Fortsetzung

Übrigens erfuhr Friedrich der Große im siebenjährigen Kriege, welchen Nachteil es bringe, dass die preußischen Küsten wehrlos jedem Feinde offen lagen. Sowohl die schwedische als die russische Marine war in schlechtem Zustande: wenn Friedrich nur über wenige seetüchtige Kriegsschiffe geboten hatte, würde es ihm nicht schwer gefallen sein, den Schweden Stralsund zu nehmen, das mehrmals ihre einzige Zuflucht bildete, und die Landungen der Feinde in Pommern und Preußen zu hindern. So aber drang er vergebens in die ihm verbündete englische Regierung, zu seinem Beistande ein Geschwader in die Ostsee zu senden: sie beteuerte, ihrer gesamten Marine zum Schutze der britischen Inseln und zum Kolonialkriege zu bedürfen; überdies nahm sie Anstand, den britischen Handel mit Russland einer Unterbrechung auszusetzen. Zu spät und mit unzureichenden Mitteln ward preußischerseits der Versuch gemacht, für die Verteidigung von Stettin eine Haff-Flottille zu rüsten. Hierfür wurden unter den Kauffahrteischiffen acht gedeckte Fahrzeuge ausgewählt, dazu vier offene Küstenfahrer. Diese wurden mit 20 schweren und einer Anzahl leichter Geschütze und Mörser versehn und mit 550 Mann besetzt. Den Oberbefehl führte Hauptmann von Koller von der Stettiner Garnison.

Die aus dem Stegreife gebildete Flottille ging im April 1759 unter Segel und unternahm es, die Einfahrt aus der Peene in das Haff einem schwedischen Geschwader streitig zu machen, welches 28 Fahrzeuge mit einer Bemannung von 700 Seeleuten und 1.650 Landsoldaten zählte. In der Tat hielt sie mittelst ihrer weitertragenden Geschütze die Schweden, welche seit dem 19. August die Durchfahrt zu erzwingen suchten, wochenlang aus. Endlich, in der Gefahr umgangen zu werden, bestand sie am 10. September 1759 an der Repziner Schar ein Gefecht, in welchem, nachdem zwei schwedische Fahrzeuge in den Grund geschossen und ein drittes in die Luft geflogen war, eins der preußischen Schiffe nach dem andern genommen wurde: nur drei der kleineren retteten sich unter die Kanonen von Stettin. Dass die Preußen sich bis aufs äußerste gewehrt, ward selbst vom Feinde anerkannt. Noch die Gefangenen beharrten in ihrem Trotze. Ihrer 161 wurden auf der Galiot Skildpadden eingeschifft: während der Überfahrt nach Schweden überwältigten sie die Besatzung und lieferten sie samt dem Schiffe im Kolberger Hafen ab.


Nach dem Verluste der einen Flottille rüstete man zu Stettin eine zweite aus. Es waren wiederum zwölf Fahrzeuge mit 478 Mann Besatzung. Diese beschränkten sich darauf, im Verein mit den Strandbatterien den Eingang in das Papenwasser, d. h. das eigentliche Stettiner Fahrwasser, zu verteidigen und dem Feinde auf den Dienst zu lauern. Im Herbste 1761 lag das schwedische Geschwader am Südstrande der Oderinseln bei der Swine: als Wachtschiff war an der gegenüberliegenden pommerschen Küste die Galeere Mars nebst einem kleinen Fahrzeuge aufgestellt: beide zusammen führten 20 Kanonen. Gegen diese fuhren in der Nacht des 5. Novembers, des Jahrestages der Schlacht bei Roßbach, zwei preußische Kapitäne mit 70 Mann in fünf offenen Booten heran, enterten und führten beide Schiffe samt ihrer Besatzung im Triumphe nach dem Hafen von Stettin. Diese Vorgänge bezeugen, welch rüstiger Seemannsmut in den Pommern lebte.

