Zweite Fortsetzung

Der ebenso kriegskundige als staatskluge Herzog aber wies alle diese Dränger; zu denen noch die pommerschen hinzukommen, siegreich zurück und zwang sie zum Frieden. — In diesem Gewirre ringsum aufstehender Gegner mochte dem Reichsrat ein baldiger Friede mit den Städten als die nächste und rettende Zuflucht erscheinen; sie waren die wenigst prätensiösen Feinde und dabei die stärksten; und für ihre Bereitwilligkeit, auf einigermaßen für Dänemark erträgliche Bedingungen abzuschließen, bürgte schon ihr eignes merkantiles Friedensbedürfnis. Bereits im ersten Kriegsjahre machte es sich bemerkbar, und das zweite durchzog eine Reihe von Verhandlungen, die im August zur Konzeption der hauptsächlichen Friedensbedingungen führten und am 21. Oktober offenbar ihren wenigstens vorläufigen formellen Abschluss finden sollten. Allein waren die Städte auch aus allen 3 Abteilungen der Konföderation in auskömmlicher und beschlussfähiger Zahl erschienen, so verhinderte ungünstiges Wetter die Herüberkunft einer ausreichenden Anzahl dänischer Gesandten, und musste sich daher die Versammlung darauf beschränken, die Zeit durch fleißige Beratung der städtischen Angelegenheiten auszufüllen; es ist ein inhaltreicher Rezess, der sie registriert. Er zeigt die siegreichen Städte in vollem, energischem Zusammen wirken. Ihre Friedensgedanken, die immer festere Gestalt angenommen hatten, verdrängten nicht den Plan neuer und noch wirksamerer Operationen für das nächste Jahr, wenn nicht inmittelst ein abschließendes Verständnis erreicht werde. Die ganze naturwüchsige Derbheit unserer Vorfahren und zugleich die planmäßige, rücksichtslose Verfechtung ihrer gewichtigen Interessen kommt in den Vorlagen für den heimischen Rat zum Vorschein, wenn es da heißt, man solle mit aller Macht die See befrieden, in Dänemark brennen, rauben, Schiffe nehmen und verbrennen und nach Herzenslust und Leibeskräften Schaden tun, den im künftigen Frühjahr eine Schaar von 200 Reitern auch in das bisher weniger betroffene Binnenland tragen soll. Vor anderem aber drängte sich die Frage auf, wie man sich in Betreff einer Verlängerung der Bünde mit den Landesherrn verhalten solle. Eine Partei rät ab, die andere zu. Interessant ist, den Grund jener zu vernehmen: „Wenn man etwas zu Händen haben wolle, so lasse man sich mit den Herren unverbunden.“ — Unzweifelhaft waren die Städte schon völlig über die Friedenspostulate unter sich einig, mindestens halb auch mit den Dänen; eins der wichtigsten war die zeit- und pfandweise Abtretung der 4 schonenschen Vogteien. — Bei gleicher Wehre, so riet die Gegenpartei, sollten Landesherrn und Städte wieder im Felde erscheinen; der Beibehaltung derselben Pflichten entsprach dann sicher die der bisherigen Rechte. Die hansischen Verpflichtungen gegen die Holsteiner sind nicht näher bekannt; diese kamen aber überhaupt bei jener Frage weniger in Betracht; mochten sie sich immerhin in Jütland ausdehnen, das berührte wenigstens so unmittelbar nicht hansische Interessen. Den Mecklenburgern aber hatten die wendischen Städte für den Fall einer gemeinsamen Sühne die Landesherrschaft über Schonen gewissermaßen im Voraus zuerkannt; jene dagegen diesen die zeitweilige Abtretung der Hälfte der dort gewonnenen Schlösser. Allein wie viel schwerer mochte es sein, den Dänen statt einer zeitweiligen eine definitive Abtretung und zwar von ganz Schonen abzuringen? Sehr möglich, dass jene Begründung die Tatsache einer entschiedenen, verzweifelten Opposition derselben hiergegen voraussetzt, während sie sich mit einer vorübergehenden Verpfändung an die Städte höchst wahrscheinlich schon einverstanden erklärt hatten. Wäre nicht der Frieden, auf dessen baldiges Zustandekommen den Städten im Interesse ihres Handels so viel liegen musste, in weitere Ferne gerückt? — Und wenn Schonen wirklich an Mecklenburg resp. Schweden kam, wie dann? Die Städte bekamen dann wohl die Hälfte der erworbenen Schlösser, aber ob diese grade die für sie so ungemein wichtigen Küstenschlösser am Sunde umfasst