Paravicinis Befürchtungen

Hamburg war nun am Ziel seiner Wünsche; es hatte seinen Vertrag. Neben dem Kaiser war es der einzige deutsche Reichsstand, der ein Vertragsverhältnis mit einem Barbareskenstaat hatte. Unzweifelhaft war es ein wertvoller Erfolg, den die Stadt errungen hatte; erst durch ihn war sie in die Reihe derjenigen Handelsmächte eingetreten, die für die Mittelmeerfahrt in Betracht kommen konnten.

Mit Unruhe werden die Konkurrenten das Vorgehen und den Erfolg der Stadt betrachtet haben. Jeder neue Friedensschluss eines Raubstaates schuf den Konsuln der andern Staaten Beklemmungen hinsichtlich der Festigkeit und Dauer ihrer mühsam errungenen Verträge. Die Ankunft eines jeden wirklichen oder vermeintlichen Unterhändlers wurde argwöhnisch beobachtet. Als 1745 Hanncken nach Algier gekommen war und erklärt hatte, Kaufhandel treiben zu wollen, hatte der holländische Konsul Paravicini*) sogleich hinter diesem Inkognito bedenklichere Absichten vermutet, nämlich den Plan, für Dänemark oder Hamburg Frieden mit Algier schliessen zu wollen, was ja teil weise richtig war.


Kaum war der hamburgische Vertrag geschlossen, so bemächtigte sich Paravicinis die Besorgnis, dass der Vertrag mit Holland gefährdet sein möchten Er fürchtete, dass der Dey von der Unzufriedenheit seiner Soldaten zu einem Friedensbruch gedrängt werden könnte. Zwar erklärte ein vertrauter Freund dem Konsul, dass der Dey an einen Friedensbruch nicht denke und nur gezwungen von seinen Soldaten sich auf einen solchen einlassen werde, dass aber Holland nicht zuerst an die Reihe käme. Paravicini hielt es doch für gut, dem Dey sogleich seine Aufwartung zu machen; namentlich empfahl aber der Konsul den Generalstaaten, schleunigst recht viele und schöne Geschenke zu schicken. Aus allen seinen Briefen blickt die Furcht, dass die Holländer die Zeche bezahlen müssten. Der Schatzmeister des Dey, so schreibt er, habe geäußert: nun haben wir zwei Beys mehr, die Tribut zahlen (nämlich Dänemark und Hamburg); nun müssen wir brechen mit einem von Denen, die keinen Jahrestribut geben. Und als dann die hamburgischen Geschenke kamen und Ford als hamburgischer Konsul auftrat, meinte Paravicini voll düsterer Ahnung: Nun seien in Algier 7 Konsule und jeder kämpfe dafür, den Frieden seiner Nation möglichst dauerhaft zu machen, wozu er, Paravicini, in Anbetracht seiner geringen Bezüge am wenigsten im Stande sei.**)

Aber nicht an dem hamburgischen Vertrag sollten die guten Beziehungen Hollands zu Algier scheitern; das geschah wenige Jahre später auf andere Weise.

*) An Fagel 13. Sept. 1745. (R. A. Haag.)

**) Paravicinis Briefe vom 1. März, 12. Mai, 9. Juni 1751; 2. Januar 1752; Der schwedische Konsul, so schrieb Paravicini am 1. März 1751, erhalte den Frieden nur durch seine offene Tafel und die großen Geschenke.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Hansestädte und die Barbaresken