Die norddeutschen Städte und ihre Einungen bis um 1300.

Auf dem Gebiete mittelalterlicher Geschichte hüllen sich die ersten Anfänge späterer Entwicklungen nur allzu oft in geheimnisvolles Dunkel; des Baumes mit seinem weitverzweigten Geäst und seinem schattigen Laubdach mag man sich erfreuen, von dem Samenkorn, aus dem er erwuchs, dringt wenig oder keine Kunde zu uns. Mag man die mangelnde Schreiblust früherer Jahrhunderte, die zu Aufzeichnungen weder große Neigung noch Befähigung besaßen, und die Ungunst der zerstörenden Zeit verantwortlich machen, oder mag man mit nicht minderer Berechtigung in dieser Sachlage ein Zeichen erblicken, dass die Gebilde des Mittelalters hervorwuchsen aus dem unmittelbarsten Bedürfnis, dass die in der Neuzeit so übermächtig eingreifende Theorie wenig schöpferische Kraft bewies, auf alle Fälle ist es für den forschenden Historiker ein unbefriedigendes Gefühl, seine Untersuchungen mit dem Resultat abschließen zu müssen, dass es nicht möglich ist, die Anfänge mancher Entwicklungen klar zu legen.

Dem Forscher nach Art und Entstehung des ersten Zusammenschließens unter den norddeutschen Städten, das will sagen, nach dem Ursprung der Hanse, bleibt das gleiche unbefriedigende Gefühl nicht erspart. In den Kämpfen, die den Mittelpunkt der Darstellung in diesem Buche zu bilden bestimmt sind, tritt uns der Bund der norddeutschen Städte schon in weitgediehener Entwicklung entgegen, wird durch sie zum Abschluss gebracht; auf dem Wege dahin aber vermögen wir nur Stationen zu erkennen, die uns verschiedene Stadien der Entwicklung zeigen. Doch sind wir genügend unterrichtet, um uns Wesen und Grundgedanken derselben klar machen zu können. Dass die Hanse ihre Entstehung dem Zusammenwirken zweier ursprünglich von einander unabhängiger Erscheinungen verdankt, ist sicher: es sind die Verbindungen deutscher Kaufleute im Auslande und die Bündnisse und Einungen norddeutscher Städte unter einander.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Hansestädte und König Waldemar von Dänemark.