Die ältesten Vereine norddeutscher Städte

Das Bürgertum und das Städtewesen haben sich im deutschen Reich im Gegensatz zum Adel, dem landbesitzenden und kriegübenden, und zum großen Teile auch im steten Gegensatze zu dem Fürstentume herausgebildet. Seit den ältesten Zeiten war das von deutschen Völkerstämmen besetzte Landgebiet unter die Glieder des freien Krieger- und Ritterstandes verteilt, und wenn auch nur die wenigsten und die am tiefsten stehenden Glieder desselben sich persönlich mit der Landwirtschaft selbst beschäftigten, so war doch diese neben dem kriegerischen Handwerk der einzige Erwerbszweig, aus dem der glänzende und bedürfnisvolle herrschende Stand seine Nahrung zog. Die eigentlichen Diener und Pfleger des Ackerbaues waren in durchaus gebundenen Verhältnissen und mussten im Dienst weltlicher und geistlicher Fürsten und Herrschaften nach dem unerbittlichen Gebot der Pflicht, so gut die landwirtschaftlichen Kenntnisse und die abhängige Stellung es zuließen, in ziemlich notdürftiger und auf niedrigster Stufe stehender Betriebsweise die unentbehrlichsten Leibes- und Lebensbedürfnisse erzeugen. Das Gewerbe stand wieder in der abhängigsten Stellung zu dieser mangelhaften Landwirtschaft, war an dieselbe in jeder Weise gebunden, arbeitete fast nur für sie und ihre Herren und galt im Ganzen als ein Nebengewerbe, dessen Ausübende an die Scholle gebundene. Untertanen des landbesitzenden Adels und größtenteils in noch untergeordneterer Stellung, als der ackerbauende Teil der Bevölkerung, waren. Aus diesem Zustand der vom Adel, dem freien Krieger- und Ritterstande beherrschten Landwirtschaft rang sich mit dem elften und zwölften Jahrhundert in kräftigem, unbesiegbarem Aufschwung ein Bürger- und Gewerbestand hervor, welcher den späteren Jahrhunderten des Mittelalters einen wesentlich verschiedenen und höheren Charakter aufprägen sollte.

In den aus der Römerzeit erhaltenen Städten des Donau- und Rheingebietes, die fast alle Sitze geistlicher und weltlicher Fürstentümer geworden waren, hatte sich das Gewerbe doch immer noch von meist leibeigenen Untertanen des herrschenden Standes betrieben, zu größerer Verdichtung, zu blühenderem Aufschwunge emporgearbeitet und namentlich in den Zweigen, welche für den Krieg, für die allgemeineren Bedürfnisse größerer Volksmassen, für den feineren Luxus des herrschenden Standes wirken, so dass alsbald ein weitergreifender Handel daraus emporwachsen konnte. Die jetzt rascher fortschreitende Entwickelung des deutschen Reiches und Volkes breitete die Keime des einmal begonnenen städtischen Lebens bald über alle von deutschen Stämmen besetzten Gebiete und weckte überall Gewerbe und Handel als selbstständige, von der Landwirtschaft gelöste Grundlagen und Nährmittel eines neuen mächtigen Standes. Die gleiche Beschäftigung und die gleichen, wenn auch noch nicht klar gewordenen Zielpunkte, die Notwendigkeit, die verschiedenartig gebildeten Gewerbskräfte zu einem weitgreifenden Handelsbetriebe in Vereinigung zu setzen und zu erhalten, derselbe Gegensatz zu dem herrschenden und in den meisten Fällen gegnerischen Stande, das Bewusstsein, einen Boden unter den Füßen zu haben, der zur Befreiung aus gebundenen, fast leibeigenen Verhältnissen und zu dauerhafter Selbstständigkeit alle Bedingungen und Mittel in sich trage, die tiefgreifende, von Jahr zu Jahr wachsende Verbindung unter den neuen Gewerbe- und Handelsplätzen, kurz alle die Lebensbedingungen, welche in Nord- und Süd-Deutschland für das Bürgertum immer dieselben waren und bleiben, gaben den Städten damals auch überall dasselbe