Die letzte Hälfte des 14. Jahrhunderts war für das mittelalterliche Norddeutschland, abgesehen von der ihm mit den übrigen Reichsteilen gemeinsamen politischen Zersplitterung, in vielfacher Hinsicht ein Zeitalter der Blüte. Fast überall regen sich seine besonderen staatlichen und staatsähnlichen Bildungen in rüstigem Fortschritt. So sehen wir die holsteinischen Grafen die Bahn, die ihr genialer Vater mit so großem Erfolg betreten, treu und energisch einhalten, sehn sie immer weiteren Boden auf der Halbinsel gewinnen; und ihnen zur Seite erhebt sich die Mecklenburgische Dynastie zu bisher ungekannter Höhe, besetzt den Thron Schwedens und greift nach der Krone von Dänemark; und noch weiter gen Osten gestaltet sich immer noch ins Weite strebend, nach innen jenes wunderbare, kriegerisch religiöse Gebilde, der preußische Ordensstaat stets reicher und zweckvoller aus. Dazwischen aber entfaltet sich, fast überraschend schnell nach der bisherigen langen und langsamen Entwicklung jener weitverzweigte Städtebund der deutschen Hanse zu seinem höchsten Glänze, wesentlich anderen Interessen zugewandt, als die Territorialfürsten vorzugsweise pflegten.

Früh daran gewöhnt, ihre Kraft aus sich selbst zu schöpfen und entwöhnt, von dem politisch verarmten Kaisertum oder dem Landesfürstentum erhebliche Unterstützung ihrer städtischen Interessen zu gewärtigen, ja einem Eingriff dieser Gewalten in ihr Eigenleben meist abhold, hatten sie sich dafür, dem in allen Schichten und allerorten sich regenden Assoziationsdrange gemäß, unter einander verbunden. Wenn die anfängliche Hervorbildung ihrer später so ausgedehnten Corporation zeitlich nahezu mit der Entstehung des rheinischen Städtebundes zusammenfällt, so tritt in den Zielen und dem Charakter beider Bildungen ein schroffer Unterschied zu Tage. War dieser durchaus auch auf politische Dinge, auf die Ordnung der darniederliegenden wichtigsten Reichsangelegenheiten gewandt, und forderte dieser Zweck eine straffe organisatorische Durchbildung des Bundes, deren glückliches, gleichviel ob flüchtiges Resultat nach der gesamten Lage der Verhältnisse ihm jenes Ansehen von etwas Urplötzlichem, fast Wunderbarem gibt, so richteten die norddeutschen Kommunen, an der See und der Peripherie des Reiches gelegen, wie sie waren, ihr vorzüglichstes Augenmerk auf den Handel, namentlich auf den auswärtigen, gingen Zwecken nach, die eine losere Verbindung im Inlande vertrugen und nur im Auslande eine stärkere Zentralisation ihrer kaufmännischen Kräfte zu gegenseitigem Schutz nötig machten. Erst in ganz allmählicher und wechselvoller Weise festigte und erweiterte sich diese lockere Föderation der Städte einmal in engeren territorialen Kreisen und dann in der Beziehung dieser zu einander. So hatten die wendischen Städte, die für den Entwicklungsgang der Hanse von je und dauernd bedeutsamste Gruppe, am Ende des 13. Jahrhunderts schon einen großartigen Erfolg ihrer gemeinsamen Politik gegen Norwegen zu verzeichnen, der anziehend und befestigend auf das Bundesgefüge wirkte. Allein da wusste der alte begehrliche Nachbar Deutschlands, Dänemark, von neuem wie vor 100 Jahren erstarkend, von Erfolg zu Erfolg seinen fremden, störenden Einfluss in den nordalbingischen Bereichen durchzukämpfen. Die Herrschaft über die Ostsee und ihre wichtigsten Uferlande war ein Lieblingswunsch dänischer Eroberungspolitik, den auch die geographische Lage, die Natur selbst nahe genug legte. Dem Tode des tatkräftigen Königs Erich, dem seine Durchführung zu gelingen schien, folgte freilich eine reißende Gegenströmung, die Dänemark geradezu überflutete; die deutschen Ritterheere der holsteinischen Grafen, vor allem des großen Gerhard, okkupierten das Inselreich, brachten Sund und Belt unter ihre Herrschaft.*) —