König Friedrich lag es in noch höherem Grade als seinen Vorfahren ob, die Küsten nicht in wehrlosem Stande zu lassen, denn seit dem Aussterben des Hauses Cirksena im Jahre 1744 gehörte Ostfriesland unmittelbar zum preußischen Staate. Der König hatte demnächst von der Emdener Kaufmannschaft Bericht darüber gefordert, was er für die Belebung ihres Handels tun könne, und diese hatte in ihren Vorschlägen die Bitte vorangestellt: „es möge S. Maj. gefallen sich formidabel zu machen zur See." Sie fand damit kein Gehör. Jedoch in anderer Weise suchte Friedrich den Handel zu heben: er machte durch das Patent vom 15. November 1751 Emden zum Freihafen und erteilte einer dort sich bildenden asiatischen Compagnie ausgedehnte Vorrechte. Das Kapital für die neue Unternehmung, bei der es sich vorzüglich um Fahrten nach China handelte, ward in Ostfriesland, in Belgien und zu Berlin gezeichnet. Die Generalstaaten gestatteten auf des Königs Ersuchen den preußischen Schiffen niederländische Häfen anzulaufen, erinnerten aber daran, dass gemäß den Privilegien der holländisch-ostindischen Compagnie Niederländer, welche in deren Dienst gestanden und auf preußischen Schiffen nach Indien führen, strenge und selbst mit dem Tode bestraft
würden.

Der Anfang des Unternehmens war glücklich. Das erste Schiff der Compagnie, „Der König von Preußen," in England angekauft, von 521 Last, mit starker Besatzung und 36 Kanonen ausgerüstet, wie es für eine solche Fahrt nötig war, ging am 21. Februar 1752 nach Canton unter Segel und kehrte am 6. Juli 1753 aus die Reede von Emden zurück. Die Ladung bestand aus roher Seide und Seidenstoffen, Porzellan, Tee und Gewürzen. Zu der Versteigerung, deren Ankündigungen weit und breit verschickt waren, fanden sich viele Kaufleute aus Hamburg, Bremen, Frankfurt, Holland und Brabant ein, ja unter anderen Standespersonen erschien auch Kurfürst Clemens August von Köln und machte große Einkäufe. Auch die folgenden Fahrten lieferten guten Ertrag. Auf die Dauer hielt jedoch die asiatische Compagnie zu Emden sich nicht. Die Holländer taten ihr Abbruch, indem sie durch geheime Werbung mit erhöhtem Lohn so viele Matrosen an sich lockten, dass es der deutschen Handelsgesellschaft an der Bemannung ihrer Schiffe fehlte. Dazu kam der Ausbruch des siebenjährigen Krieges. Unter diesen Umständen schien es geraten, nachdem das letzte Schiff glücklich in England geborgen war, die Compagnie auszulösen und den Kassenbestand unter die Mitglieder zu verteilen.

Minder gute Geschäfte machte die bengalische Compagnie, welche 1753 gleichfalls zu Emden errichtet war. Ihr erstes Schiff strandete in den indischen Gewässern und die großenteils gerettete Ladung ward veruntreut; nachdem ein zweites kleineres Fahrzeug 1762 einen Ertrag von 770.000 fl. geliefert hatte, löste sich auch diese Gesellschaft auf.

Nach hergestelltem Frieden wurden verschiedene Anläufe genommen, neue Handelsgesellschaften ins Leben zu rufen, jedoch ohne wesentlichen Erfolg. Nur eine von Friedrich dem großen mit Vorliebe gepflegte Schöpfung ward eine Quelle reichen Segens für Ostfriesland, die 1769 gestiftete Heringscompagnie, für deren Rechnung der holländische Hering besteuert ward. Im übrigen entbehrte nach wie vor der Handel im preußischen Staate wie in Deutschland überhaupt der Freiheit, welche seine Lebensbedingung ist, und in der Fremde des Schutzes und der Gleichberechtigung mit andern Nationen.

