Die Hanse hatte ihre Zeit gehabt - ihr Untergang

Denn es ist nicht anders: die Hanse hatte ihre Zeit gehabt, ihr Untergang war, wie die Dinge lagen, unvermeidlich. Was einst ihre Entwickelung ermöglicht hatte, war setzt wirkungslos geworden, ja wandte sich gegen die Städte selbst. Ihre Loslösung von der territorialen Gewalt hatte drei Jahrhunderte früher wesentlich beigetragen zur freien Entfaltung ihrer wirtschaftlichen Kräfte, hatte die Verwendung ihrer gesamten politischen Macht im Dienste dieser ermöglicht, jetzt war die Zeit gekommen, wo politische Macht nur noch behauptet werden konnte auf Grund ausgedehnten Territorialbesitzes. Die Periode rein dynastischer Politik war vorüber; die Dynastien waren gefestigt, in ihrem Bestande kaum noch bestritten. Ihre Macht innerhalb ihrer Länder war unendlich gewachsen durch die politische Schwächung der Geistlichkeit, die infolge der Reformation in katholischen wie protestantischen Ländern eintrat, durch die fortschreitende Umwandlung des lehnsherrlichen Feudalstaats in ein landesherrliches Beamtenregiment. Dieses aber folgte der Bahn, die die Städte gewiesen: zunächst von finanziellen Gesichtspunkten aus widmete es sich den wirtschaftlichen Interessen seiner Untertanen. Als es auf diesem Wege mit den städtischen selbständigen Gewalten zusammen stieß, konnte der Sieg nicht zweifelhaft sein; er wandte sich dahin, wo die größere politische Macht war. Das einzige, was die Städte hätte retten können, wäre ihr Aufgehen in ein deutsches Staatswesen gewesen. Aber dem stand hindernd nicht nur die Tatsache gegenüber, dass ein einheitlicher deutscher Staat nicht mehr vorhanden war, sondern vor allem der Umstand, dass die heimischen territorialen Gebilde, an die man allenfalls eine Anlehnung hätte versuchen können, und die sich in der Tat auch stark genug erwiesen haben, die vom Auslande bedrohte politische Selbständigkeit führender Hansestädte zu decken, wirtschaftlich den Städten kaum minder scharf gegenüber standen als das Ausland selbst. Auch hier trat jetzt die Kehrseite des einst so glanzvoll leuchtenden Bildes zu Tage. Die Städte mussten erfahren, dass einzelne Gemeinwesen auf die Dauer ihre Interessen nicht sondern können von denen ihres Landes und Volkes, dass gesunde Blüte städtischer Bildungen nur möglich ist, wenn sie das natürliche Ergebnis der Entwickelung des ganzen Landes ist. Man sah ihre Größe teilnahm los dahinsinken, hier und da sogar mit Befriedigung, denn einzeln sind ausländische Betriebe, aus denen die Hansen verdrängt wurden, wenigstens zum Teil in die Hand von Angehörigen deutscher Territorien übergegangen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Hanse und ihre Handelspolitik