unabweisbare Streben nach innerem Ab- und Zusammenschluss, nach einem endlichen und gründlichen Frei- und Selbstständigmachen der neuen Erwerbszweige und des darauf begründeten bürgerlichen Standes. Je zahlreicher und volkreicher die Städte aufblühten, umso mehr wurden der vom Adel beherrschten Landwirtschaft die Arbeitskräfte entzogen; je gewinnreicher und verheißungsvoller die neuen Gewerbszweige sich ausdehnten, um so allgemeiner und unbezwinglicher erwachte im beherrschten Teile der Bevölkerung das Bedürfnis und die Sehnsucht, von jenem zu diesen, vom gebundenen und bedingten Eigentum zu der freien Arbeit, von der Leibeigenschaft zu einer selbstständigen bürgerlichen Stellung überzugehen. Selbst ein Teil des adeligen und ritterlichen Standes folgte dieser Anziehungskraft und suchte in den Städten für größere staatsbürgerliche Selbstständigkeit, für weiter greifenden politischen Einfluss, für eine Befreiung und Mehrung des Eigentums die bessere Gelegenheit. Diese Verhältnisse brachten den herrschenden kriegerischen Stand bald in den feindlichsten Gegensatz zu dem aufwachsenden bürgerlichen, der, unter den Verhältnissen jener Zeit“ nie versöhnt, sich in ununterbrochener Heftigkeit durch alle Jahrhunderte des Mittelalters zieht und fortwährend und überall im Reiche zwischen Fürsten und Städten, Adel und Bürgertum, Ritter und Kaufmann die endlosen Fehden und Kämpfe erzeugt, die jenen Zeiten ihr für alle Zeit gültiges, besonderes Merkmal aufprägen. Fluss- und Landstraßen waren mit steten Gefahren erfüllt, die friedlichen Handelszüge der Bürger glichen den schwergewaffneten Kriegszügen und mussten jetzt zu Kampf auf Leben und Tod, im nächsten Augenblick zum friedlichsten Austausch selbsterzeugter Waren bereit sein. Die Städte, die Sitze der Friedenskünste, umgaben sich mit doppeltem Mauernharnisch, mit bewehrten Türmen und Toren, und hielten zu jeder Zeit, teils aus eigenen Bürgern, teils aus Söldnern eine kriegstüchtige und kriegsbereite Mannschaft. Auch das Handwerk und der Handel waren bewehrt und bewaffnet, und seines Lebens sicher war nur, wer hinter turmhohen Mauern im festen, wohlbewachten Hause mit stets offenen Augen ruhte. Dieser allgemeine Kriegszustand, der bei dem gänzlichen Mangel reichspolizeilicher Einrichtungen und dem stets geschwächten, nach anderen Richtungen gezogenen Ansehen des Reichsoberhauptes nie und nirgends auf die Dauer gedämpft werden konnte, zwang die städtischen Gemeinwesen, in der eigenen Kraft und Wachsamkeit Sicherheit und Schutz für ihre Landstraßen zu suchen und durch Bündnisse mit den nach gleichen Zielen strebenden Nachbarstädten das Fehlende zu ersetzen. Zuerst schlossen die zwei oder drei nächstgelegenen Städte solche Bündnisse, um durch gegenseitige Hülfeleistung die zwischen ihnen laufenden Land- oder Flussstraßen gegen Straßenraub und Bedrückung zu sichern, innerhalb „der vertragschließenden Städte den Bürgern gegen böse Schuldner und Verbrecher Recht zu verschaffen und wechselseitige Handelsfreiheiten festzustellen. Mit den Fortschritten des Städtewesens auf der einen, der fürstlichen Landesherrlichkeit auf der anderen Seite erweiterten sich die Bündnisse, erhielten zahlreichere Mitglieder, weiter greifende Zweckbestimmungen, bis sie zu großen politischen Mächten innerhalb des Reiches emporwuchsen. Süddeutschland mit seinen älteren und früher entwickelten Städten ging vorauf das nördliche Deutschland folgte, um dann den großartigsten und folgenwichtigsten aller städtischen Bünde, den Bund der allgemeinen deutschen Hansa, aus unscheinbaren Anfängen herauszubilden.


