Bündnisse des Jahres 1241

Im Jahre 1241 verbanden sich Lübeck und Hamburg zu gegenseitigem Schutze; ihnen schlossen sich Braunschweig, Lüneburg, Bremen, Köln, Magdeburg an; bald breitete sich der Bund nach allen Seiten aus und nahm größere und kleinere Städte in sich aus. Ich erwähne außer den bereits genannten die wendischen Städte Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, die preußischen Danzig und Elbing, ferner die liv- und esthländischen Riga, Reval, Dorpat, die westfälischen Münster, Osnabrück, Paderborn, Soest, Dortmund, die rheinischen Duisburg, Wesel, Emmerich, Nimwegen, in Holland und Seeland Utrecht, Amsterdam, Dordrecht, Briel. Kurz alle Städte vom finnischen Meerbusen bis zu den Grenzen Flanderns, von der Seeküste landeinwärts, so weit das nördliche Handelsgebiet reichte, bis Krakau, Breslau, Erfurt, Göttingen, Andernach, gehörten kürzere oder längere Zeit dem Bunde an. Aus diesen Bund der Städte ward allmählich der ursprünglich von den Genossenschaften der deutschen Kaufleute an auswärtigen Handelsplätzen gebrauchte Name Hanse übertragen.

Erwägen wir nun, welchen Zwecken die Hanse diente. Der erste und nächste Zweck war gegenseitiger Schutz zu Wasser und zu Lande. Die Straßen sollten sicher sein gegen Gewalt und Raub und frei von willkürlich ausgelegten Zöllen. Deshalb schritten die Hansen mit allem Eifer, so weit ihr Arm reichte, gegen die Raubritter ein und brachen ihre Burgen. In der Fremde suchten sie möglichst auch in Kriegszeiten durch Verträge sich freien Verkehr zu sichern, wie im Vertrage mit Nowgorod vom Jahre 1338 ausbedungen wird: „de ghast scal eynen reynen wech hebben, sunder hindernisse.“ Aus den Meeren waren sie darüber aus, die Seeräuberei und die Ungebühr des Strandrechtes abzustellen, nach welchem der Schiffbrüchige bis auf die Haut ausgeplündert und in die Knechtschaft fortgeschleppt ward. Kaiserliche und päpstliche Schutzbriefe blieben gegen solchen Missbrauch unwirksam: mehr erreichten die Städte durch Einzelverträge mit den Landesherren; aber durchgreifend half ihnen nur ihre eigene Wachsamkeit und der Nachdruck, mit dem sie jeden Eingriff in ihr Eigentum ahndeten.


Gegenseitigen Schutz aber konnten die Städte sich nur dann gewähren, wenn sie einträchtig Friede und Recht unter einander wahrten. Das war das zweite, worauf die Hanse abzweckte, die eigentliche Grundbedingung ihrer Stärke. Mochte auch noch so oft Landfriede geboten werden, im Reiche herrschte das Faustrecht, der Krieg aller gegen alle; Kaiser, Fürsten, Ritter und Bürger waren in immerwährenden Fehden begriffen. Mitten in diesen Spaltungen und Parteiungen befestigten die Städte ihre Eintracht und gelobten über vorkommende Streitfälle sich durch Schiedsrichter zu vergleichen.

Auf diesen Friedestand ward streng gehalten. Im Jahre 1281 brach zwischen Greifswald und Stralsund eine Fehde aus: alsbald legten sich die anderen ihnen nächstverbündeten wendischen Städte Lübeck, Wismar und Rostock darein um den Streit zu schlichten, der, mit unüberlegter Hitze erhoben, die gemeine Freiheit der Kauffahrer in Gefahr bringe: der Stadt, welche abermals den Frieden bräche, ward eine Strafe von 100 M Goldes gesetzt.

Gleichermaßen hielten die Hansen aus Ruhe und Ordnung innerhalb jeder Stadt und aus festes Regiment, wie es den Handelsinteressen entsprach. Das lübische Recht war auch in diesem Stücke das Kleinod der östlichen Seestädte; aber auch bei den übrigen Stadtgemeinden ward darüber gewacht, dass nicht die Zünfte der Handwerker das Regiment an sich rissen. So geschah es mit Braunschweig. Als dort im Jahre 1374 die Zünfte, an ihrer Spitze die Schuster und die Gerber, den alten Rat verjagten, ward die Stadt „verhanst", d. h. mit dem Hansebann belegt, „Hiervon so ward," meldet die Sachsenchronik, „die Stadt sehr ohnmächtig, ihr Reichtum, ihre Stärke verging, dazu ihre Kaufschaft und ihre Handlung." Es blieb ihr nichts übrig, als sich zur Sühne zu erbieten. Auch in Privatverhältnissen bestand Rechtsgemeinschaft. Schuldner aus der einen Stadt konnten in der andern zur Zahlung angehalten werden: in Kriminalfällen ward von der einen aus die andere Berufung eingelegt.

Die Leitung kam durch die Natur der Dinge für die östlichen Gebiete überwiegend an Lübeck, für den Westen an Köln, das für den Handel mit Flandern und England den Mittelpunkt bildete. Bemerkenswert ist ein Streit, den Lübeck und Wisby über das Appellrecht vom Hofe zu Nowgorod 1295 mit einander führten. Für Wisby sprach das Alter des Verkehrs, dennoch entschieden für Lübeck die bedeutendsten Städte der Hanse, unter ihnen Köln, Braunschweig, Magdeburg, Stralsund, Elbing, Riga und Reval.

So entwickelten sich gleichartige Verfassungen, ein gemeinsames Handelsrecht, gemeinsame Gewerbeordnungen: die deutschen Kaufleute, die Hansen, bilden den fremden gegenüber eine geschlossene Einheit. Damit erst war die Möglichkeit einer Handelspolitik gegeben, deren Hauptausgabe in der Vertretung ihrer auswärtigen Handelscomtore lag. Aus manchen derselben, z. B. in Flandern und vorzüglich in London, kam es darauf an durch regelmäßige Leistungen und gelegentlich durch außerordentliche Opfer, z. B. durch Vorschüsse und Darlehen, vertragsmäßige Vorrechte zu erwerben, und es ist in der Tat bewundernswert, mit welchem Geschick die Hansen trotz der Eifersucht der einheimischen Kaufleute ihr Übergewicht Jahrhunderte hindurch behaupteten. Den skandinavischen Reichen dagegen schrieben sie mit den Waffen Gesetze vor, sobald sie in ihren einmal zugestandenen Rechten geschädigt wurden.