*) Im Allgemeinen vgl. für das Folgende: Dahlmann, Gesch. v. Dänemark Bd. II, bes. p. 32 — 54. — Waitz, Gesch. v. Schleswig-Holstein Bd. I, bes. p. 245—260. — Nitzsch, Deutsche Studien, Aufsatz IV (Nordalbingische Studien) Abschn. III. — Koppmanns Vorbemerkungen zu den einzelnen Rezessen und Einleitungen zu den beiden ersten Rezessbänden. — Suhm, historie af Danmark Bd. XIII u. XIV (die betr. Jahre). — Styffe, bidrag til Scandinaviens historia; I delen, bes. p. XX VII— LX VIII. — Munch, Det norske Folks historie, Abth. II, Bd.I p. 789—841; Bd. II bis p. 73. — Ich füge die bedauernde Bemerkung hinzu, dass die vorliegende Arbeit dem letzten, dann durch längere Krankheit und andere widrige Umstände verzögerten Abschluss bereits ganz nahe war, als die über das Preisthema hinaus bis 1376 fortgeführte Preisschrift D. Schäfers „Die Hansestädte und König Waldemar“ im Druck erschien (Juli 1879), so dass ich nur ihre Angabe über das Wertverhältnis der damaligen lübischen Münze zu unserer jetzigen Reichsmünze und über den Tonnengehalt einer Last Heringe nachträglich noch ausgebeutet habe.

Die Städte aber brauchten eine lange Zeit der Erholung, ehe sie den Schlag, mit dem König Erich sie betroffen, verwanden. Jetzt war es nicht mehr das gebrochene Dänemark, das sie zu fürchten hatten, sondern das rapide, für sie und ihren Handel bedrohliche Anwachsen landesherrlicher Macht in nächster Nachbarschaft. Ihr Interesse ging bis zu einem gewissen Punkte Hand in Hand mit dem, dass der junge König Waldemar von vornherein vertrat und in einer langen, ebenso mühsamen wie unverdrossenen Arbeit durchfocht, Dänemark nämlich von diesem fremdherrlichen Einfluss zu reinigen, seiner Königsmacht nach innen wie außen wieder Achtung und Geltung zu gewinnen. Freilich wuchs mit den Erfolgen in dieser Richtung, mit dem endlichen Überflügeln der zurückgedrängten Eindringlinge auch wieder ihre Bedrohlichkeit für die Städte, in demselben Maße als die von Seiten der fürstlichen Nachbarn annahm. Im Ganzen jedoch war von neuem ein gewisser Gleichgewichtszustand in dem weiten politischen System des Nordens hergestellt, den ganz besonders die Städte zu wünschen Ursache hatten; gab er doch bei der Aggressive des Einen leicht Rückhalt und Deckung bei dem Anderen. Waldemar aber hatte so viel unruhigen Ehrgeiz als stürmische Tatkraft, und wie jener mit den Erfolgen zunahm, schien auch diese sich noch zu steigern. Fast frei wieder von den deutschen Drängern ging er mit Erfolg daran, auch das alte, reiche Stammland Schonen, das er selbst in seiner drangvollen ersten Regierungszeit an Schweden zediert hatte, durch eine kluge diplomatische und kriegerische Aktion wieder an sich zu bringen.*)

*) Munch a. a. O. I p. 689 ff.