Die ersten urkundlich geschlossenen Schutzverbindungen von Städten finden wir in Niedersachsen und Westphalen erst um die Mitte des 13. Jahrhunderts, doch können wir nach der Entwickelung der übrigen Verhältnisse in diesen Gegenden annehmen, dass dieselben in Nordwest-Deutschland früher, als in Nordost-Deutschland, ihren Anfang genommen haben, wenn uns auch urkundlich als das erste Bündnis das zwischen Hamburg und Lübeck erhalten ist. Von den Bündnissen westlicher Städte ist das vom Jahre 1249 zwischen Braunschweig und Städte das älteste, wodurch beide Städte sich unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit den freien Handel auf ihren Märkten gestatten. Im Jahre 1256 sicherten Bremen und Braunschweig sich freien Handel und Schutz der Personen und Güter innerhalb der Mauern zu, im Jahre 1258 Hamburg und Braunschweig mit gegenseitigem Schutzversprechen und der Bedingung, dass auch im Falle eines Krieges zwischen ihren Landesherren, dem Herzog von Braunschweig und dem Grafen von Holstein, der Schutz noch drei Monate nach erfolgter Aufkündigung fortdauern solle. — Auch Köln und Bremen, sowie Bremen und Hamburg vergleichen sich um diese Zeit dahin, dass sie die Schuldner, die von einer Stadt in die andere fliehen, nicht schützen wollen. Solche Sicherheitsverträge innerhalb ihrer Mauern und ihres Gebietes errichten in den Jahren 1264 bis 1267 auch Hamburg und Hannover, Hamburg und Dortrecht, Hameln und Bremen mit der besonderen Bestimmung, dass kein Bürger wegen der Schulden eines Dritten haften solle, wenn er nicht des Schuldners Bürge oder Erbe geworden sei.

Der bedeutendste Vertrag aus dieser Zeit ist das im Jahre 1253 erneuerte Bündnis der vier nordwestdeutschen Städte Münster, Dortmund, Soest und Lippe gegen alle und jede Feinde. Die vier Städte erklären, dass sie sich zu einem ewigen Verein verbunden haben, jedem, der einen der Ihrigen beraubt oder schädigt, Alles verweigern, was ihm nützen könne, und ihm niemals ein Darlehn geben wollen. Ausdrücklich war diese Verbindung gegen die Herren und ihre Burgvögte, Ritter und Knappen gerichtet, welche zu solcher Freveltat hilfreiche Hand leisten. ,,Jede Stadt soll den Beschädigten auf jede Weise zur Erreichung seines Rechtes, wie den eignen Bürger, unterstützen und ihn im Falle der Gefahr und Verfolgung sicher dorthin geleiten, wo er von seinen Mitbürgern mit Geleit empfangen werden kann. Wird ein Ritter von einer Stadt mit rechtem Grund des Treubruches bezichtigt, so soll er in keiner der Städte ein Darlehn erhalten, bevor er nicht Alles, was er verschuldet, wieder gut gemacht hat. Kauft ein Bürger das einem Bundesgenossen geraubte Gut oder bringt es sonst in seinen Besitz, so soll er dasselbe in keiner der verbundenen Städte verkaufen und in jeder als gleich schuldig mit dem Räuber geachtet und behandelt werden. Jeder dawider Handelnde zahlt eine Buße und geht seiner Ehre in den Städten verlustig, wenn er sich nicht durch das Zeugnis von sechs erprobten Männern reinigt. Macht eine Stadt sich des Bundbruches schuldig, so soll sie sich durch den Eid von zwölf Männern, sechs aus dem Rat, sechs aus den Einwohnern der Stadt, reinigen.“