hätte? Auch kann ich in der Überzeugung, dass die betreffende Bestimmung nur auf die wendischen Städte Bezug hatte, nicht glauben, dass die Dauer der mecklenburgischen Verpfändung, die noch zwei Jahre über den Ersatz ihrer Kriegsausgaben hinaus in sich begreifen sollte, der Pfandzeit gleichgekommen wäre, welche mit den Dänen nach Maßgabe der vor dem Kriege erlittenen Verluste aller konföderierten Städte stipuliert wurde. Der Umstand freilich, dass — jene Überzeugung zunächst als richtig vorausgesetzt, — die mecklenburgische Verpfändung nur den genannten Städten zu Gute kommen sollte, dürfte kein Grund für die anderen gewesen sein, eine dänische auf die ganze Konföderation ausgedehnte Pfandverleihung zu wünschen, da sich jene bezüglichen Vertragsbestimmungen sicher ohne Schwierigkeit modifizieren ließen, und es den Städten ohnedies natürlich unbenommen war, die Nutzungen und Erträge, um die es sich auch bei der nachherigen dänischen Pfandnahme allein für die außer jenen Stehenden handelte, durch Übereinkunft unter sich zu verteilen. — Einen weiteren Grund aber, den Übergang Schonens in die Hände der Mecklenburger zu hindern und zu dem Ende die Verlängerung des ihnen dabei so förderlichen Bundes zu unterlassen, mochte folgende Erwägung ergeben. Schonen war seit Alters ein dänisches Territorium, und wenn unglückliche Verhältnisse Waldemar einst zur Abtretung desselben genötigt hatten, so hatte er sicher von vornherein auf seinen Rückerwerb gehofft und wie wir schon wissen, diesen dann auch verwirklicht. Dass das dänische Reich, wenn etwa zu formeller Aufgabe gezwungen, nicht wirklich auf diesen reichen, unschätzbaren Landesteil verzichten würde, war gewiss; dass die Landeseinwohner, alte Dänen, höchst widerwillig den abermaligen Wechsel ihrer angestammten Obrigkeit hinnehmen würden, war wohl gleichfalls gewiss. War nicht ein ewig unruhiger Zustand, Krieg, Fehde, Renitenz die unausbleibliche Folge? Sie aber zu verhüten, hatte die Hanse ein dringendes Interesse. Ihrem Handel war ein leidlicher Friede des Meeres eine wahre Lebensfrage und nun gar ein leidlicher Friede in Schonen, ihrem so überaus wichtigen Verkehrs-, Stapel- und Fischereiplatze! Der aber ließ sich nur bei der Fortdauer der alten staatsrechtlichen Verhältnisse des Landes erwarten.

Am durchschlagendsten jedoch für die einer Bundesverlängerung abgeneigte Partei mag ein Grund gewesen sein, der in einer noch wichtigeren Frage der nächsten Jahre aufs Neue seine Kraft betätigte. Wir bemerkten schon, dass die Vielheit der selbstherrlichen politischen Gewalten des Nordens den Städten eine gewisse Garantie ihrer Sicherheit gab. Diese für sie so glückliche Verteilung fürstlicher Macht war schon durch die mecklenburgische Eroberung von Schweden nicht unwesentlich verschoben. Vollzog sie sich auch — von der geringfügigen, in Zufuhr bestehenden Beihilfe der landsässigen mecklenburgischen Städte abgesehen — durchaus nicht wie die entthronte Dynastie klagte, mit Unterstützung der Hanse, so mag ihr im Sturm und Drang des Augenblicks, wo der Macht Zuwachs und Missbrauch des Dänen alles Interesse in Anspruch nahm, jener zugleich diesen treffende Schlag immerhin willkommen gewesen sein; aber am letzten Ende geschah die Bekämpfung des einen Übels durch ein gleichartiges, die Steigerung der mecklenburgischen Macht und nun streckte ihr Hauptvertreter, der nach dem Vorgang seines Vaters mit Glück immer mehr den zuvor ziemlich unbedeutenden Machtkomplex seines Hauses abzurunden und zu größeren suchte, im Verein mit den allzeit beutelustigen holsteinischen Grafen auch nach der zweiten und kostbarsten Krone des Nordens seine begehrliche Hand aus. Und wenn er schließlich wohl am völligen Gelingen dieses kecken Griffes selbst verzweifeln mochte, des Erwerbes von Schonen für sein Haus durfte er sich sicher halten, wenn die Städte ihm nicht durch rechtzeitigen Separatfriedensschluss den Pass verlegten. Dies Landgebiet war aber nicht bloß durch seine territoriale und merkantile Bedeutung für das mecklenburgische Machtsystem