Die Städte erfüllte dieser weitere Fortschritt mit banger Besorgnis; Schonen war ja für sie unter allen ihren ausländischen Verkehrsplätzen vielleicht der wichtigste; und dass der König kein Freund deutschen Bürgertums, das mit seinem Verkehrsübergewicht auf dem nationalen Leben Dänemarks lastete, mochte ihnen längst bekannt sein und wurde unzweideutig klar mit jenem improvisierten Eroberungszug, dem die Insel Gothland, die altehrwürdige Verkehrsmetropole der Ostsee erlag. Auf das Empfindlichste wurde des Kaufmanns Interesse dadurch gekränkt, mehr noch als das der schwedischen Landesherrschaft. Die Trauerbotschaft aber von Wisbys Einnahme ward der Weckruf zu neuem und kräftigerem Leben der Hanse. Nicht als ob sogleich die zahlreichen Städte im weitgedehnten Küstenlande Norddeutschlands sich zur Rache des geschehenen, zur Abwehr künftigen Unheils entschlossen zusammengestellt hätten, aber es traten doch die wichtigsten, die wendischen, zu Greifswald zu einem energischen Kriegsbund zusammen und versuchten zudem nicht ohne Glück, jene zur Unterstützung heranzuziehen. Nun nahm freilich ihr Waffengang wesentlich durch Verschulden der Vertragsbrüchigen norwegisch-schwedischen Bündner einen unglücklichen Verlauf, der ihr Selbstvertrauen und damit die Grundlage ihrer Vereinigung für einige Jahre wieder arg erschütterte. Aber es waren wenige, Dank der räuberischen, mehr von blinder Leidenschaft als klardenkender Vernunft vorgeschriebenen Haltung des Dänenkönigs, der jetzt zwar mit seinen nordischen Nachbarn gut Freund, an den Holsteinern und Mecklenburgern der schlimmen Feinde schon genug hatte, welchen letzteren in dieser Zeit eine über das missliebige königliche Regiment ausbrechende Adelserhebung und ihr eigenes Waffenglück die Krone Schwedens zugebracht hatte (1364). So standen denn die alten Erbfeinde der Dänen, die Holsteiner und die Mecklenburger daheim und in Schweden entgegen der Koalition von Dänemark und Norwegen, die zuvor schon in der Verheiratung der dänischen Königstochter Margaretha mit dem norwegischen König Hakon ihren symbolischen Ausdruck gefunden hatte. In geradezu trunkenem Übermut reizte Waldemar nach einer kurzen, für ihn notwendigen Friedensepisode die friedsamen Städter, so dass sie ihre Bedenken vor einem neuen Angriffskrieg mehr und mehr aufgaben. Das Interesse der Städte von Ost- und Westsee war, wenn natürlich auch nicht ganz gleichmäßig, bedroht und damit der Zeitpunkt gekommen, wo sich aus ihrem losen Nebeneinander eine fester geeinte Waffengenossenschaft, die Kölner Konföderation d. J. 1367 erheben sollte. Nun denke man nicht, dass etwa alle Hansestädte, wenn nicht durch eigene Gesandten, so durch Bevollmächtigung der Teilnehmenden bei ihrer Bildung mitgewirkt hätten. Das ist so wenig der Fall, als dass sich nur hansische Städte darin verbanden. War dieser Begriff auch ziemlich dehnbarer Natur, so dürften doch die meisten niederländischen Gemeinden ihnen noch nicht zugehört haben. Andrerseits konnten sich nicht einmal alle bedeutenderen Seestädte, auf die man vor allem rechnen musste, wie beispielsweise Hamburg und Bremen schon jetzt oder in nächster Zeit zum Beitritt entschließen. Vier wendische, 3 preußische und 5 süderseeische Gemeinwesen werden namentlich aufgeführt, ohne die Angabe einer vorgängigen Vollmachtsübertragung anderer, etwa benachbarter Kommunen. Indes ergibt sich einmal aus der Stiftungsurkunde *) selbst, dass man sich der Zustimmung der heranzuziehenden im Großen und Ganzen sicher wusste und nach einem anderen urkundlichen Zeugnis**), dass auch eine Autorisation einzelner Städte abseiten anderer, nicht weiter namhaft gemachter stattgehabt hatte. — Und was beschloss man nun? Man lebte dem Augenblick und seinen Erfordernissen, dachte nicht daran, die Idee eines dauernden, großen, in sich verfassungsmäßig gegliederten, staatsähnlichen Städtebundes zu fassen und auszuarbeiten. Was man beschloss, war nichts weiter als ein vorüber gehender Kriegsbund gegen Dänemark und Norwegen, der Entwurf eines ebenso einfachen, als wohl und sicher kalkulierten Kriegsplanes, die Festsetzung der Truppenkontingente, die später hin zum Teil abgeändert wurden, die Erhebung eines allgemeinen Pfundzolls zur Deckung der Kosten mit der Maßgabe, dass jede Stadt, im Gegensatz zu dem für den ersten waldemarischen Krieg beobachteten, schlecht bewährten Verfahren***), für ihre Ausgaben und Schäden im Übrigen selber aufzukommen habe, kurz nichts anderes, als alle zu dem bevorstehenden Unternehmen benötigten Maßnahmen allgemeiner Natur. Und doch genug. Ich glaube nicht, dass irgendein Tag für die Ausbildung der Hanse folgenreicher gewesen; in gewisser Weise ist er, wenn man so will, ihr Geburtstag.

*) Cf. Lüb. U. B. III, Nr. 648; 649 u. H. R. I Nr. 431: Schon nach 6 Wochen begann er danach aufs neue die Feindseligkeiten.
**) H. R. I Nr. 413 (11. Nov. 1367).
***) Ebd. Nr. 418.
****) Ebd. Nr. 263 (p. 192).