Zwar vertrat Friedrich der Große alles Ernstes das Recht der neutralen Schifffahrt. Im Beginn seiner Regierung, während des österreichischen Erbfolgekrieges, untersagte er seinen Untertanen Kriegskontrebande zu laden und Schiffe auszuleihen, aber zugleich ersuchte er die Regierungen von England und Frankreich, ihre Kaperschiffe anzuweisen, die preußische Flagge zu respektieren. Indessen belästigten die Engländer den Handel der Neutralen auf alle Weise und brachten auch mehrere preußische Schiffe auf: von diesen wurden einige für gute Prise erklärt, weil sie für französische oder spanische Rechnung befrachtet seien, andere nach langem Hinhalten und vielen Unkosten zwar freigegeben, aber ohne alle Entschädigung. Dabei beruhigte sich König Friedrich nicht. Er verteidigte den Grundsatz: frei Schiff, frei Gut, und bestritt den Anspruch des englischen Admiralitätsgerichts über neutrale Schiffe abzuurteilen. Da die englische Regierung allen seinen Vorstellungen zuwider auf dem Satze bestand, dass über gemachte Prisen von den Gerichten des Landes erkannt werde, dem der Kaper angehöre, schritt König Friedrich zu Repressalien: er deponierte im Jahre 1752 die letzte Quote der bei der Abtretung Schlesiens von ihm übernommenen österreichisch-englischen Anleihe — 45.000 £. St. — beim Kammergerichte auf so lange, bis die englische Regierung seinen Untertanen Schadenersatz gezahlt habe. So lag die Sache, bis England in den Fall kam, Preußens Freundschaft zu suchen. In dem am 16. Januar 1756 geschlossenen Vertrage von Westminster machte die englische Regierung sich verbindlich, „um jeden Anspruch des Königs von Preußen und seiner Untertanen zu tilgen," 20.000 £. St. zu zahlen, wogegen preußischerseits der auf die schlesische Schuld gelegte Beschlag aufgehoben ward.

Über den völkerrechtlichen Grundsatz war mit der in diesem Falle gewährten Schadloshaltung nicht entschieden. Erst mit der Gründung der Vereinigten Staaten von Nordamerika ward sowohl die engherzige Kolonialpolitik der Seemächte durchbrochen als ein weiterer Schritt zum Schutze des Rechtes der Neutralen getan.

Jeder edeldenkende Brite selbst freute sich, dass Amerika der Willkür der englischen Regierung widerstand. Aus Deutschland wurden zu tausenden Soldaten in den englischen Dienst nach Amerika verkauft, von Fürsten, deren Stuhl seitdem umgestürzt und deren Stamm verdorrt ist: Friedrich der Große dagegen begleitete den Aufstand der Amerikaner mit unverhohlener Teilnahme. Er trat auch im Jahre 1781 der von der Kaiserin Katharina von Russland erlassenen Deklaration der Neutralität bei, welche gegen das von England behauptete Seerecht gerichtet war. Als nach geschlossenem Frieden die Vereinigten Staaten Benjamin Franklin, Thomas Jefferson und John Adams nach Europa sandten, um Handelsverträge abzuschließen, war König Friedrich der erste, der ihnen die Hand bot. Mit dem am 10. Sept. 1785 unterzeichneten preußisch-amerikanischen Vertrage wurde der Schifffahrt auch in Kriegszeiten eine Freiheit zugesprochen, die bis dahin ohne Beispiel war. Die beiden Mächte verpflichteten sich in Kriegen mit anderen Staaten selbst Kriegskontrebande gegenseitig nicht mit Beschlag zu belegen, und wenn zwischen ihnen selbst Krieg entstehen sollte, ihn allein gegen Bewaffnete zu führen und keine Kaper auszusenden: der Krieg soll nicht gegen Kauffahrteischiffe und nicht zur Unterbrechung des Handels geführt werden. Dieser Vertrag, mit welchem eine neue Epoche des Seerechtes anhebt, ist noch heute gültig: er bildet die Grundlage zu den in den späteren Verträgen zwischen Preußen und Nordamerika von 1799 und 1828 getroffenen näheren Bestimmungen. Die Abschaffung der Kaperei und die Freiheit der neutralen Flagge und der neutralen Ladung ist auf dem Pariser Kongresse von 1856 von den europäischen Mächten als völkerrechtliche Satzung vereinbart. Es lag nicht an Preußen, dass nicht auch den Kriegsschiffen das Recht entzogen wurde, Privateigentum des Feindes anzutasten. Im letzten Kriege haben wenigstens sowohl Preußen und Italien als Österreich durch förmliche Erklärungen die Feindseligkeiten wie zu Lande so auch zur See allein auf den bewaffneten Gegner beschränkt.

