Die Deutschen - ein Ostseevolk

Diese Kolonisierung aber machte die Deutschen zu einem Ostseevolk, setzte sie in den Besitz der langen mündungsreichen Küste von den Föhrden Schleswigs bis zu den Klippen des finnischen Meerbusens. Es ist wohl behauptet worden, dass Herrschaft auf der Ostsee gleichbedeutend sei mit Herrschaft auf dem Meere überhaupt. In der Tat haben die Völker, die nach einander den Handel in der Ostsee beherrschten, Deutsche (Hansen), Holländer, Engländer, einander auch abgelöst in der Herrschaft über die Meere. Noch heute ist die Ostsee das befahrenste aller Meere; dem Verkehr durch den Sund kann keine andere Meerenge etwas Gleiches an die Seite stellen. Wie viel mehr behauptete sie diese Stellung zu einer Zeit, da man eine transatlantische Fahrt noch nicht kannte, da die Schifffahrt des Mittelmeers mannigfach gehemmt wurde durch die Feinde der christlichen Religion, da es zudem eine direkte Berührung zwischen diesen beiden mittelalterlichen Verkehrsgebieten kaum gab. Allerdings war schon deutscher Handel vertreten gewesen auf dem baltischen Meere vor den Tagen Heinrichs des Löwen, ehe noch deutsche Bevölkerung irgendwo an die Gestade dieses Binnenmeeres hinanreichte. Unter den zahlreichen Münzfunden Gotlands besonders ist kein Geld entfernt so stark vertreten als deutsches; man schiffte sich im dänischen Hafen Schleswig oder im slavischen Stargard (Oldenburg in Ostholstein) ein, begleitete die heimische Ware auf den fremden Fahrzeugen. Aber wie musste die Bedeutung der Deutschen auf diesem Meere wachsen, als nun an seinen Küsten eine deutsche Stadt nach der andern erstand, als sein Rücken sich belebte mit deutschen Kreuzfahrern, Glaubensboten, Auswanderern, mit den immer zahlreicher werdenden Händlern, die den Verkehr zwischen der Fremde und der Heimat vermitteltem. Überaus rasch ist Lübeck, der eigentliche Mittelpunkt dieses Verkehrs, sind dann zahlreiche andere Städte der Ostseeküste bis nach Reval hinaus gewachsen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Hanse und ihre Handelspolitik