Dritte Fortsetzung

Auch der junge Lauenburger Herzog Erich hatte trotz der mit seinem jüngst verstorbenen Vater geschlossenen Neutralitätsverträge die Mecklenburger in Deutschland angefeindet Albrecht forderte wieder Hilfe, Lübeck versucht es von neuem und erfolgreich mit einer Vermittlung. Da jener sie aber nicht einhielt, wie sich das nicht allein aus Lübecks Replik, sondern auch aus dem Beschwerdeschreiben des dem Lauenburger verbündeten Markgrafen ergibt, so dürfte die Stadt zu keiner neuen Unterstützung vertragsmäßig pflichtig und somit des Herzogs Klage, die dem widersprach, ungerechtfertigt gewesen sein. Im Zusammenhang mit der neu ausbrechenden Fehde kam es nun gar zu direkten Misshelligkeiten zwischen den Lübeckern und Mecklenburgern, indem sich diese nach der Angabe jener Übergriffe auf lübischem Grund und Boden erlaubten. Sie gaben das Objekt für den schiedsrichterlichen Prozess, den beide Parteien dem Lübecker Bischof Bertram 22. Mai 1370 mit identischen Erklärungen in die Hand gaben ^; er endete mit der Verurteilung des Herzogs zu der erheblichen Summe von 1000 löth. Mark (ca. 3000 lüb. Mark = ca. 210,000 Rm. — Ich setze 1 löth. Mark nur 3 lüb. gleich, was nach D. Schäfer, a. a. 0. p. 207 nicht dem wirklichen, sondern nur dem in den Urkunden oft angegebenen Wertverhältnis entspricht. — 1 lüb. Mark dem Kurswert nach = etwa 70 heutige Rm. nach demselben Autor, dessen weitere Münzangaben (p. 208) ich im Folgenden zu Grunde lege. — Wohl nur in Folge eines Schreibfehlers wird p. 208 eine sundische Mark = ½ statt = 2/3 lüb. Mark gesetzt.)

Weiter beschwerte sich dieser über die unzulängliche, vertragswidrige Ausrüstung der städtischen Kontingente, eine Behauptung, die nachweisbar falsch, als solche auch von den Lübeckern zurückgewiesen wurde. Auch die Verteilung der Gefangenen und Einnahmen im Kriege erschien ihm als sehr ungerecht, wo gegen diese sie als eine ihm vorteilhafte ausgaben.


Ein weiterer Klageartikel des Herzogs besagt, dass die Städte, insbesondere Lübeck die Zusage, alles feindliche Gut auf der alt dänischen Insel Rügen zu „verdingen“ und von dem Ertrag ihm seinen Anteil zu geben, durch die sie seine ferneren Schädigungen verhindert, nicht innegehalten hätten, während Lübeck es für notorisch erklärt, dass keinerlei „dingnisse“ von dem Insellande eingekommen sei. Es dürfte schwer nachzuprüfen sein, auf wessen Seite in diesem Falle das größere Recht lag.

Auch die Übergabe Helsingörs an ihn sei im Widerstreit zu dem Vertrage unterblieben, worauf die Lübecker entgegnen, dass die Veste „mit Eintracht der Herren und städtischen Hauptleute, die dazu im Felde waren“, gebrochen sei.

Ich glaube nicht, dass der Herzog, wofern er überhaupt und nicht Lübeck, dessen Klage und Beweisakte leider nicht erhalten ist, die Initiative zu dem Prozesse gab, mit ähnlichen Beschuldigungen gegen noch andere, vornehmlich wendische Städte klagbar wurde, obschon die hier vorgebrachten zum Teil wenigstens auch sie mit betrafen. Er wird sich mit seinen eigenen Städten dann wohl arrangiert haben, und überdies war ja Lübeck die leitende Stadt des Ganzen. Sehr schade, dass der Ausfall des Prozesses nicht überliefert ist; in einer völligen Schuldloserklärung der Lübecker dürfte er aber bei der offenbar bewährten Unparteilichkeit des auch bei den ersten Irrungen angerufenen Richters wegen der schonenschen Schlösser, worüber später noch ein Wort, kaum bestanden haben.