Von der unmittelbarsten Bedeutung für die Ausbildung der Hansa wurden die Verträge, welche Hamburg und Lübeck zum Schutz ihrer Handelsstraßen mit einander aufrichteten. Im Jahr 1210 verbanden sich zuerst die Bürger beider Städte zu gegenseitiger Sicherung für Bürger und Bürgergut, im Jahre 1241 folgten umfassendere Verträge. Danach sollten alle aus der einen Stadt wegen einer Schuld ausgestoßenen Einwohner auch in der anderen ausgestoßen und beide Städte verpflichtet sein, mit gegenseitiger Hilfeleistung das Meer von der Mündung der Trave bis zur Mündung der Elbe und die Elbe bis Hamburg auf gemeinsame Kosten zu schützen und mit allen Kräften, bis volle Genugtuung erreicht sei, zusammenzustehen, sobald ein Bürger außerhalb der Mauern ermordet oder geschädigt werde. Im Jahre 1255 erneuerten die beiden Städte zugleich mit einer ersten Münzeinigung dieses Schutzbündnis auf drei Jahre, vertrugen sich bald darauf auch über Schifffahrtsgewohnheiten und Regeln, und im Jahre 1259 erklärt Lübeck der Stadt Hamburg, den für die aufgestellten Wehrmittel vereinbarten Kostenbetrag zu ihrem rechtmäßigen Anteil leisten zu wollen.

Diese ersten Verträge der Städte Lübeck und Hamburg, welche in dieser Vereinigung während des 14. Jahrhunderts sich zum Mittelpunkt und Haupt des hansischen Bundes emporschwingen sollten, zeigen schon die große bleibende Bedeutung beider Städte für den deutschen Handel und für die Politik des deutschen Reiches in Bezug auf den Norden. Hamburg, der Hauptstapelplatz und Hafen der Elbmündung, war bestimmt, die aus dem Innern des Reiches gegen Norden sich ergießenden Handelsströmungen vermittelst der Elbstraße zusammenzufassen und nach allen Richtungen über die deutsche Nordsee weiter zu führen, in umgekehrter Richtung aber über das innere Deutschland alle auf der Nordsee diesem Reiche zufließenden fremdländischen Warenströmungen von dem Strombette der bis zur Südostgrenze des Reiches hinauf reichenden Elbe ringsher auszubreiten. Lübeck hatte dieselbe Aufgabe der Vermittelung zwischen dem nordischen und dem deutschen Handel, soweit sich beide auf der Ostsee begegnen konnten, und um diese Aufgabe zu erfüllen, verband es schon in diesem Jahrhundert die schiffbare Trave durch den für die ältere deutsche Handelsgeschichte außerordentlich wichtigen Stecknitzkanal mit der Elbe, so dass diese, nächst dem Rhein die bedeutendste Handelsstraße des Reiches, zwei in beide deutsche Meere sich ergießende Mündungen erhielt, deren eine den mächtigen Warenstrom über Hamburg in die Nordsee, die andere auf Stecknitz und Trave über Lübeck in die Ostsee trug. Außerdem waren beide Städte noch inniger dadurch verbunden, dass die von der Nord- in die Ostsee und in umgekehrter Richtung ziehenden Handelsströmungen, der Warenaustausch also zwischen dem nordwestlichen und nordöstlichen Teile von Europa, sich damals weniger durch die gefürchteten Meerengen zwischen Dänemark und Skandinavien von einem Meere zum andern bewegten, als zu Lande durch den südlichsten Teil Holsteins von Hamburg auf Lübeck und umgekehrt. Beide Städte, dadurch in unzertrennliche Verbindung gesetzt, wurden die Hauptträger der Vermittelung zwischen den beiden deutschen Meeren und zugleich, da sie in Folge dessen der erobernden Politik Dänemarks zunächst und am gefährlichsten ausgesetzt blieben, zu einer dauernden Einigung unter einander und zu immer weiterer Ausdehnung derselben auf die Nachbarstädte gezwungen, wie der nächstfolgende Abschnitt eingehender schildern wird.

