Marokkanisches Dekret von 1777

Inzwischen hatte die Europa-Begeisterung des Kaisers von Marokko ihren Gipfelpunkt erreicht; als solchen lässt sich wohl das von ihm am 20. Dezember 1777 erlassene Dekret bezeichnen. Dieses Dekret, das an alle europäische Konsuln gesandt wurde, war des Inhalts : dass er von diesem Tage an den Russen, Maltesern, Sardiniern, Preussen, Neapolitanern, Ungarn, Livornesen, Genuesen, Deutschen und Amerikanern freien Zutritt in seine Häfen und Verproviantierung daselbst gestatte, und dass er seinen Korsaren befohlen habe, die Schiffe der genannten Nationen frei passieren zu lassen; auch sollten sie alle Privilegien der Nationen gemessen, mit denen der Kaiser in Frieden lebe*)

Dies war ja eine Maßregel von außerordentlicher Bedeutung. Aber Leute, die die marokkanischen Angelegenheiten genau kannten, betrachteten diesen Schritt doch sehr skeptisch.


Konsul Stöcqueler hatte, veranlasst durch den hamburgischen Senator Caspar Voght, durch einen Brief vom 4. Mai 1778 den portugiesischen Konsul in Mogador Bernardo Simoes Pessoa um Auskunft gebeten. Pessoa bestätigte, dass jenes Dekret erfolgt sei, bemerkte aber zugleich, dass es durch den holländischen Vize-Konsul Webster Blount geschrieben und unterzeichnet worden; die Form sei nicht die in Marokko landesübliche; Leute, die den Unbestand der menschlichen Dinge in Betracht zögen, hätten deshalb die Frage aufgeworfen, ob Schiffe und Kapitalien von Nationen, die mit Marokko keinen vertragsmäßigen Frieden geschlossen, mit hinlänglicher Sicherheit jeder Zeit in die marokkanischen Häfen kommen könnten. Jedenfalls sei das sehr zweifelhaft, nicht sowohl wegen des Kaisers, sondern wegen der Schikanen seiner Untergebenen. Pessoa konnte sich nicht einmal entschließen, eine authentische Abschrift des Dokuments einzusenden, aus Besorgnis, es möchten daraus Irrungen und Nachteile entstehen; vielleicht, so meinte er, sei nicht einmal mehr eine Abschrift des Originals vorhanden; Register oder Protokoll gebe es hier zu Lande nicht.

Da die Hansestädte ausdrücklich nicht in dem Dekret genannt waren, wünschte Stöcqueler, dass eine Erklärung erfolgen möge, wonach die hanseatische Flagge zu Deutschland gehöre. Dies zu verlangen sei, wie Pessoa meinte, mit Unbequemlichkeiten verknüpft; auch sei es nach dem System einer despotischen Regierung überflüssig. Übrigens verlieh er in einem Briefe vom 8. September, ohne doch sein Urteil über den Wert oder Unwert des Dekrets abzuändern, seiner Überzeugung Ausdruck, dass jedes Schiff, nicht nur von Malta, sondern auch Hamburg, Danzig und Civita-Vecchia, in den vornehmsten Handelshäfen von Marokko sehr gut würde aufgenommen werden.

*) vgl. im Allgemeinen Herrmann, a. a. O. S. 109. sonst nach den Prot. Dep. Com.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Hansestädte und die Barbaresken