wichtig, sondern auch durch seine geographische Lage; es wäre der Schlussstein desselben geworden, wie es jetzt noch eine sehr wesentliche Unterbrechung seines Gefüges bedeutete. Wie es mit seinen vielen festen Schlössern Dänemark eine Aggressiv-Stellung gegen den schwedischen Nachbarn darbot, so strich sein Übergang in dessen Besitz nicht nur diesen hinweg, sondern formte zugleich positiv eine viel stärkere kompaktere Angriffsmacht aus dem gesamten Länderbestand seines Hauses. Diese Erwägung wird ebenso sehr zu dem ablehnenden Verhalten der Städte gegen einen derartigen Besitzwechsel beigetragen haben als zu dem der Dänen, welches ich oben voraus setzen zu dürfen glaubte. Unter allen am meisten musste sich Lübeck durch ihn beklemmt und beunruhigt fühlen. Seine Politik ging in diesen Jahrzehnten darauf aus, sich durch pfandrechtliche Erwerbungen von Schlössern und Landschaften z. B. lauenburgischer, Haltpunkte gegen die Gefahren zu schaffen, die sich aus seiner merkwürdigen Lage ergaben. Lübeck lag wie eine einsame Insel in einem weiten Umkreis fürstlicher Territorien; alle anderen Bundesstädte an der Ost und Westsee und weitaus die meisten binnenländischen waren landsässig, und so frei und oft genug widerhaarig sie auch zu ihrer Landesherrschaft stehen mochten, sie fanden an ihr doch einen wirksamen Schutz gegen ihre fürstlichen Feinde. Lübeck sah sich dagegen in dieser Hinsicht zunächst ganz auf seine eigenen Kräfte gestellt. Seine Oberherrn, die Kaiser hatten sich längst entwöhnt, in die fernliegenden nordischen Verhältnisse energievoll einzugreifen und mehr noch, die reichsstädtischen Untertanen dort zu bevorzugen oder nur zu schirmen. Was der derzeitige Kaiser Karl, der besonders in Rücksicht auf den Erwerb der Marken jenen Dingen größere Aufmerksamkeit zuwandte, den letzteren an Gunstbezeugungen erwies, geschah nicht sowohl aus Fürsorge für das Fortgedeihen der mächtigen Kommune als eben aus dynastischem Interesse. — Auch den pommerschen Städten Stralsund und Greifswald konnte eine solche Machtsteigerung des schon sattsam gefährlichen Mecklenburgers, die ihre Landesherrschaft und damit sie selber bedrohte, nur höchlich missfallen. Und wenn etwa Rostock und Wismar einer anderen Anschauung gehuldigt haben, so lag ihnen doch eine leidenschaftliche, wenn man so will patriotische Vertretung derselben fern; sie fühlten sich hier wohl mehr als Hanse denn als Landstädte und dürften überdies bei allem Ansehen ihrer Bundesstellung auch nicht im Stande gewesen sein, eine erfolgreiche Opposition gegen den entgegengesetzten Willen jener Städte zu Wege zu bringen. Deren, besonders Lübecks überragender Einfluss musste vielmehr im Verein mit den nachgewiesenen allgemeinen Interessen etwa zweifelnde Städte in ihre Bahn zwingen. — Zu alledem kommt das konkrete gespannte Verhältnisse in das Lübeck vornehmlich, zu dem Herzog Albrecht gekommen war. Es sind uns glücklicherweise zwei wertvolle Aktenstücke eines im J. 1373 von beiden geführten schiedsrichterlichen Prozesses erhalten, deren Inhalt durchgehend mit ihrem Kriegsbündnis von 1368 — 1370 in Zusammenhang steht, ohne freilich immer genau chronologisiert werden zu können. — Herzog Albrecht klagt in seiner Klagschrift gegen die Lübecker, dass sie ihm in seiner Fehde mit Markgraf Otto von Brandenburg, deren Ursprung in den dänischen Wirren gelegen habe und zum guten Teil lag, in vertragswidriger Weise die angerufene Kriegshilfe versagt, und sich mit Vermittlungsversuchen begnügt hätten. Diese replizieren, Otto habe auf ihre Anfrage mit der Angabe andrer Kriegsgründe geantwortet, und sie hätten mit ihrer bloß diplomatischen Tätigkeit daher so viel zu seinen Gunsten getan, als sie von ihm in gleicher Lage hätten erwarten und beanspruchen können. In dieser unklaren und dehnbaren Form nämlich war in der Bundesurkunde die Mithilfe für alle aus dem dänischen Kriege resultierenden Händel bestimmt.


*)Verpfändung von Mölln, Lüb. U. B. III Nr 323; Verpfändung von Stormam mit Trittau und Oldesloe, Lüb. U. B. IV Nr. 257.