Erste Fortsetzung

Alle diese Städte und Städtegruppen standen seit vielen Jahrzehnten in mehr oder weniger geregelten, vorherrschend kaufmännischen Beziehungen; jetzt aber wächst ihrem Begriffsinhalt ein neues, mächtig einigendes Element hinzu, das ist die Gemeinschaft eines großen, gewagten kriegerischen Unternehmens. Und wenn man kein rationelles Verfassungsschema ausgrübelte, in das nun hübsch akkurat die Kompetenzen der einzelnen Städte und ihrer Gesamtheit sich eingeordnet hätten, so wurde doch mit dem Kölner Verein die Grundlage ausgebaut, auf der die Hanse fortan stand und sich weiter bildete: die kriegführenden Seestädte, die schon durch ihre natürliche Lage an den hansischen Dingen am meisten interessiert waren, treten jetzt entschieden in den Vordergrund, die Binnenstädte, die gleichfalls, wenn auch kaum sehr dringend, zum Anschluss aufgefordert*), keinen Anteil an dem Feldzuge nahmen, in den Hintergrund; jene wurden wie ein großer Ausschuss, der die hansischen Geschäfte fernerhin ordnete, ohne indes etwa grundsätzlich die bundesverwandten Landstädte von einer Mitwirkung auszuschließen. Natürlich kann ich hier auf die weitere Vorbereitung des Unternehmens innerhalb der einzelnen Städtegruppen nicht eingehen; nur sei bemerkt, dass es die in der Greifswalder Konföderation Vereinten nur etwa halb so belastete als bei deren damaliger Expedition, und dann noch ein schneller Blick auf das Verhältnis zu den Landesherren, den Holsteinern und Mecklenburgern, geworfen.

*) Cfr. z. B. H. R. I Nr. 418.


Schon vor der Kölner Versammlung waren die Verhandlungen zwischen ihnen und den auch von den vereinten preußisch-niederländischen Städten bevollmächtigten wendischen ziemlich weit gediehen. Hier wurde des Weiteren bestimmt, dass die letzteren auf ihr alleiniges Gewinn und Verlustkonto hin, nur unbeschadet des Kaufmanns Recht sich mit den Herrn verbünden und für die übrigen Städte eine einjährige Allianz mit Ausschluss einer ein seitigen Sühne auswirken möchten. Jenen selbst wäre es lieber gewesen, auch ihrerseits zunächst bloß für ein Jahr einen Bund einzugehen, offenbar, weil er auch sein Missliches hatte. Wie vielseitig verwickelt war nicht die Politik jenes höchst tüchtigen, aber in seltener Weise ländergierigen Mecklenburger Herzogs Albrecht! Leicht konnte es geschehen, so mochten sich die vorsichtigen Ratsmannen sagen, dass seine zahlreichen feindseligen Beziehungen zu benachbarten deutschen Fürsten sich in den Dänenkrieg verwoben und dann auch ihnen noch andre Pflichten und Aufgaben aufbürden würden, als die Niederkämpfung der nordischen Feinde. Dabei galt es noch Zwistigkeiten zwischen den Kontrahenten zu vertragen, und zudem war der Ausgleich der nur zum Teil zusammentreffenden, sonst auseinanderstreben den Interessen durchaus keine Kleinigkeit. So musste der unglaublich radikale Plan einer Aufteilung des dänischen Reiches, zu dessen Durchführung sich während jener Verhandlungen die beiden Landesherrschaften unter einander verbanden, den Städten entschieden missfallen, die Anlass genug hatten, eine solche Vernichtung dänischer Selbständigkeit zu Gunsten jener zu fürchten; wie denn überhaupt ihre allgemeine Politik auf eine möglichste Konservierung der vielgeteilten, sich in sich selbst beruhigenden Staatenwelt des Nordens hinausgehen musste und hinausging. Aber nach wiederholten Verhandlungen kam es am 2. resp. 20. Februar 1368 auch zwischen ihnen und den Herren zum definitiven Bunde, dem sich hochverräterischer Weise als eine weitere Angriffsmacht eine mit den Holsteinern schon übereingekommene Verschwörung unter dem jütischen Landesadel beigesellte. Mit der wendischen Städteabteilung ward er auf zwei Jahre, mit den beiden übrigen auf eins abgeschlossen. Die Beziehung zu den Mecklenburgern war wegen der schwedischen und künftigen schonischen Privilegien bedeutsamer als die zu den Holsteinern, und so sehen wir jene im Unterschied von diesen durch die 4 wendischen Städte veranlasst, für die Zeit der Verbindung ihnen eine nur wenig bedingte pfandweise Abtretung zweier Landesschlösser, Ribnitz und Wittenborg, mit zugehörigen Ortschaften zu gewähren, unter der Bestimmung, dass sie bei Verletzung gewisser Traktatvorschriften in dauerndes und bis auf Kirchlehn und ritterliche Mannschaft unbeschränktes Eigentum übergehen sollten. Merkwürdig genug, die mecklenburgischen Herren garantieren den Städten, aber diese nicht ihnen, und doch sollte gerade ihnen der weitere Gang der Dinge den nicht unbegründeten Vorwurf vertragswidriger Haltung einbringen. Und unter ihnen sind gar zwei landsässige des Mecklenburgers selbst. Deutlich tritt hierin jener staatsrechtlich eigentlich undefinierbare, zumeist auf der Macht der Gewohnheit und der Verhältnisse ruhende Doppelcharakter dieser Städte hervor, der in der Geschichte der nächsten Jahrzehnte seine besondere Bedeutung haben sollte: der Landesherr verbürgt sich wie Macht zu Macht gegen seine Untertanen.

