Der Lütkens‘sche Auftrag für Marokko

Im Mai des Jahres 1770 erhielt der Hamburger Kaufmann Nicolaus Gottlieb Lütkens*), ein sehr angesehener und verdienstvoller Mann, von Lissabon die Ordre eine Anzahl von Kanonen, Tauwerk, Holz und sonstigen Schiffsgerätschaften**) in Hamburg zu kaufen bezw. anfertigen zu lassen und dann nach Salé und Mogador zu verladen. Ausdrücklich war bei diesem Auftrag bemerkt, dass, wenn Lütkens ihn nicht von Hamburg aus erfüllen könnte, er ihn Jemandem in Amsterdam übertragen sollte.

Lütkens, in der Anschauung, dass es wichtig sei, diesen nicht unbedeutenden Auftrag Hamburg zu erhalten, führte ihn aus. Er machte auch öffentlich kein Hehl daraus, dass er eine „Commission“ habe, „welche zum Vorteile unserer Handwerker zum ersten Mahle hieher gekommen sey“ . Die Befrachtung wurde abgeschlossen mit einem holländischen Schiffe, dass die genannten Güter von Hamburg nach jenen afrikanischen Häfen führen und von dort Getreide nach Lissabon laden sollte: Alles für 5.500 holl. Gulden. Die Kanonen waren in Hamburg gegossen, das Tauwerk hatten hamburgische Reepschläger, die Anker, Fässer usw. hiesige Handwerker verfertigt; das Übrige war in Hamburg eingekauft.


Alles war in bester Ordnung; die Kanonen schon verzollt, dem Sachverhalt entsprechend, mit der Angabe von Mogador als Bestimmungsort. Da ließ am 11. Juli der Senator Ritter Lütkens zu sich rufen und stellte ihm vor: Russland und Frankreich möchten „Ombrage[Verdacht] fassen“ , wenn sie erführen, dass von hier aus Kanonen nach einem marokkanischen Hafen geschickt würden; er riet Lütkens, die Kanonen wieder zu löschen.

Nun stand Marokko mit Frankreich, Spanien, Portugal, England, Holland, Dänemark, Schweden im Vertragsverhältnis, zu Russland hatte es kaum Beziehungen, jedenfalls standen beide nicht im Kriegszustand. Auch ging die Ladung für portugiesische Rechnung; die niedrige Assekuranz-Prämie von 1½ Prozent auf die Kanonen, die von Lütkens in Amsterdam bezahlt wurde, bewies, dass die dortigen Assekuradeure weder eine Anhaltung des Schiffes noch der Kanonen besorgten. Dies stellte Lütkens dem Senator vor, versprach aber, entweder die Kanonen herauszunehmen oder die Bestimmung des Schiffs zu verändern, und wählte schließlich letztere Alternative; Lissabon wurde auf den Zollzetteln als Bestimmungsort angegeben; damit waren auch die Assekuradeure einverstanden.

*) Er wurde 1771 Senator und starb 1788; vgl. über ihn Hamb. Schriftstellerlexikon IV. 601. In dem von ihm dem Druck übergebenen „Promemoria an E. Hochlöbl. Kollegium der Herren Sechziger abseilen meiner Nicolaus Gottlieb Lütkens“ sind einige der wichtigsten Aktenstücke in dieser Angelegenheit Abgedruckt

**) Vollständig in dem Promemoria S. 8.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Hansestädte und die Barbaresken