Hamburgs Neigung zu Verhandlungen

Im Mai 1834 hörte mau plötzlich, dass Marokko gegen die hamburgische Flagge kreuzen wolle und auch gegen Neapel rüste. Der neapolitanische Konsul in Tanger versprach seit Jahren die Entrichtung des Tributs, ohne dass sie erfolgte. Nun fiel es dem Kaiser ein, den Konsul zu arretieren; er rettete sich nur durch die Flucht.*)

In den Hansestädten, wie auch in England, wo Colquhoun sich amtlich erkundigte, war man der Ansicht, dass der Waffenstillstand zwischen den Städten und Marokko noch bestehe. Hay hatte Mangels Instruktionen auch nichts getan, was zur Herbeiführung eines wirklichen Friedens dienen konnte. Die nun auftretenden beunruhigenden Nachrichten hatten zur Folge, dass in Hamburg wieder ernsthaft an einen Frieden mit Marokko gedacht wurde. Der Senat ging von dem Gesichtspunkte aus, „dass auch noch in jetziger Zeit ein Friedensschluss mit den Barbareskenstaaten, in specie aber mit Marokko, gegen pecuniaire Opfer ratsam sein möchte.“ Doch wollte man nichts, übereilen und vorläufig nur eine Erörterung über die Tributrückstände anregen. Colquhoun sollte sich nach der Meinung der englischen Regierung erkundigen.**)


Lübeck und Bremen waren durchaus gegen irgendwelche Anknüpfung von Verhandlungen; an den Ernst der Feindseligkeiten wollte man nicht glauben.***) Dagegen wies Hamburg auf die in seinem Raubsystem unveränderte Stellung Marokkos hin; dies System war jetzt für die Hansestädte noch gefährlicher, als seit 1830, wenn auch nicht viele, so doch immerhin mehrere Schiffe unter hanseatischen Flaggen das Mittelmeer befuhren.

In einem interessanten Schreiben****) an Syndikus Curtius erörterte Amsinck die Gründe, die gegen und für einen durch Geldopfer zu erkaufenden Frieden mit Marokko sprächen. Gegen einen solchen Kauf sei die öffentliche Meinung, die solchen Abmachungen jetzt abgeneigt sei; es würde als unerfreulicher Rückschritt betrachtet werden. „Aber was helfen solche Ansichten, wenn die Philanthropie nicht so weit geht, um auch den Schwachen zu schützen, und wir bei allen schönen Worten am Ende der leidende Teil sein sollen!“ Amsinck deutet auf Österreich und Neapel hin, die noch kürzlich einen Frieden von Marokko für Geld erkauften; der Unterschied gegen früher sei nur, dass jetzt die Form möglichst gewahrt werde. Trotzdem gebiete die Klugheit, solchen Kauf möglichst zu vermeiden. Namentlich dürfe man England nicht verstimmen.

Alle diese Erwägungen erwiesen sich schließlich als hinfällig, da beruhigende Nachrichten einliefen. Allerdings hatte der Kaiser von Marokko Befehl zur Ausrüstung von Kapern gegeben; doch zeigten sich diese als nicht seetüchtig-, auch wurde der Konflikt mit Neapel schnell beigelegt; endlich drohte die Cholera. Dennoch warnte Hay vor den Riffpiraten, die der Kaiser selbst nicht im Zaum hatte, und vor den Launen des Kaisers. Noch am 5. November 1834 beschloss die lübische Kommission für Handel und Schifffahrt: es sei „möglichst zu temporisiren und eintretendenfalls sich dem anzuschließen, was Hamburg seinem Interesse gemäss achten werde, und im Fall einer zu verabredenden, jedenfalls durch gemeinschaftliche Übereinkunft festzusetzenden Zahlung auf möglichste Minderung der Summe Bedacht zu nehmen.“

Man stand also dem Gedanken einer durch Geld zu erwerbenden Übereinkunft sogar in dem am wenigsten beteiligten Lübeck selbst damals noch immer nicht ganz fern.

*) Pauli in Kopenhagen an Gütschow 2. Juni 1834.

**) Senatsprot. 26. Mai 1834.

***) Heineken an Curtius 17. Mai, Curtius an Amsinck 24. Mai.

****) 28. Mai 1834.




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Hansestädte und die Barbaresken