Deutschland und Dänemark bis gegen Ende des 13. Jahrhunderts.

Gar zu leicht ist man geneigt, die von der Neuzeit herausgebildete Scharfe der nationalen Gegensätze in das Mittelalter zu übertragen und die Geschichte zweier Nachbarvölker allein aus dem Gesichtspunkte der Nationalitätenfrage zu betrachten. Ist das gerechtfertigt, wo neben dem nationalen Gegensatz noch ein religiöser die Kluft zwischen zwei Völkern erweitert, wie in den Kämpfen zwischen den christlichen Deutschen und den heidnischen Slaven, Preußen und Liven, so ist doch eine solche Auffassung durchaus nicht zulässig, will man z. B. das Verhältnis zwischen Deutschen und Dänen im Mittelalter in seinem Wesen erkennen. Jede unbefangene Betrachtung lehrt, dass in erster Linie ganz andere Kräfte als nationale Beweggründe wirksam waren in dein Kampf der politischen Gewalten, so nahe es für uns auch liegen mag, die letzteren als Hauptfaktoren der Bewegung zu vermuten *).

*) Vgl. für das folgende Waitz , Schleswig-Holsteins Geschichte; Dahlmann, Geschichte von Dänemark; Usinger, deutsch-dänische Geschichte.


Um die Zeit, da das Volk der Dänen durch den Zusammenstoß mit den vordringenden Franken zuerst in ein helleres historisches Licht tritt, finden wir es im Besitz der ganzen jütischen Halbinsel bis herab gegen die Eider; nur an der Westküste Schleswigs hatte sich der deutsche Stamm der Friesen behauptet. Südlich der Eider, in den Gauen der Stormarn, Holsten und Dithmarschen saßen die nordalbingischen Sachsen. Durch Karl den Großen dem Christentum gewonnen hatten sie, so lange die Dänen noch Heiden waren, gegen diese nicht weniger hart zu kämpfen, als gegen ihre östlichen Nachbarn, die Wenden Wagriens. Hamburg wurde 845 von den Dänen zerstört, das neugegründete Erzbistum, das recht eigentlich der Bekehrung der Heiden obliegen sollte (legatio gentium, quod primum est Hammaburgensis ecclesiae officium, sagt Adam von Bremen), musste rückwärts an die Weser nach Bremen verlegt werden. Eine um die Mitte des 9. Jahrhunderts in dem Lande zwischen Eider und Schlei erwähnte Mark hatte keinen Bestand. Erst unter den sächsischen Kaisern gelangten die Deutschen im Norden der Elbe wieder zu Macht und Ansehen. Heinrich I. begründete aufs Neue und fester die Mark gegen die Dänen. Unter seinem Sohn und Nachfolger Otto dem Großen mussten die Dänen die Errichtung von Bistümern auf ihrem Gebiete gestatten, zu Schleswig (ihrem Fürstensitze Hethaby, dem alten anglischen Sliaswic oder Sliasthorp), zu Ripen und Aarhuus. Doch gelangte das Christentum zur vollständigen Durchführung in Dänemark erst durch Knud den Großen (1014—1035).

Dieser tiefgreifenden Umwälzung in dem nordischen Nachbarreiche folgen anderthalb Jahrhunderte friedlichen Zusammenlebens der beiden Völker, gemeinschaftlichen Kampfes gegen die heidnischen Slaven. Einmal zum Christentum bekehrt erschienen die Dänen dem deutschen Reiche und seinen Kaisern kaum noch als ein fremdes Element Die deutsche Mark jenseits der Eider wurde von Kaiser Konrad II. dem Dänenkönige Knud dem Großen überlassen; Lothar belehnt einen dänischen Prinzen, den Herzog Knud Laward von Schleswig, mit dem Slawenreich Heinrichs. Im Bunde mit Heinrich dem Löwen vernichtete Waldemar der Große die letzten Überreste slawischen Heidentums in den Landen zwischen Elbe und Oder.