Ein andres Aktenstück, ein Bericht des Rats von Mölln an den lübischen tritt diesen Nachrichten für unsern Zweck ergänzend zur Seite ; es erzählt, dass die Mecklenburger und zwar auch der Herzog selbst in jenem langjährigen Pfandbesitz Lübecks sich räuberische Übergriffe, namentlich auch Viehdiebstähle erlaubt hatten, deren Objekte sich auf einige 1000 Mark schätzungsweise beliefen. — Es konnte nicht anders sein, diese Dinge mussten für Lübeck und das Gros der Städte, wenn es noch einer Unterstützung ihrer Meinung von der Unvorteilhaftigkeit der Fortsetzung des fürstlichen Bundes und einer Verstärkung ihrer Neigung zu einem einseitigen Friedensschlusse bedurfte, die Waagschale tiefer sinken machen. Die Herren selber scheinen, wie man aus den Verhältnissen und auch der Fassung der betreffenden Rezesssstelle entnehmen darf, zu einer Erneuerung der Allianz geneigt gewesen zu sein. Ja, aber wie konnte denn, war Interesse und Politik der Städte im Allgemeinen so klar gegeben und vorgezeichnet, eine andre nennenswerte Partei zu dem entgegengesetzten Vorschlag gelangen? Nun der Friede mit den Dänen war, wie aus den a geführten Beschlussnahmen unsres Stralsunder Tages deutlich hervorgeht, noch nicht vollauf gesichert. Und wurde die Fortführung des Krieges notwendig, dann war die fürstliche Beihilfe immerhin nicht zu unterschätzen, wenn gleich der Hansen energischer und mittelreichster Kriegführung überwiegend der glückliche Fort gang zuzuschreiben war. Und was für ein sonderbares Verhältnis hätte es nicht gegeben, wenn die bisher vereinigten Mächte, nun jede für sich das räumlich kleine Inselreich angegriffen! Sie hätten befahren können, grade bei dem im Zweck gleichen, aber nicht kombinierten Vorgehen einander ins Gehege und in die Haare zu geraten. Und wie, wenn dann eine kluge dänische Diplomatie sich vielleicht mit den Fürsten, die ihre hochfliegenden Pläne ohne städtische Hilfe gar nicht durchsetzen konnten, abfand, verständigte? Wäre nicht die Situation der Konföderierten jedenfalls ungünstiger geworden? So mochten die meisten derer denken und dartun, die den Fortbestand des Bundes empfahlen, eben deshalb empfahlen, weil sie von der Fortdauer des Krieges ausgingen. Sie sagten selbst: „were dat men ørloghen moste.“ Aus welchen und wie vielen Mitgliedern sich die jedenfalls nicht ganz unbedeutende Partei zusammensetzte, verschweigt der Rezess. Wahrscheinlich aber haben ihr auch die mecklenburgischen Städte in naheliegender Rücksicht auf ihre Landesherrschaft zugehört.

Indessen wurden die vom schlechten Wetter daheim zurück gehaltenen Reichsräte, vergebens von den Ratsboten erwartet, und es ward nötig, den Termin um einige Wochen zu verlegen, ohne dass der Rezess dieser Angelegenheit gedächte. Vom 30. November, unzweifelhaft nicht dem Anfang, sondern dem Ende der Verhandlungen, sind die Urkunden datiert, in welche die Städte im Unterschied zu dem früheren Konzept noch eine näher nicht mehr erkennbare Vermehrung der Freiheit hineinbrachten. *) Leider ist mit dem Rezess, wenn es einen solchen überhaupt gegeben hat, alle eingehendere Kunde von dem geschäftlichen Hergang zu Grunde gegangen. — Ein großer Teil der Boten aus den fern liegenden Städten mag nach der letzten Versammlung diese neue, so wichtige in Stralsund oder Umgegend abgewartet haben. Fest steht es nur von den Härder wikern , die aber am 16. Nov., also kurz vor dem Beginn der neuen Zusammenkunft, die Nachricht von dem Ausbruch einer Landespest nach Hause berief, und nicht minder wohl von einem Rathmann aus dem preußischen Drittel, an den jene diesem näher Verbundenen sich mit der Bitte um beste Vertretung ihrer Stadt wandten. Man darf mit Rücksicht auf den Ausdruck Landespest auch die Heimkehr der nächst belegenen süderseeischen Städte vermuten, sie aber mit Gewissheit ebenso wenig behaupten, als unter Hinweis auf die einseitige Adresse jener Bittschrift, die Abreise des anderen preußischen Vertreters auf der vorigen Versammlung.

*) H. R. III Nr. 41. — Da ich fortan das gesamte, in den 3 ersten Rezessbänden für die dänisch-norwegischen Beziehungen der Hansestädte bis 1376 vorliegende Material und zwar in durchgängigem Anschluss an die Chronologie der Versammlungen, nach der es dort gruppiert ist, meiner Darstellung einzuarbeiten versucht habe, so halte ich des Weiteren nur für nötig, verstreute dahin gehörige Nachweise besonders zu verzeichnen.