Zwischen dem preußisch-amerikanischen Vertrage von 1785 und der jüngsten Reform des Seerechtes liegt die Periode der französischen Revolution und der napoleonischen Gewaltherrschaft, gegen welche Großbritannien fast ohne Unterbrechung aus allen Kräften ankämpfte. So oft auch die Entwürfe der Briten auf dem Festlande fehlschlugen, sie behaupteten umso nachdrücklicher die Seeherrschaft auf Kosten Frankreichs und seiner Verbündeten. Napoleon dagegen unternahm es, sobald er Preußen niedergeworfen hatte, die Kontinentalsperre zu proklamieren, um damit die Industrie und den Kolonialhandel Englands zu lähmen. Darunter litt die deutsche Schifffahrt schwer. Zwar die Bremer Schiffe fanden in Amerika eine Freistatt und reichen Verdienst, aber die von Hamburg und andern Städten verfaulten im Hafen. Als endlich das Joch der Fremdherrschaft abgeworfen war, hofften alle Patrioten auf die, Neugestaltung eines einigen mächtigen Deutschlands, und wurden stattdessen abgefunden mit der Kleinstaaterei und der Bundesakte. Ein Bundesheer ward angeordnet, aber einer deutschen Marine ward nicht gedacht; eine Lebensfrage des deutschen Volkes ward im 19. Artikel der Bundesakte mit den leeren Worten abgetan: „Die Bundesglieder behalten sich vor, bei der ersten Zusammenkunst der Bundesversammlung in Frankfurt wegen des Handels und Verkehrs zwischen den verschiedenen Bundesstaaten so wie wegen der Schifffahrt in Beratung zu treten."

Und bedurfte etwa der deutsche Handel im Frieden keines kräftigen Schutzes mehr? Oder versäumte er seine Anliegen geltend zu machen? Keineswegs. Aber unerhört verhallten bei den Stimmführern des Bundes die Klagen unserer Handel- und Gewerbetreibenden, dass Deutschland für alle Fremden ein offener Markt sei, während die deutschen Erzeugnisse und die deutsche Schifffahrt durch die Prohibitivgesetze anderer Länder ausgeschlossen oder unbillig belastet seien. Durften doch die eben erst durch unsere Waffen befreiten Holländer sich erkühnen, uns von neuem den Rhein zu sperren und mit der Behauptung, die Worte der Verträge:la navigation sur le Rhin du point où il devient navigable jusqu’à la mer et réciproquement sera libre, besagten: „bis an das Meer", nicht „bis in das Meer", unsere Diplomaten am Narrenseile zu führen, bis endlich am 31. März 1831 in der 514. Sitzung der Zentralkommission die Rheinschifffahrtskonvention zu Stande kam, deren durchgreifende Verbesserung erst in jüngster Zeit auf Betrieb Preußens erfolgte.