Das Verhältnis trat in eine neue Phase der Entwicklung, als mit dem Sturze Heinrichs des Löwen (1181) die sächsische Herzogsmacht zerfiel. Nicht ohne die Hilfe des rivalisierenden Dänenkönigs benutzt zu haben, hatte Kaiser Friedrich den Löwen bezwungen; es war natürlich, dass die Hilfe nicht geleistet war ohne Hoffnung auf Gewinn und die Verhältnisse versprachen dieser Hoffnung baldige Erfüllung. Der neue Herzog von Sachsen, Bernhard aus dem askanischen Hause, Sohn Albrechts des Bären, war nur ein Schatten seines Vorgängers. An allen Enden hatte man seine Herrschaft arg beschnitten. Im Osten waren die pommerschen Fürsten zu Herzogen und Reichsfürsten erhoben, im Westen in Westfalen dem Erzbischof von Köln die Herzogsrechte übertragen worden. Die überelbischen Bischöfe (zu Lübeck, Ratzeburg, Schwerin), bisher von Herzog Heinrich investiert, wollten, wie alle andern im Reiche, direkt unter dem Kaiser stehen und verweigerten die Huldigung; ebenso machte es der mächtigste der nordalbingischen Fürsten, Graf Adolf III. von Holstein. Das blühende Lübeck war trotz treuer Anhänglichkeit an seinen welfischen Wohltäter„wegen des Vorteils seiner Einkünfte und weil es an der Greuze des Reiches gelegen war von Kaiser Friedrich in seinen unmittelbaren Schutz genommen und aus einer herzoglichen in eine kaiserliche Stadt verwandelt worden. Und dazu besaß der neue Herzog nur geringe Hausmacht. Kein Wunder, dass Arnold von Lübeck in die Worte ausbricht: „In jenen Tagen war kein König in Israel, sondern Jeder tat, was in seinen Augen recht schien".

Dieser Zersplitterung stand nun das Dänenreich in geschlossener Einheit und jugendkräftig gegenüber. Dort war die Grundlage der Macht noch die Gesamtheit der freien angesessenen Bauern; die Gewalt war bei diesem Stande, der das Volk ausmachte. König Waldemar und sein großer Kanzler hatten verstanden, die in dieser Masse schlummernden Kräfte zu wecken und zu einigen, sie in kühnen, gewaltigen Kriegszügen gegen den slawischen Erbfeind zu Sieg und Ruhm zu führen. Das für den Seekrieg von jeher hochbegabte Volk herrschte mit seiner Flotte unbedingt auf dem baltischen Meere, als die Macht des Löwenherzogs in den Staub sank. Und mit ihrer Kraft wuchs den Dänen das Bewusstsein derselben. Durch Jahrhunderte hatten ihre Könige die Oberhoheit der deutschen Kaiser anerkannt, auch Waldemar der Große hatte, als er mit seiner Flotte dem Kaiser Lübeck belagern half, diesem gehuldigt, durch Verlobung seiner Tochter mit des Kaisers Sohn, Friedrich von Schwaben, den Bund befestigt. Sein Sohn und Nachfolger Knud VI. aber verweigerte die Huldigung, schickte dem Kaisersohne die verlobte Schwester fast ohne Mitgift, so dass sie von Friedrich zurückgesandt wurde. Es war eine Macht im Norden erstanden, die bereit war, jede Gelegenheit zu ergreifen, um ihre Herrschaft über die südlichen Nachbarländer, über die durch deutschen Fleiß aufblühenden Gebiete am inneren Winkel der Ostsee auszudehnen.

Dieser Macht gegenüber aber fehlten nach dem Sturze Heinrichs des Löwen die Elemente für einen genügenden Widerstand. Vom Reiche war Nichts zu erwarten: Die italienischen Verhältnisse und der Kreuzzug Friedrich Barbarossas, die hochfliegenden Pläne Heinrichs VI., der heftige Kampf zwischen Philipp von Schwaben und Otto von Braunschweig ließen nicht an eine Deckung der Nordgrenzen, an ein Erzwingen der verweigerten Huldigung denken. So blieb das Abwehren der vordringenden dänischen Macht den angrenzenden Territorialherren überlassen, die ohne einigenden Mittelpunkt sich zu keinem zusammenhängenden Widerstande aufschwangen. Von einer nationalen Fassung ihrer Aufgabe ist bei ihnen kaum eine Spur zu entdecken. Im Gegenteil: die Furcht vor der wiederauflebenden welfischen Macht, welche die kaum errungene Selbständigkeit bedrohte, wirkte lahmend; dazu fiel die festeste Stütze des Deutschtums in den nordalbingischen Landen, die Grafschaft Holstein, untergraben durch ihren eigenen Adel.

