handels Verhältnisse bei Marchesi, Le relazioni tra la Rep. Veneta ed il Marocco dal 1750 al 1797. Rivista storica italiana III S. 65 f.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Hansestädte und die Barbaresken