Das Aufkommen der Hanse

Das Aufkommen der Hanse kann nur verstehen wer sich jener großartigen kolonisatorischen Tätigkeit erinnert, die ihres Gleichen nicht hatte vor der Besiedelung der von Englands Herrschaft befreiten Vereinigten Staaten, die in der Geschichte der Kolonisation allein durch sie übertroffen wird, jener Tätigkeit, welche die weiten Gebiete östlich der Elbe und Saale germanisierte oder weit hinaus mit verstreuten Posten deutscher Kultur übersäte. Ihr Schwerpunkt fällt in eine verhältnismäßig kurze Spanne Zeit, recht eigentlich in die Periode der Staufer. Gerade in jenen Tagen, wo Kaiser und Papst um die Weltherrschaft stritten, wo die deutschen Könige energischer als je zuvor die Unterwerfung Italiens erstrebten, wo der Kreuzzugsgedanke auch die Deutschen ergriff und endlose Scharen ihrer tüchtigsten Leute zu Tod und Verderben ins Morgenland trieb, gerade damals füllte sich auch der Osten mit deutschen Ansiedlern, gerade damals hatte unser Volk noch Kraft genug, die größte kolonisatorische Arbeit zu vollbringen, die ihm je gelungen ist. Hier wirkte der großartige Anstoß, der unserem Volke gegeben war durch die Kaiserpolitik, durch die Tatsache, dass es sich Aufgaben stellte, deren Lösung die Zeit verlangte, und an die keine andere Nation des Abendlandes doch auch nur ernstlich denken konnte. Unser Volk stand an der Spitze der Christenheit, und diese Stellung äußerte ihre Wirkung nach den verschiedensten Seiten.

Friedlich mehr als kriegerisch vollzog sich jene Ausbreitung des Deutschtums. Die Gewalt kam eigentlich nur da zur Anwendung, wo zu dem nationalen Gegensatz der religiöse trat, wo sich in den Marken, in Mecklenburg und Vorpommern, in den Ländern der Preußen, Letten, Liven und Esten das Heidentum lange genug erhalten hatte, um erst von den Deutschen gebrochen zu werden. Und auch hier folgte die friedliche Arbeit der gewaltsamen Niederwerfung auf dem Fuße, sicherte, befestigte, erweiterte ihre Resultate. In den weiten Gebieten der böhmischen und polnischen Krone, in den Ländern der Herzoge von Pommern und Pommerellen, nach dem ersten erfolglosen Widerstande und dem Übertritt zum Christentum auch in Mecklenburg, waren es die einheimischen, nationalen Herrscher, die den Deutschen ins Land zogen, die ihre slavischen Ortschaften in Städte mit deutschen Bürgern und deutschem Rechte umwandelten, die den Ertrag ihrer Ländereien zu fördern suchten, indem sie den Slaven und seinen hölzernen Haken durch den Deutschen und seinen ertragreicheren eisernen Pflug zu ersetzen bemüht waren. So kam es, dass alles Städtewesen des Ostens bis weit hinaus über die Weichsel deutschen Charakter, dass alles Gebiet bis über die Oder eine geschlossen deutsche ländliche Bevölkerung erhielt; so erklärt es sich, dass die gute Hälfte aller Bewohner des gegenwärtigen deutschen Reiches auf Boden wohnt, den beim Inslebentreten dieses Reiches durch den Vertrag zu Verdun noch kein Deutscher bebaute.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Hanse und ihre Handelspolitik