Kaum irgendwo sonst in deutschen Landen war die altgermanische Verfassung so treu bewahrt worden wie bei den Sachsen Nordalbingiens. Neben der Grafengewalt, die in Stormarn und Holstein die sächsischen Herzoge, in Dithmarschen die Grafen von Stade ausübten, hatte sieh die im 12. Jahrhundert in einem Geschlechte erbliche Würde des Landesältesten (Overboden) an der Spitze eines zahlreichen Landesadels in großer Unabhängigkeit erhalten. In den blutigen unablässigen Grenzkriegen mit den Slaven war eine raue, wilde, freiheitsliebende, aber unbändige Bevölkerung herangewachsen, in welcher sich der Ritter wenig unterschied von dem freien, Heeresfolge leistenden Bauern. Beide nahmen das Hecht des „freien Gefolges" in Anspruch, der freien Wahl, ob sie sich dem Aufgebot des Grafen oder des Landesherrn anschließen wollten; wie in den Zeiten des Tacitus bei allen Germanen gab es in Holstein im 12. Jahrhundert ein Volkland. Die Schauenburger, seit 1110 aus den Bergen der Weser in die nördlichsten Gaue des Reiches versetzt und von Herzog Lothar mit den Grafenrechten belehnt, hatten einen schweren Stand zwischen Slawen, Dänen und dem trotzigen Mut der Holsten. Es bedurfte der ganzen Energie dieses begabten Geschlechts, um im Lande festen Fuß zu fassen; wiederholt musste Heinrich der Löwe ordnend eingreifen. Als diesem der Untergang drohte, der Schauenburger Graf Adolf III. von ihm abfiel, um frei zu werden von der Obergewalt der sächsischen Herzoge, entwich ein großer Teil des holsteinischen Adels, der Overbode Marquard an der Spitze, über die Eider zum Dänenkönige, unterhielt von dort aus eine geheime Verbindung mit den daheim gebliebenen Genossen. Dazu kam, dass Graf Adolf III., wie es scheint, die Kraft seines Landes in unnützen Unternehmungen und übermäßigem Aufwände unbedacht vergeudet hatte. Sein Widerstand konnte König Knud nicht aufhalten. Im Jahre 1200 musste Adolf Rendsburg, den Schlüssel seines Landes, den Dänen überlassen, im folgenden Jahre eroberten diese fast das ganze Land. Ein Versuch, dasselbe wiederzugewinnen, kostete dem Grafen seine Freiheit „Die Dänen aber, als sie die Gefangenschaft ihres Feindes erfahren hatten, verkündeten dieselbe in allen Städten und Flecken, wie die Philister es zur Zeit Sauls gemacht hatten, Allen zum Beifall und zum Frohlocken".

Schon vorher waren die slawischen Fürsten des Ostens, der Herzog von Pommern und die Fürsten von Mecklenburg, gezwungen worden, ihr Land vom dänischen Könige zu Lehn zu nehmen. Adolf von Dassel, des Schauenburgers Freund, verlor seine Grafschaft Ratzeburg an einen dänischen Lehnsmann, Graf Albert von Orlamünde, Schwestersohn des neuen Königs Waldemars des „Siegers." Auch das „berühmte" Lübeck fand nicht die Kraft Widerstand zu leisten. Waldemar wusste, dass sein Name weithin „getragen werden würde, wenn er über eine solche Stadt herrsche". „Ringsum stand ihm das Land offen; weder zur See noch zu Lande konnten die Lübecker Eingang oder Ausgang haben." Ein Angriff der Dänen auf die an der schonenschen Küste mit dem Heringsfang beschäftigten Bürger bestimmte die Stadt endlich, sich gegen Bestätigung ihrer alten Rechte und Freiheiten dem fremden Könige zu ergeben. Als dann im Jahre 1214 auch die Schweriner Grafen diesem huldigten, erstreckte sich seine Herrschaft ununterbrochen von der Elbe bis zur Oder. Deutschland war von der Ostsee ausgeschlossen. — Und selbst westlich über die Elbe dehnte Waldemar seine Macht aus. Im Jahre 1208 erbaute er Hamburg gegenüber die Harburg und überbrückte die Elbe, und noch in demselben Jahre empfing der Bremer Erzbischof Burchard von Stumpenhusen vom dänischen Könige die Investitur. Ja selbst die kaum gegründeten deutschen Kolonien am fernen Ufer der Düna wurden von den Dänen bedroht, als sie im nächsten Jahrzehnt in Estland festen Fuß fassten *). Die Ostsee schien ein dänisches Binnenmeer werden zu sollen.

*) Vgl. Hausmann, das Ringen der Deutschen und Dänen um den Besitz von Estland bis 1227; Herm. Hildebrand, die Chronik Heinrichs von Lettland S. 107 ff.