Der im Jahre 1820 zu Wien versammelten Ministerkonferenz überreichte ein Verein von Kaufleuten und anderen angesehenen Bürgern Hamburgs, der antipiratische Verein, eine Denkschrift, in welcher dargelegt wurde, dass die Einheit der deutschen Handels- und Gewerbepolitik das Haupterfordernis sei, um Deutschlands Wohlstand zu heben. Dabei ward erbeten 1) eine Nationalflagge, begleitet von einer Navigationsgesetzgebung zur Aufhilfe der Schifffahrt unserer Küstenstaaten, „welche in der traurigsten Lage ist, weil wir einen Teil unseres eigenen Handels mit fremden Schiffen führen müssen," 2) Abstellung der Seeräuberei der Barbaresken. „Die Schifffahrt der Deutschen", sagt die Denkschrift, „leidet durch dieses Unwesen mehr als diejenige irgend einer andern Nation, da auf den bedrohten Meeren ihre Flagge, wenn solche nicht zugleich diejenige einer fremden Krone ist, welche mit den Barbaresken Traktate abgeschlossen, gar nicht erscheinen darf." Die Tatsachen waren unleugbar, die Übelstände schreiend, aber wie konnten allgemein deutsche Anliegen zur Geltung kommen, wo nur der Sondergeist und das Sonderinteresse gebot?

Die Barbaresken hatten sich seit Anfang des Jahrhunderts wieder mehr geregt. Öfters hatten die Marokkaner deutsche Schiffe gekapert und die Mannschaften zu Sklaven gemacht. Dann wurden wohl Kirchenkollekten bewilligt um die Verunglückten loszukaufen. Hatte man sich doch gewöhnt, wie eine Überschwemmung oder einen Hagelschlag hinzunehmen, was zu dulden für ein großes Volk die ärgste Schmach war. Hamburg hatte im Jahre 1802 mit dem Sultan von Marokko einen Friedensvertrag geschlossen, wie man ihn beschönigend nannte, d. h. es hatte sich mit einem jährlichen Tribut von 5.000 spanischen Thalern einen Freibrief erkauft. Die Zahlung erfolgte etwa acht Jahre, bis die napoleonische Herrschaft der Hamburger Schifffahrt ein Ende machte. Nach Napoleons Sturze war wieder die alte Not: die Flaggen der Hansestädte waren von wichtigen Seegebieten ausgeschlossen oder den Angriffen der Korsaren ausgesetzt. Zu wiederholten Malen nahm sich die englische Regierung der Beraubten an: endlich aber drängte der Sultan und forderte im Jahre 1829 von den drei Hansestädten, wenn sie Frieden haben wollten, eine jährliche Abgabe und die Rückstände seit 1802. Die Hansestädte erließen darauf an den „erhabenen und ruhmwürdigen Monarchen, den mächtigen und sehr edlen Fürsten, Seine kaiserliche Majestät Sultan Abderrahman" ein Antwortschreiben, in welchem sie sich zu Verhandlungen unter englischer Vermittlung erboten. Indessen ward die Sache in die Länge gezogen, bis die französische Expedition nach Algierden Barbaresken einen so heilsamen Schrecken versetzte, dass ein Vertrag mit Marokko über Tributzahlung unnötig ward. Seit dieser Zeit wagten auch Schiffe deutscher Flaggen in das Mittelmeer einzulaufen.

Inzwischen war der Anfang dazu gemacht, ein deutsches Handelsgebiet herzustellen. König Friedrich Wilhelm III schuf durch das Gesetz vom 26. Mai 1818 ein einheitliches Zoll- und Steuersystem für den preußischen Staat und hob alle Binnenzölle auf. Zugleich stellte er für die mit anderen Staaten abzuschließenden Verträge gegenseitige Handelsfreiheit als Grundlage hin und fasste den Entschluss, in Deutschland „übereinstimmende Anordnungen von Grenze zu Grenze weiter zu leiten, welche den Zweck haben, die inneren Scheidewände mehr und mehr fallen zu lassen." Lange sträubten sich die Kleinstaaten; sie versuchten sich an Zollsonderbündnissen: endlich bequemte sich einer nach dem andern, die dargebotene Hand zu ergreifen und in den preußischen Zollverein einzutreten. Darüber verging manches Jahr; erst 1853 ward die Zollgrenze an die Nordsee vorgeschoben: erst im vorigen Jahre sind bis auf die Freihäfen Hamburg, Altona und Bremen die letzten Zollschranken innerhalb Deutschlands gefallen. Nunmehr ist auch das Veto der Einzelstaaten beseitigt, das so lange ein wesentliches Hindernis unserer Zollgesetzgebung bildete.

