Die Hanse der Deutschen

Diese Vereinigung von Städten ist es dann gewesen, die dem deutschen Handel in der nördlichen Hälfte Europas eine herrschende Stellung errungen hat. Mit einem Netze von Verträgen überzieht sie im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts die weiten Gebiete von der pyrenäischen Halbinsel bis zu den finnischen Granitküsten: Verträgen des verschiedensten Inhalts, vom verschiedensten Werte, aber sämtlich getragen von derselben Tendenz, dem deutschen Kaufmann für friedlichen und gewinnbringenden Verkehr die Bahnen zu öffnen. In der Regel sind die Anfangsrechte geringe. Man sucht von den Territorialherren Sicherheit für Person und Ware gegen räuberischen Anfall, Schutz nach dem Recht des Landes, dann Freiheit von den harten Bräuchen der Grundruhr und der Strandung, Befreiung von der Haftbarkeit für die Schulden und Vergehen von Landsleuten, Zusage von Rechtshilfe gegen säumige Zahler im fremden Lande, ferner Freiheit vom Gottesurteil, sei es in der Form des glühenden Eisens oder des Zweikampfes, endlich Regulierung, Herabsetzung oder gar Erlass des Zolles, Vereinfachungen in der Art seiner Erlegung, Erleichterungen beim Beladen und Entladen der Schiffe, beim Wiegen der Waren, Gestatten des Kleinhandels, der sonst nur den Landeseingeborenen zustand, Erlaubnis zum Holzschlagen behufs Ausbesserung der Schiffe und manche andere Begünstigungen des Verkehrs zu erlangen. Als letztes Ziel städtischer Handelspolitik steht im Hintergründe die dauernde Niederlassung, das Kontor, in seiner vollen Entwickelung ausgestattet mit eigener Gerichtsbarkeit nach heimischem Recht für die eigenen Genossen, mit Teilnahme am Gericht in allen Fällen, wo diese mit den Landesangehörigen in Zwist geraten. Auf diesem Wege brachte man es in einzelnen Fällen dahin, dass der hansische Kaufmann im Auslande größere Rechte genoss als der einheimische, in den meisten, dass er bevorzugt war vor allen andern Fremdem Gegenseitigkeit wurde dabei selten gewährt und wenn, so blieb sie meistens auf dem Papiere; eine tatsächliche Gleichberechtigung haben höchstens vorübergehend die Engländer in Danzig genossen. Wesentlich noch im Laufe des 14. Jahrhunderts ist es dahin gekommen, dass die Hansen einen unbedingten Vorrang behaupten im Verkehr der gesamten nordeuropäischen Gewässer, dass die Ostsee in größerer Reise eigentlich nur noch von ihren Schiffen durchfurcht wird. Die Skandinavier, einst die Beherrscher jener Meere, verschwinden aus ihnen, werden beschränkt auf dürftige Küstenfahrt; die Russen, die früher nach Gotland, ja nach Lübeck kamen, erscheinen nicht mehr; die Engländer und Schotten spielen eine untergeordnete Rolle.

Verwundert fragt man nach der Erklärung dieser Tatsache. Sie liegt nicht oder nur sehr teilweise in einem entschiedenen militärischen Übergewicht der Städte, von dem manches gefabelt worden ist. Wie alle politischen Gebilde, deren Lebensnerv der Handel ist, hat die Hanse den Krieg stets gescheut, nur als ultima ratio das Schwert in die Hand genommen. Und mit gutem Grunde. Denn durch den Krieg litt doch zunächst am schwersten, was man durch ihn schützen wollte, der Handel, und wurde am meisten gefährdet, was man vor allem erstrebte, der Wohlstand. Allzu sehr standen die wirtschaftlichen Zwecke im Vordergrund der städtischen Gemeinwesen, als dass der Krieg für diese etwas anderes hätte sein können als ein notwendiges Übel. Auch in dieser Beziehung treffen wir in den Städten auf die Vorboten moderner Anschauungsweise. Außerdem hatte der Krieg gerade für die Städte noch seine besonderen Schwierigkeiten. Zu allen größeren Unternehmungen bedurfte man doch, besonders sobald Landdienst zu tun war, der Söldner. Die Söldnerführer aber, adelig oder bürgerlich, sind in den Händen der Fürsten fast durchweg ein lenkbareres Werkzeug gewesen als in denen der Städte. Mehr noch als jenen sind sie mit ihren Haufen diesen zur unerträglichst Last und Plage geworden. Kein Wunder, dass man sich nicht gern mit ihnen einließ. Wenn es gar nicht anders gehen wollte, haben allerdings auch die Städte verstanden, zeitweise mit Energie und einzeln ja auch mit glänzendem Erfolge das Schwert zu führen, besonders gegen Dänemark, wenn es sich um ihre Lebensfrage, ihre Stellung in den Gewässern der Ostsee, handelte; aber Jahrzehnte lästiger Plackereien, ermüdender Verhandlungen, endlos geübter Nachsicht und Geduld sind doch manchmal vergangen, ohne dass die Möglichkeit, einen verwickelten Knoten mit dem Schwerte zu durchhauen, auch nur in ernstliche Erwägung gezogen worden wäre. Wohl aber ist man immer rasch bei der Hand gewesen, wenn es galt, räuberischem Unwesen privater oder auch offiziöser Kaper zu steuern. Aber es ist bezeichnend genug, dass man in den Hansestädten nur von ,,Friedeschiffen“ sprach, wenn man solche Zwecke verfolgte, dass man ,,Friedeburgen“ ballte, um unruhige Gesellen im Zaume zu halten.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Hanse und ihre Handelspolitik