Es ist außerordentlich charakteristisch für die Lage des Reichs und für die Reichspolitik der Zeit, aber glücklicherweise für die tatsächliche Entwicklung von untergeordneter Bedeutung geblieben, dass um die Scheide der Jahre 1214 und 1215 zu Metz der jugendliche König Friedrich II. dem Herrscher der Dänen alle Eroberungen jenseits der Elbe und Eide und in Slawien bestätigte und die Ansprüche des Reichs auf jene Länder für alle Zeiten aufgab. Denn so wenig die Reichsgewalt gehindert hatte, dass im Norden deutsche Kräfte fremder Herrschaft dienstbar wurden, so wenig vermochte ihr bloßes Wort jetzt die Fremden in ungestörtem Besitz ihrer Eroberungen zu erhalten. Mit dem Schwerte mussten die Dänen behaupten, was sie mit dem Schwerte erworben hatten; als die Gewalt gegen sie entschied, war es auch um ihre Herrschaft geschehen.

Schwer hat die Hand der Dänen auf den Deutschen gelastet Die holsteinischen Adelsgeschlechter und freien Bauern fühlten nicht weniger den Druck als die Landesgemeinde der Dithmarschen und die Bürger Lübecks, als die Fürsten der mecklenburgischen und pommerschen Lande. Es bedurfte nur eines Anlasses, um alle Kräfte von der Oder bis zur Elbe und zum Weserstrome gegen den gemeinsamen Feind zu vereinigen. Die verwegene Tat des Grafen Heinrich von Schwerin , der in der Nacht vom 6. zum 7. Mai 1223 auf der kleinen Insel Lyoe an der Küste von Fünen den König Waldemar mit seinem schon gekrönten Sohne gefangen nahm, lieferte den Zünder, der den aufgehäuften Brennstoff in Flammen setzte. In einer einzigen unglücklichen Nacht verlor Waldemar der Sieger die Früchte 30jähriger blutiger Arbeit. Denn nur um ein ungeheures Lösegeld und um das Versprechen, alle Länder diesseits der Eider, das alte Besitztum Rügen ausgenommen, wiederherauszugeben, erlangte er seine Freiheit zurück, als die Unterworfenen größtenteils die Gelegenheit schon benutzt hatten, die dänische Herrschaft abzuschütteln. Das Reich hatte sich, wenig eingedenk der vor Metz gegebenen Zusage, mit weitgehenden Ansprüchen in die Unterhandlungen mit dem gefangenen Könige eingemischt.

Vergebens hat Waldemar, zum Bruch seines Eides vom Papste autorisiert, versucht, das Verlorene wiederzugewinnen. Auf der Heide bei Bornhöved, dem Sitze des Overboden und seines Geschlechts, dem Orte der holsteinischen Landesversammlung, erlagen an einem heißen Julitage des Jahres 1227, es war Maria Magdalenentag, die Dänen den vereinigten Waffen der norddeutschen Fürsten. Bürger und Bauern. „So wurden an dem Tage die Lande erlöst aus der Dänen Gewalt, des sie alle Gott loben und preisen und dazu die heilige Maria Magdalena", ruft der lübische Chronist aus *). In seiner Vaterstadt und in Hamburg stiftete man Klöster zu Ehren der Heiligen, die in der Schlacht über den Reihen der Deutschen geschwebt, sie mit ihrem Gewände vor den ermattenden Strahlen der Julisonne geschützt hatte. — Nie hat die dänische Macht die verlorene Höhe wieder zu erreichen vermocht.

*) Detmar bei Grautoff 1, S. 106 zu 1228: Also wurden des daghes de lant gheloset van der Denen wolt, des se alle Gode pheven lof unde ere unde dot jummer mere, darto der werden sunte Marien Magdalenen.