Bevor dieses Ziel erreicht ward, haben wir noch die bitteren Früchte von unserer Ohnmacht zur See geerntet. Wir haben es erlebt, dass in den Jahren 1848 und 1849 die Dänen vor jeden unserer Ströme ein Kriegsschiff legten und damit den deutschen Handel sperrten, so weit er sich nicht unter fremder Flagge barg. Der Bundestag zu Frankfurt hat das Maß der Schande erfüllt, als er die zum Teil aus freiwilligen Beisteuern gerüsteten Kriegsschiffe, die Erstlinge einer deutschen Marine, in öffentlicher Versteigerung unter den Hammer brachte. Ja noch in dem letzten Kriege mit Dänemark haben wir erlebt, dass, während die preußischen Häfen blockiert wurden, Mecklenburger sich vergnügt die Hände rieben, dass sie nun um so besser ihren Weizen nach Kopenhagen verschiffen konnten, denn sie waren in Frieden mit Dänemark. Aber Preußen war doch nicht mehr wehrlos zur See. Am 14. März 1864 lieferte unsere junge Flotte das erste Gefecht auf der Höhe von Jasmund. Drei Schiffe der königlichen Marine mit 42 Geschützen, befehligt von den Kapitänen Jachmann, Werner und Kuhn, bestanden rühmlich den Kampf gegen sechs größere dänische Schiffe mit mehr als 170 Geschützen.
Die Regierung unseres Königs hatte es nicht an sich fehlen lassen, auch die übrigen deutschen Staaten zu gemeinsamen Anstalten für den Schutz der Küsten und der Schifffahrt zu vermögen. Aber am Bundestage schlummerte auch diese Sache. Nicht einmal mit den Nordseestaaten ließ sich ein Verständnis über eine Kanonenboot-Flottille und Küstenbefestigungen erreichen, da der hannoversche Hof, dem 1815 auch Ostfriesland zugefallen war, es darauf abgesehen hatte, statt einer einheitlichen Seemacht eine abgesonderte Rüstung für die Nordsee mit Ausschluss Preußens auf die Bahn zu bringen. So blieb es dabei, dass bis zum Jahre 1866 die Mündungen unserer Flüsse in die Nordsee wehrlos blieben, dass überall keine einheitliche deutsche Flagge, keine Gesamtvertretung, kein gemeinsamer Schutz zur See bestand.

Dank unserem erhabenen Monarchen und seiner sieggekrönten Regierung ist diese Schmach des deutschen Namens getilgt. Die deutsche Schifffahrt ist unter der einen norddeutschen Flagge ebenbürtig den anderen Nationen beigesellt: die bevollmächtigten Vertreter des norddeutschen Bundes nehmen die Gerechtsame des deutschen Kaufmanns und Seemanns wahr: die norddeutsche Marine sichert unsere Küsten und entfaltet ihre Wimpel auf den Weltmeeren, für alle in der Ferne zerstreuten Deutschen ein freudig begrüßtes Panier. Unsere Seeleute, die Preußen, Pommern, Mecklenburger, Schleswig-Holsteiner, Niedersachsen und Friesen dürfen sich mit jeder Nation messen in Erfahrung und Zucht und Todesverachtung: ihrer aller Losung ist das strenge Wort, das an dem Hause Seefahrt zu Bremen geschrieben steht: navigare necesse est, vivere non necesse est. Zum ersten Male seit Jahrhunderten dienen sie insgesamt frei von fremder Botmäßigkeit dem geeinigten deutschen Vaterlande, das zu frischen Ehren erstanden ist.

Das ist das Werk, welches von seinen erlauchten Vorfahren überkommen, unser König zu einem glorreichen Ziele geführt hat. Möge Gott sein Regiment auch ferner segnen und beschirmen; möge König Wilhelm I noch lange die Hand am Steuer halten, mit jugendlicher Kraft im Greisenalter, zu eigener Freude und zum Heile des deutschen Vaterlandes!