Die Handelspolitische Bedeutung Lübecks nach Nordosten erscheint schon im Laufe dieses Jahrhunderts, in steigender Bedeutung. In den jetzt russischen Ostseeprovinzen hatte Lübeck an der Eroberung, der Besiedelung mit Deutschen, der Begründung deutscher Städte den lebhaftesten Anteil genommen und zugleich diese Gelegenheit nach Kräften benutzt, um hier auf die Dauer sicheren Boden für seine Handelsrichtungen zu gewinnen. Schon im Jahre 1231 bestätigte die Stadt Riga den Lübeckern den Besitz eines innerhalb der Ringmauern abgetretenen Hofes, und im Jahre 1242 gestand ihnen der Meister des deutschen Ordens in Preußen einen Landbesitz in Samland zu, um dort eine Stadt und einen Seehafen zu begründen, aus welchem Unternehmen freilich nichts wurde. Zu gleicher Zeit erwarben die Lübecker von den Grafen von Holstein und den Herzogen von Pommern Freiheiten in Bezug auf Schifffahrt, Fischerei und Handel, und von den Markgrafen zu Brandenburg eine Bestätigung solcher Rechte mit besonderer Hervorhebung ihres Handels in Danzig und auf der Weichsel. Auch in der Gesellschaft der Kaufleute auf Gothland tritt Lübeck jetzt in den Vordergrund. Auf einem Vertrage derselben mit dem deutschen Orden vom Jahre 1268 steht Lübeck an der Spitze der aufgeführten Städte, und die Urkunde vom Jahre 1270, wodurch König Erich von Dänemark den im Wendenlande und andern mecklenburgischen und pommerschen Küsten belegenen Seestädten Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald und Stettin Schutz- und Zollrechte auf den seeländischen Jahrmärkten erteilt, zeigt Lübeck als Haupt eines ausgebildeten Bundes der sogenannten wendischen Städte. Mit demselben Bund errichtet in den Jahren 1284 und 1285 der König Erich neue bestätigende Verträge, und im Jahre 1293 erklärt Wismar, dass es sich mit den Städten Lübeck, Rostock, Stralsund und Greifswald zum Schutz des gemeinsamen Handels und Rechtes zu Wasser und zu Land auf drei Jahre mit Festsetzung der von jeder einzelnen zu stellenden Mannschaft verbunden habe. Daneben sehen wir auch Lübeck nach Bedürfnis seine Verbindung mit den einzelnen deutschen Seestädten fortführen. Im Jahre 1280 verbindet sich die Stadt mit den Deutschen zu Wisby auf 10 Jahre zu, gemeinsamem Schutze der Ostseeschifffahrt und erneuert den Bund, dem auch Riga beitrat, im Jahre 1282.

Aus den Einzelbündnissen einiger Städte bildete sich also nach und nach durch die Gleichheit und die Verschmelzung der handelspolitischen Interessen ein alle wendischen Städte umfassender Bund heraus, der später auch über die weiter belegenen östlichen Seestädte, insbesondere das deutsche Wisby und Riga, unter Lübecks Leitung, ausgedehnt wurde.

