Hansetage, Hansebann, Interessen

Auf den Hansetagen wurden Beschlüsse gefasst über Krieg und Frieden, mit Gesandten fremder Fürsten Verhandlungen gepflogen, Rüstungen und Beisteuern ausgeschrieben, Beschwerden unter den Städten abgestellt, Handelsgesetze erlassen. Das Gedeihen des deutschen Handels hing davon ab, dass auf gute Ware, richtiges Maß und Gewicht und vollgültige Münze gesehen ward. Als einmal nach Nowgorod schlechte Leinwand geliefert war, wurde sie durch Vermittlung von Riga nach Lübeck geschickt, um zu untersuchen wo sie verfertigt sei. Eisenach ward verklagt gefälschten Hopfen geliefert zu haben, und führte eine Gegenbeschwerde, dass in den Heringstonnen sich oben gute und unten faule Fische vorgefunden hätten. Die gegenseitige Überwachung diente dazu, dergleichen Betrug zu unterdrücken und den Kredit der Hanse zu behaupten. Mit dem Handel blühte der Gewerbefleiß empor: denn die Naturprodukte der fremden Länder wurden eingetauscht gegen die Arbeiten der deutschen Handwerker, welche mit seinem Sinn und reicher Erfindungsgabe die rohen Stoffe sowohl für den täglichen Bedarf als zum Schmuck der Frauen, der Waffenrüstung der Männer kunstgerecht zu formen und zu gestalten wussten. So erzeugte eine Tätigkeit die andere und brachte einen Wohlstand zuwege, dessen Früchte nicht bloß dem einzelnen, sondern auch den Gemeinden zu gute kamen. Des sind Zeugen die prächtigen Kirchen und die stattlichen Rathäuser, welche unsere Vorfahren erbaut haben, ihren Städten zur Zierde und sich zu rühmlichem Gedächtnis.

Die gegenseitige Überwachung der verbündeten Städte und die gemeinsamen Anordnungen wurden meistens gütlich vereinbart: beharrte aber eine Stadt in Widersetzlichkeit, so diente der Hansebann dazu, sie gefügig zu machen. Ich erwähnte bereits, dass Bremen wegen eines bundbrüchigen Einverständnisses mit Norwegen, Braunschweig wegen der Empörung gegen den Rat der Stadt verhanst, d. h. zeitweilig von jeglichem Geschäftsverkehr, ausgeschlossen wurden. Ähnlich verfuhr man gegen fremde Länder. Wurden die Verträge verletzt und die deutschen Kaufleute geschädigt, so ward der Verkehr mit einem solchen Lande verboten. Mehr als einmal hat diese Handelssperre hingereicht, ohne Waffengewalt die Aufrechthaltung der Verträge zu erzwingen.


Das Band, welches die Hansen zusammenhielt und sie stark machte, war die Treue gegen das gemeinsame Vaterland: so lange sie diese bewahrten, durften sie der Feinde spotten und des Erfolges ihrer Unternehmungen gewiss sein. Wie entschieden sie es für ihren Beruf erkannten, das deutsche Volk und dessen Arbeit zu vertreten, lehren u. a. ihre Schifffahrtsgesetze. Es war untersagt, aus anderen als auf deutschen Schiffen Waren auszuführen und einzuführen: die Bemannung durfte nur aus deutschen Seeleuten bestehen. Jedes Schiff war zum Kampf mit Seeräubern bewaffnet und musste so gebaut sein, dass es auch zum Kriege dienen konnte.

Mit besonderer Sorgfalt wurden die auswärtigen Comtore gepflegt und bewacht, denn auf ihnen ruhte ja vorzüglich der Handelsertrag. Denkwürdige Zeugnisse des ehrenfesten und klugen Sinnes der Hansen sind die Ordnungen des deutschen Hofs von St. Peter zu Nowgorod, welche in das 13. Jahrhundert hinaufreichen und die Statuten des Stahlhofs zu London von 1437. Der letztere umfasste eine ansehnliche Zahl von Gebäuden oberhalb der Londoner Brücke, Speicher, Geschäftsräume, Läden, Festhallen, Gärten: das ganze war von einer Ringmauer umschlossen. Dort wohnten die Mitglieder der Gilde, die Meister samt ihren Gesellen: an ihrer Spitze stand ein Alderman, den die Meister alljährlich wählten: diesem waren zwei Gehilfen und neun Beisitzer zugeordnet. Die Meister waren verpflichtet ihre Waffen für den Dienst der Stadt London in gutem Stande zu erhalten. Der Alderman sprach Recht und handhabte strenge Zucht. Weder Meister noch Gesellen durften Weiber haben; Schimpfreden und Schläge wurden mit Geld gebüßt, Trunkenheit, Würfelspiel, Unkeuschheit nachdrücklichst geahndet.

Mehrere Menschenalter hindurch hat die Hanse die deutschen Interessen zur See rühmlich und erfolgreich vertreten, aber gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts kündigte sich der Rückgang ihrer Macht an. So lange die Städte einig waren, hatte es ihnen wenig geschadet, dass sie an Kaiser und Reich keinen Rückhalt hatten. Aber die wachsende innere Zerrüttung Deutschlands, die zunehmende Rechtsunsicherheit, die ausschließliche Geltung der Sonderinteressen wirkte auch auf die Hanse zurück.

Geraume Zeit hatte das Band gleicher Interessen sie zusammengehalten, aber mehr und mehr traten die Mängel ihrer Verfassung hervor. Es fehlte ihnen die ständige, von allen anerkannte Oberleitung, die unverbrüchliche Eintracht, welche niemals aus Bündnissen gleichberechtigter Genossen hervorgeht, sondern welche nur ein einheitlicher Staat gewährleisten kann. Sowohl innerhalb der einzelnen Bürgerschaften als zwischen Stadt und Stadt ging der Same der Zwietracht auf. Der sichere Bestand des städtischen Regiments wurde durch Aufstände der Zünfte erschüttert, Binnenstädte und nicht unmittelbar beteiligte Seestädte entzogen sich ihren Verpflichtungen, die östlichen und westlichen Städte entzweiten sich: und über ihnen stand keine versöhnende und vermittelnde Macht, denn der kaiserliche Hof erachtete es nicht seines Amtes, den Bund zu stärken, an dem seine eigene Ohnmacht offenbar geworden war.

Während das deutsche Reich aus den Fugen ging, schlossen sich auswärtige Staaten fester zusammen. Waldemars Tochter Margaretha, eine Frau von männlichem Geiste, vereinigte die Kronen von Dänemark, Norwegen und Schweden auf ihrem Haupte, und wenn auch unter ihren schwachen Nachfolgern die zu Kalmar geschlossene nordische Union sich wieder löste, so blieben doch Dänemark und Norwegen unter einem Oberhaupte. Diese Fürsten unternahmen die Eroberung von Schleswig, das die Holsteiner mit standhafter Ausdauer verteidigten, trotz dem Kaiser Sigismund, der den dänischen König begünstigte, trotz der schwankenden Haltung der Hansestädte, bis diese schließlich einsahen, was ihre eigene Sicherheit forderte, und hilfreiche Hand leisteten, um Schleswig als ein Bollwerk Deutschlands zu behaupten.