In den Zeiten der Kreuzzüge

Die deutschen Schiffer beschränkten sich nicht auf kurze Fahrten. In den Zeiten der Kreuzzüge liefen aus den Mündungen unserer Ströme ganze Geschwader aus, um Palästina auf dem Seewege zu erreichen. Mit Hilfe deutscher Kreuzfahrer ward im Jahre 1147 Lissabon den Mauren abgenommen. Bei dem großen Kreuzzuge von 1190, auf dem „der edel Stoufaere, der Kaiser Friderich, verdarp," landeten Bürger von Köln, Bremen, Hamburg, Lübeck bei Akka und nahmen Teil an der Stiftung des deutschen Ordens. Und nicht bloß im Morgenlande wirkte das deutsche Rittertum und Bürgertum zusammen: bald eröffnete sich ihrer gemeinsamen Tätigkeit ein neues Gebiet im baltischen Norden.

Schon hatten die Deutschen die Ostseeländer in den Bereich ihrer Unternehmungen gezogen. Um die Mitte des zwölften Jahrhunderts setzten sich Markgraf Albrecht der Bär von Brandenburg und Herzog Heinrich der Löwe von Sachsen in dem Wendenlande fest, und was das Schwert erobert, ward durch den Fleiß deutscher Bürger in den neugegründeten Städten, durch die Ansiedlungen deutscher Bauern auf dem Lande zu bleibendem Eigentum gesichert. Die Pflanzung der christlichen Kirche wirkte zu demselben Ziele hin. Bald folgten dem Beispiele der deutschen Eroberer auch wendische Fürsten: die deutschen Niederlassungen, vorzüglich von Holland, den Rheingegenden und Westfalen her, breiteten sich aus in Mecklenburg, Pommern, bis nach Polen hinein.


Hand in Hand damit ging der Handelsverkehr. Von der Nordsee aus begann die Schifffahrt sich nach den baltischen Meeren zu erstrecken. Schon im Anfange des zwölften Jahrhunderts ließen sich Deutsche aus der Insel Gothland nieder, zu Wisby, das bald der Stapelplatz für den ganzen Norden wurde: sie entdeckten die Einfahrt in die Newa und suchten den Markt von Nowgorod am Wolchow aus; im Jahre 1158 liefen Bremer in die Düna ein, wo später von ihnen Riga erbaut ward. An diesen Fahrten nahmen auch Bürger aus dem Binnenlande Teil. So empfing z. B. Soest in Westfalen 1232 vom Dänenkönige einen Schutzbrief gegen das Strandrecht; unter den deutschen Kaufleuten aus Gothland, welche 1228 den Handelsvertrag mit den Russen von Smolensk abschlossen, waren Bürger von Soest, Münster, Groningen und Bremen.

So ward der deutsche Handel aus der Ostsee eröffnet: bald sollte er eine wirksamere Pflege finden von deutschen Ostseestädten aus, welche in raschem Wetteifer gegründet wurden.

Im Jahre 1158 ward Lübeck erbaut, 1170 Rostock, um 1200 Riga, in den nächsten Jahrzehnten Stralsund, Greifswald, Wismar. Der deutsche Ritterorden unternahm seit 1227 den Kampf gegen die heidnischen Preußen. In das eroberte Land rief er deutsche Ansiedler in Menge und veranlasste die Gründung einer langen Reihe von Städten, vom Weichselgebiete bis Livland, wo der mit ihm verbündete Schwertorden gebot. Ich nenne Elbing, Memel, Königsberg: neben ihnen verjüngte sich die alte Stadt Danzig und gewann ein vorwaltendes Ansehen. Alle diese Orte erwuchsen unter gleichmäßiger Pflege der Gewerbe und des Handels. Ihr Recht und ihre Verfassung entlehnten sie meist von Lübeck, welches nach erlangter Reichsfreiheit sich zu dem wichtigsten „Kaufhause" des Nordens ausbildete.

Seitdem entwickelte sich der deutsche Handel in zwei Richtungen. Der oberdeutsche, welcher die Verbindung mit Italien und dem Rhonegebiete unterhielt, blieb abhängig von den weithin gebietenden südlichen Handelsplätzen, namentlich von Venedig und Genua. Ungleich selbständiger gedieh der niederdeutsche Handel, dessen Hauptmärkte in der Fremde Brügge, Antwerpen, London, Bergen in Norwegen, Wisby, Nowgorod bildeten. An jedem dieser Stapelplätze genossen die deutschen Kaufleute in der Regel unter einander gleiches Recht: sie schlossen sich zusammen als „die gemeinen deutschen Kaufleute", „die Kaufleute aus des Kaisers Lande," die „Gilde" oder „Hanse" der Deutschen.

Das Kaisertum erschöpfte sich in dem Kampfe um Italien und dem Streite mit dem Papsttum. Es kam „die kaiserlose, die schreckliche Zeit", und wenn dann auch die Kurfürsten wieder deutsche Könige und Kaiser erwählten, eine Reichsregierung, welche die allgemeinen Interessen der Nation wahrgenommen hätte, hat seit dem Untergange des Musischen Hauses nicht mehr bestanden.

Die deutschen Städte waren von Kaiser und Reich verlassen: aber in ihren Bürgern lebte der Geist der Eintracht fort. Daher unternahmen sie es sich selbst zu helfen und auch ohne den Kaiser den deutschen Handel daheim und in der Fremde zu vertreten und zu schützen. Die auf allen Seiten drohende Gefahr trieb sie zum Bunde, um sich ihres Lebens und ihrer Lebensbedingungen zu wehren: unter Prüfungen und Wechselfällen, empfindlichen Niederlagen sowohl als rühmlichen Erfolgen, wuchs ihnen die Erkenntnis dessen, was noch tat und was sie mit vereinter Kraft durchführen konnten.