König Waldemar versuchte vor dem Kölner Tage noch einmal Verhandlungen zu friedlichem Ausgleich anzuknüpfen, zu denen sich die Städte dort, sicherlich von Anfang an von ihrer Fruchtlosigkeit überzeugt, bereit erklärten.^ Am verabredeten Tage der Zusammenkunft, jenem 2. Februar überbrachten jedoch zwei adelige Abgesandten des Königs nur die Zumutung, einen neuen Tag zu halten; ganz die alte Art desselben, die verhassten Städte am Narrenseil von einer ergebnislosen Verhandlung durch die andre zu schleppen, unter dem Deckmantel der Schöntuerei sie mit immer neuen Gewaltschlägen zu treffen. Mit den Beschwerden bei Papst, Kaiser und Fürsten, die er androhen lies, pfuschte er nur seinen Gegnern ins Handwerk, die diese längst beabsichtigten und teils eben jetzt teils einige Wochen später erließen. Rund heraus erklärten die versammelten Sendeboten der 4 wendischen Städte in einer Zuschrift an den König die Verwerfung neuer Unterhandlungen und spannten damit das Verhältnis zu ihm so, dass nur dessen völlige Nachgiebigkeit oder der Krieg die Lösung bringen konnten; bei seinem Charakter nur der letztere.

Im Rücken suchten sich die Verbündeten durch Neutralitätsverträge mit Graf Adolph von Holstein und Herzog Erich von Lauenburg, den Freunden Waldemars zu decken, und mit Siegeszuversicht konnten sie nun den Kampf, der besonders für den glücklichen Fortbestand der Hanse von entscheidender Wichtigkeit werden musste, aufnehmen. Der Verlauf des Krieges, der um Ostern 1368 seinen Anfang nahm, kann ich natürlich hier nicht näher verfolgen. Die eigentlich entscheidende Macht waren unstreitig die Städte. Norwegen wurde durch ingrimmige Verheerungen der süderseeischen sehr bald zum Vertrag gezwungen auf nicht ganz ein Jahr, der kommenden Jahres wieder verlängert wurde, um bis zu seiner Verwandlung in einen vollen Frieden noch zweimal dasselbe Schicksal zu erfahren. — Waldemar hatte sich zuvor in einsamer Flucht („nemine prosequente“) außer Landes nach Deutschland begeben, um der ihm über den Kopf wachsenden Gefahr „unköniglich, aber schlau wie immer“ auszuweichen. Den Reichsrat, an seiner Spitze den in letzter Zeit schnell vom einfachen Ritter zum Präfekten (gellkor) von Schonen und dann zum Reichshauptmann avancierten Henning von Putbus, beauftragte er mit der interimistischen Führung der Regierungsgeschäfte und den Herzog Erich, wie es sich anlässt, mit der Verteidigung des Reiches. — Im Ganzen war es — von Helsingsborgs heldenmütiger Ausdauer abgesehen — nur ein schwacher Widerstand, den die Dänen den andrängenden Feinden entgegenstellten; nirgends zeigt sich eine Spur von einer energischen Konzentration der Streitkräfte; jene aber drangen verwüstend und belagernd vorwärts, und schon Anfang des Sommers sahen sich die Städte im Besitz der meisten schonenschen Küstenschlösser.*) — Und hatte König Waldemar auf die Rivalität der interessierten deutschen Fürsten, besonders gegen die Mecklenburger gerechnet, hatte er sich nur darin getäuscht, dass diese ihm zum Heil ausschlagen würden. Jetzt wo seines Reiches Niedergang ausgemacht schien, traten allerdings der Lauenburger, Braunschweiger und Brandenburger in den Kampf gegen Herzog Albrecht von Mecklenburg, dem sie übrigens aus anderen Gründen schon abhold genug waren, ein, nicht aber, um dem König seinen Staat zu retten, sondern für sich selbst jenem die Beute zu entreißen.

*) 24. Juni wird die schonische Reise in beschränktem Umfange frei gegeben, ebd. Nr. 469 § 6; 495 § 2.