Noch bedeutender trat Lübeck vermöge seiner Lage und seiner handelspolitischen Einigung mit Hamburg bei einem Bunde der Ostseestädte mit den Städten des westlichen Deutschlands hervor. Im Jahre 1241 erneuerten die Städte Soest und Lübeck nach beigelegten Streitigkeiten, von denen wir aber eine bestimmtere Kunde nicht haben, ihr altes Freundschaftsverhältnis, und im Jahre 1256 fordert die Stadt Minden die Städte Lübeck, Hamburg, Stade und andere um und jenseits der Elbe gelegene auf, dem beschworenen Vertrage zufolge gegen die Bedrückungen des Grafen von Wilipa und des Herrn von Ravensberg mit der festgesetzten Mannschaft Hilfe zu leisten. Gegen den Schluss dieses Jahrhunderts ist die Verbindung der östlichen und westlichen Städte vollzogen und lässt sogar schon eine maßgebende Einmischung auch in die inneren Verhältnisse der einzelnen Städte zu. Der Bund der Seestädte forderte nämlich im Jahre 1290 Hildesheim auf, mit der gegen den Rat der Stadt aufgestandenen Gemeinde zu Braunschweig allen Verkehr abzubrechen. Wenige Jahre darauf, 1293—95, wurde Lübeck von allen sächsischen und slawischen Städten als rechtliches Haupt des Bundes ausdrücklich anerkannt, und in Folge dessen forderte Rostock die Stadt Köln auf, durch Besiegelung einer dem Schreiben beigelegten Erklärung anzuerkennen, dass keine Appellation vom Hofe zu Nowgorod anders, als nach Lübeck, statthaben solle. Dieselbe Aufforderung schicken Rostock und Wismar zu gleicher Zeit an die anderen westlichen Städte, Dortmund, Osnabrück, Soest, Hamburg, Münster, Stade. Desgleichen bezeugten urkundlich das Domkapitel zu Lübeck und die Predigermönche und Minoriten, dass sie die Urkunden der sächsischen, slawischen, westphälischen und preußischen Städte eingesehen hätten, welche die Appellation von Nowgorod nach Lübeck anerkennten. Solcher Erklärung traten ausdrücklich bei die Städte Köln, Trier, Paderborn, Minden, Lemgo, Lippe, Herford, Höxter, Magdeburg, Halle, Braunschweig, Goslar, Hildesheim, Hannover, Lüneburg, Rostock, Stralsund, Wismar, Greifswald, Kiel, Stade, Riga, Danzig und Elbing.

Bis zu Ende des 13. Jahrhunderts haben sich also die bedeutendsten Städte des Nord- und Ostseegebietes zu bestimmten handelspolitischen Zwecken in eine Vereinigung zusammengeschlossen, die bei hervorragender Stellung der wendischen Städte und bei einer anerkannten Oberleitung der Stadt Lübeck besonders in den nordöstlichen Handelsrichtungen gemeinsame Ziele unter gemeinsamen Verpflichtungen und Formen verfolgt. Zu gleicher Zeit tritt auch die von jetzt an feststehende Gruppierung der Städte, ihre Einteilung in das sächsische, westphälische, wendische und preußische Viertel hervor, doch war dabei von einer feststehenden Organisation des Bundes so wenig, wie von seiner unbedingten Oberleitung über alle ausländischen Handelsniederlassungen und über die Verhältnisse der einzelnen Bundesglieder oder über die Gesellschaft der Kaufleute auf Gothland die Rede. Nur bei einzelnen Verhältnissen und Ereignissen zeigt sich eine allgemeine Übereinstimmung, die eine freiwillige, in jedem Einzelfalle erneuerte Übereinkunft zur Folge hatte. So verhandelt noch i. J. 1287 die Gesellschaft der Kaufleute auf Gothland unabhängig vom Einfluss der Städteeinigungen und stellt für „alle deutsche Kaufleute, welche Gothland besuchen“, gemeinsame Beschlüsse wegen schiffbrüchiger und geraubter Güter fest. Auch die bedeutenderen Städte Lübeck, Köln, Hamburg, Bremen, schließen wieder abgesondert für sich in den nordischen Reichen, in England und Flandern, Handels- und Zoll-Verträge und schützen und mehren dort ihre Besitztümer und Rechte aus eigenem Antrieb und mit eigenen Mitteln. Erst die politischen Verwickelungen und Kriege, in welche die Städte nach und nach hineingezogen wurden, konnten diesen norddeutschen Städtebund vollenden, die in den fremden Ländern wurzelnden kaufmännischen Einzelvereine in den einen Bund aufgehen machen, die gesonderten handelspolitischen Strebungen und Erwerbungen zu einem geschlossenen .Ganzen vereinigen und so die Hansa der deutschen Seestädte zu der ersten und maßgebenden Handels- und Seemacht des nördlichen Europas ausbilden, welche Entwickelung der nächste Abschnitt darstellt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Hansa als deutsche See- und Handelsmacht