An Versuchen dazu hat es im 13. Jahrhundert nicht gefehlt. Das Bestreben, das reiche, mächtige Lübeck dem Reich zu entziehen und zu einer holsteinischen Stadt zu machen, hat sogar den Schauenburger Adolf IV. wenige Jahre nach der Schlacht von Bornhöved zu einem Bündnisse mit Waldemar gegen die deutsche Stadt gebracht. Aber zu Erfolgen hat das nicht geführt. Immer mehr sinkt im 13. Jahrhundert die Kraft Dänemarks. Um die Mitte desselben finden wir die deutschen Waffen mitten im Lande. Odense wird niedergebrannt, das kaum erstehende Kopenhagen legen die Lübecker zugleich mit seiner Burg in Asche. Gerade in der übermäßigen Machtentfaltung des kleinen Staates lagen die Keime des Verfalles. Um stets eine kriegsgewohnte und kriegslustige Schar zur Verfügung zu haben, hatte man auch in Dänemark die Ausbildung eines Lehnsadels begünstigt, der bald ansehnliche Güter in seiner Hand vereinigte und dem Stande der freien Bauern, auf dem dereinst die Kraft des Landes geruht hatte, allmählich jede politische und militärische Bedeutung raubte. In heftigen, blutigen Aufständen suchte dieser vergebens sich des ungewohnten Druckes zu erwehren und die alte Stellung zu behaupten. Dazu kam die Unsitte, jüngere oder natürliche Söhne des Königs mit beträchtlichen Teilen des Reichs zu belehnen, die gar bald anfingen, in den Familien der Belehnten mehr oder minder erblich zu werden: in einem Lande, dessen Bevölkerung von Alters her zu innerem Zwist und Bürgerkriegen geneigt war, ein gefährlicher Brauch. Denn an ehrgeizigen Königssöhnen fehlte es selten. Es ist bezeichnend, dass von den Söhnen und Enkeln Waldemars keiner, der den Thron bestieg, eines natürlichen Todes starb. Langjährige Streitigkeiten mit den anspruchsvollen Lundener Erzbischöfen und der Geistlichkeit vermehrten noch diese inneren Wirren.

Am verhängnisvollsten für die Entwicklung Dänemarks in den nächsten Jahrhunderten ist aber das Herzogtum Südjütland (Schleswig) und seine allmähliche Loslösung vom Gesamtreiche geworden. Schon lange war es Sitte gewesen, gerade diesen Landesteil jüngeren Prinzen zur Verwaltung zu übertragen; einzelne unter ihnen, wie Knud Laward, hatten es dort zu einer sehr selbständigen Stellung gebracht. Im Jahre 1232 erhielt ihn Abel, der zweite der damals lebenden Söhne Waldemars des Siegers. „Er erniedrigte das Reich mit Hilfe der Deutschen mehr als es sein Vater je erhöhte", sagt Detmar, und in der Tat sollte seine Verbindung mit Mechthild, der Tochter Adolfs IV. von Holstein, der Anlass werden, dass Schleswig mehr als zwei Jahrhunderte in seiner Familie blieb und endlich ganz mit Holstein vereinigt wurde, ja dass das Dänische Reich selbst zeitweilig dem Einflüsse der Holsteiner zu erliegen schien. Nicht ganz mit Unrecht datiert ein von lebhaftem dänischen Patriotismus erfüllter Zeitgenosse, der Annalist des Ruhklosters in Schleswig, von diesem Ereignisse und vom Tode Waldemars an (1241) das Unglück Dänemarks. „Denn von jenem Tage an fehlte nie der innere Krieg in Dänemark zwischen den Königen und den Herzögen auf Anstachelung der Grafen, die immer das Böse Dänemarks suchen." „Mit Waldemars Tode fiel wahrlich die Krone vom Haupte der Dänen. Denn seit seiner Zeit sind sie, inneren Kriegen und gegenseitiger Vernichtung überlassen, allen Völkern umher lächerlich geworden". Die Verbindung der Herzöge von Schleswig mit dem holsteinischen Grafengeschlechte schaffte jenen für Befriedigung ihrer Unabhängigkeitsgelüste stets bereite Helfer, diesem, da die Grenze weiter hinaus geschoben wurde, einen erwünschten Schutz gegen dänische Angriffe. Immer mehr neigte sich Süd-Jütland den Holsteinern, Deutschland zu; der Bischof von Schleswig ließ sich vom bremischen Erzbischof weihen. Der Umstand, dass schon damals das Herzogtum zweisprachig, zum Teile von Deutschen bewohnt war, gab diesem Vorgange eine innere Berechtigung, die auch allein die Festigkeit und Dauer der damals noch durchaus neuen Verbindung mit dem deutschen Nachbarlande erklären kann.

Trotz dieser für die Dänen ganz und gar ungünstigen Entwicklung der Dinge hat 100 Jahre nach Knud und Waldemar doch noch einmal einer ihrer Könige Pläne gehegt, die nach neuer Verwirklichung der auf dem Schlachtfelde von Bornhöved zerstörten Herrschaftsträume strebten. Die Versuche Erich Menveds sind nur eine schwache Nachahmung der Taten seiner waldemarischen Vorfahren, aber die politische Lage Transalbingiens begünstigte sie so sehr, dass einen Augenblick ähnliche Erfolge ihnen zu winken schienen. Da tritt ein neuer Faktor in dem Leben jener Lande in den Vordergrund — die Städte.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Hansestädte und König Waldemar von Dänemark.